Potsdamer Algen zum Härtetest im All
Ankunft im Orbit - an der Internationalen Raumstation ISS hat am frühen Morgen ein Frachter angedockt. An Bord hat er hartgesottene Mikroben, Moose und Algen aus Potsdam.
Das Manöver im Orbit verlief planmäßig: Am 24. Juli um 5:31 Uhr dockte der russische Raumfrachter „Progress M-24M“ an der Internationalen Raumstation ISS an. Im Gepäck befindet sich diesmal auch eine besondere Auswahl an Lebewesen: Bakterien, Algen, Moose, Pilze und Flechten. Die Organismen gelten schon auf der Erde als Überlebenskünstler. Nun soll in einem Außenexperiment namens BIOMEX getestet werden, ob sie auch den extremen Bedingungen des Weltraums gewachsen sind. An Bord sind auch Organismen, die Potsdamer Forscher an die ISS gesandt haben. Die Wissenschaftler versprechen sich Erkenntnisse für künftige Marsmissionen und für die Suche nach weiterem Leben im All.
Die Reise zum Außenposten der Menschheit auf rund 400 Kilometer Höhe verlief ohne größere Probleme: Am Mittwochabend um 23.44 Uhr MESZ war die kostbare Fracht an Bord einer Sojus-Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan abgehoben, wenige Stunden später wurde die Fracht vollautomatisch in die ISS verladen. An Bord hunderte biologische Proben von der Erde: Es sind Organismen, die mindestens 12 Monate an der Außenseite der Raumstation verbringen werden.
Frostliebende Algen an Bord
Unter den mehreren hundert Proben von Bakterien, Algen, Flechten, Moosen und Pilzen finden sich auch zwei Stämme aus der Sammlung frostliebender Algen (CCCryo), die am Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie in Potsdam angesiedelt ist. Forscher Thomas Leya hat dazu das Cyanobakterium Nostoc sp. aus der Antarktis und die Grünalge Sphaerocystis sp. aus Spitzbergen auf die Reise ins All geschickt. Leya ist einer von mehreren nationalen und internationalen Partnern, die zusammen im BIOMEX-Projekt (Biology and Mars-Experiment) der ESA und in enger Kooperation mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum DLR untersuchen, wie Organismen extremen Weltraumbedingungen gewachsen sind. Die diesmal ins All gesandten Lebewesen sind dabei schon auf der Erde mit außergewöhnlichen Eigenschaften aufgefallen. Es handelt sich um extremophile Organismen, Überlebenskünstler, denen selbst widrigste Umweltbedingungen nichts ausmachen.
Kosmischer Strahlung ausgesetzt
Mitte August sollen die Proben an der Außenseite der ISS in die Anlage EXPOSE-R2 positioniert und der dort herrschenden ultravioletten und kosmischen Strahlung, dem Vakuum sowie starken Temperaturschwankungen ausgesetzt werden.
Zudem werden auch Bedingungen simuliert, wie sie auf dem Planeten Mars herrschen. Das Hauptaugenmerk dieses Härtetests liegt auf der Stabilität der Zellstrukturen, der Proteine und der Erbmoleküle wie auch auf möglichen Veränderungen bestimmter Pigmente. Erkenntnisse daraus sind für zukünftige Marsmissionen relevant und könnten Wissenschaftler in Zukunft bei der Suche nach Leben auf dem Mars und im Weltall unterstützen. Bei BIOMEX geht es auch um die Überlebensfähigkeit und die möglichen genetischen Veränderungen der ausgewählten Organismen.
Extremisten unter den Moosen
Mit an Bord sind auch ein von der Potsdamer Biologin Jasmin Joshi vom Institut für Biochemie und Biologie untersuchtes Kissenmoos sowie ein Brunnenlebermoos, das aus hochalpinen Extremstandorten stammt. Die beiden Pflanzen gelten als besonders stresstolerant und können mit extremen Umweltbedingungen offenbar gut umgehen. Die biologischen Proben soll im Außerbereich der ISS bis zu 18 Monate lang verbleiben. Danach werden sie wieder auf die Erde zurückgeschickt. Ein Moment, den auch Geomikrobiologe Dirk Wagner vom Helmholtz Zentrum Potsdam GFZ mit Spannung erwartet. Er hat methanogene Archaeen, also Urbakterien, für die Expedition ins All mitgegeben, um mehr über deren Überlebensfähigkeit zu erfahren und zu ermitteln, wie sich die Mikroben in Mars-analogem Substrat besser aufspüren lassen.