Weltgipfel diskutiert Vielfalt der Bioökonomie
Wie kann der Aufbau einer nachhaltigen Bioökonomie gelingen? Dieser Frage widmen sich die mehr als 700 Teilnehmer des Global Bioeconomy Summits, der noch bis zum 26. November in Berlin stattfindet.
Zwei Tage lang tauschen sich die mehr als 700 Teilnehmer aus 82 Ländern darüber aus, wie auf internationaler Ebene eine bessere Abstimmung zur Bioökonomie gelingen kann. „Die Bioökonomie ist ein Schlüssel für nachhaltiges, ‘grünes‘ Wachstum, das durch Innovationen getrieben wird. Dafür brauchen wir internationale Abstimmung und faire Regeln. Hier wird der Global Bioeconomy Summit wichtige Impulse geben“, betont Christine Lang, Co-Vorsitzende des Bioökonomierates. Das Beratungsgremium der Bundesregierung ist der Organisator des Summits, Kanzlerin Angela Merkel hat die Schirmherrschaft übernommen. Internationale Organisationen wie die OECD, die FAO, die EU-Kommission sowie die Internationale Energieagentur IEA führen während des Summits eigene Veranstaltungen durch.
Die Organisatoren haben den Zeitpunkt des Summits bewusst ausgewählt: Vor acht Wochen fanden in New York die UN-Verhandlungen zur nachhaltigen Entwicklung statt. Unter den 17 verabschiedeten sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) finden sich zahlreiche Ziele, die auch beim Aufbau der Bioökonomie eine wichtige Rolle spielen. Experten sind sich zudem darüber einig: biobasierte Verfahren können auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dieser steht wiederum im Zentrum des Klimagipfels, der kommende Woche in Paris stattfinden wird.
Deutscher Bioökonomierat lädt nach Berlin
Wie die Bioökonomie künftig eine noch größere Rolle auf internationaler Ebene spielen und in die Agenden bestehender Verhandlungsprozesse aufgenommen werden kann, darüber tauschen sich nun in Berlin mehr als 850 Teilnehmer aus 82 Nationen beim Global Bioeconomy Summit aus, der vom 24. bis 26. November im Kongresszentrum bcc in Berlin stattfindet. Auf Einladung des deutsches Bioökonomierats sind damit erstmals wichtige internationale und nationale Vertreter aus Politik und Wissenschaft zusammengekommen. Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe und ihre Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung sind die bestimmenden Themen der Konferenz. „Eine vermehrt biobasierte Wirtschaft unterstützt Harmonie zwischen Mensch und Natur in einer Welt, die auf über 9 Milliarden Menschen zusteuert und von Klimawandel und Hunger betroffen ist“, sagte Joachim von Braun, Co-Vorsitzender des Bioökonomierates zur Eröffnung des Summit. Vor diesem Hintergrund sei eine gemeinsame globale Agenda der Bioökonomie wichtig, auch wenn man im Detail nicht immer genau das gleiche Verständnis von Bioökonomie habe. So wurden auf dem Summit denn auch viele unterschiedliche Ansätze von Rednern aus allen Kontinenten präsentiert.
Potocnik: Wir leben im Jahrhundert der Beschleunigungen
Der ehemalige EU-Kommissar Janez Potocnik, einer der Vordenker des Konzepts der wissensbasierten Bioökonomie in Europa, betonte, welch bedeutendes Entwicklungspotenzial in der Bioökonomie steckt. „Sie könnte zentral für den Übergang in ein neues Wirtschaftsmodell sein“, sagte der Slowene in Berlin. Bisher seien Wirtschaftsysteme fragil, sie müssten aber nachhaltig gestaltet werden – aus ökonomischer wie auch gesellschaftlicher Sicht. Zugleich gab er einen Überblick über wichtige globale Entwicklungen und nannte das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert der Beschleunigungen, insbesondere in Bezug auf CO2-Ausstoß und Bevölkerungszahlen. "Innerhalb einer Generation wächst unsere Weltbevölkerung derzeit um 80 Millionen Menschen, das entspricht etwa der Größe Deutschlands." Potocnik sieht hier vor allem die entwickelten Industrieländer in der Pflicht, ihren Technologievorsprung zu nutzen, um diesen Trends zu begegnen. "Wir können nicht mehr so weiter machen, wie bisher, wir brauchen einen Wandel und dieser wird nur mit dem Aufbau der Bioökonomie gelingen."
Wandel von der traditionellen zur modernen Bioökonomie gefordert
Für eine moderne Bioökonomie sprach sich auch Ashok Kosla, Nachhaltigskeitsexperte von den Development Alternatives in Indien aus. "Wir müssen die Welt der traditionellen Bioökonomie verlassen und eine moderne Bioökonomie fördern, die nachhaltige Lösungen auf lokaler Ebene ermöglicht", so Kosla. Er berichtete über eine Reihe von Projekten, mit denen Menschen in Indien biobasierten Materialien etwa aus Agrarabfällen geholfen werden kann. „Wir stellen aus Naturfasern einfache und günstige Mauersteine her, die für den Hausbau verwendet werden können“, sagte er. Außerdem unterstrich er: „Die effizienteste Weg zur Dekarbonisierung ist es, Frauen mit Jobs zu versorgen.“ So sei die Geburtenrate bei Frauen, die in einer Papierfabrik arbeiteten, die Zahl der Geburten erheblich gesunken.
Neway Gebre-ab vom äthiopischen Development Research Institute sprach sich für eine Kombination von Industrialsiierung und Grünem Wachstum in Afrika aus. "Nur so können wir langfristig Ernährungssicherheit gewährleisten. Wir müssen unsere traditionell landwirtschaftlich dominierte Wirtschaft überwinden und unsere natürlichen Ressourcen für neue Anwendungen nutzen."
Ulrich Hamm, Mitglied des Bioökonomierats, stellte unter anderem Ergebnisse einer Delphi-Studie vor, in der wichtige Innovations-Leitprojekte zu einer nachhaltigen Ernährung und eines nachhaltigen Konsums, zur Umsetzung von Bioraffinerien sowie zu Konzepten einer biobasierten Architektur präsentiert wurden.
Studie: Internationale Weltkarte der Bioökonomie
Im Rahmen des Gipfels gibt der Bioökonomierat in einer Studie erstmals einen Überblick über die politische Bedeutung der Bioökonomie auf globaler Ebene. Demnach haben weltweit bislang 45 Länder die Bioökonomie in ihre politischen Strategien integriert und wissenschaftliche und politische Programme aufgelegt. Industrieländer in Europa und Nordamerika sehen die Bioökonomie vor allem als Chance, innovative biobasierte Produkte und Prozesse zu entwickeln und neue Märkte zu öffnen. Schwellenländer wie Brasilien investieren in den Aufbau ganzer Industriezweige. Entwicklungsländern bietet sich die Chance zur wirtschaftlichen Teilhabe im Rahmen eines fairen internationalen Handels und von Kooperationen zum Technologietransfer.
Deutschland als Vorreiter in der Bioökonomie
Deutschland setzt bereits seit langem auf die Förderung der Bioökonomie. Vor diesem Hintergrund hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auch die Schirmherrschaft des Global Bioeconomy Summits übernommen. "Der Summit bietet ein exzellentes Forum, um über nationale Grenzen hinweg die verschiedenen Erfahrungen auszutauschen. Mit Blick auf die internationalen Verhandlungen zum Klima und zur Nachhaltigkeit in diesem Jahr ist eine globale Vernetzung zur Bioökonomie dringend erforderlich", betont sie in einem Grußwort.
Die Bedeutung von Innovationen für den Aufbau einer biobasierten Wirtschaft hob Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, als Eröffnungsreder der Bioinnovations-Welttour am ersten Tag hervor. Peter Bleser, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministierum, wird am zweiten Konferenztag von der G7-Allianz zur Ressourceneffizienz nachwachsender Rohstoffe berichten. Anlässlich des Starts des Summits betont Bundesforschungsministerin Johanna Wanka die große Bedeutung der Bioökonomie für die deutsche Politik: "Die Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 ist wichtiger Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Sie fördert Innovationen in der Produktion und der Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Mit internationaler Perspektive trägt sie dazu bei, nachhaltige ökonomische wie ökologische Lösungen voranzutreiben, die zu mehr Einkommen und höheren sozialen Standards führen. Das hilft Gesellschaften zu stabilisieren.“ Am Abend des 24. Novembers hatte das Ministerium zum Abendempfang in seine Räume geladen und den offziellen Startschuss für die Konferenz gegeben.
Bioökonomie-Experten aus aller Welt zu Gast
Eines der wichtigsten Ziele des Summits gilt der internationalen Vernetzung der Beteiligten. Auf diese Weise soll die Bioökonomie bei globalen Politikverhandlungen stärker zum Tragen kommen. „In den bisherigen Verhandlungen zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen oder dem Klimadialog wird der mögliche Beitrag der Bioökonomie weitgehend unterschätzt“, sagt Daniel Barben, als Vertreter des Bioökonomierates Mitglied des Konferenzkomitees. Zum Abschluss des Kongresses am Donnerstag soll ein Communiqué veröffentlicht werden, um Prioritäten für eine internationale Agenda der Bioökonomie festzulegen und den mit dem Summit angestoßenen Prozess der internationalen Abstimmung zu Bioökonomie zu verstetigen.