Warum Eichen so alt werden

Warum Eichen so alt werden

Internationale Pflanzenforscher haben das Genom der Stieleiche sequenziert und damit das Rätsel um deren Langlebigkeit gelöst: Die Baumart ist reich an Resistenzgenen.

Stieleichen sind weit verbreitet in ganz Mitteleuropa und beeindrucken vor allem durch ihre Langlebigkeit. Im Bild: 150 Jahre alte Eichen in der Forêt domaniale de Bercé im Nordosten Frankreichs.

Eichen sind eine typisch mitteleuropäische Baumart und machen in Deutschland knapp 12% der Waldfläche aus. Damit sind sie hierzulande nach der Rotbuche die zweithäufigste Laubbaumgattung. Am meisten verbreitet sind dabei die einheimische Traubeneiche und die Stieleiche, die zwischen 500 und 1000 Jahre alt werden kann. Ein internationales Pflanzenforscherkonsortium mit Beteiligung des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) hat nun untersucht, welche Mechanismen hinter der besonderen Langlebigkeit stecken.

Hohe genetische Vielfalt

Wissenschaftler aus Frankreich, Schweden, Spanien, den USA und Deutschland haben daher das Genom der Stieleiche mithilfe modernen Hochdurchsatz-Sequenzierungstechnologien sequenziert. Das Erstaunliche: Die genetische Vielfalt der Stieleiche ist zehnmal größer als die des menschlichen Genoms. Ihre Ergebnisse haben die Forscher im Fachjournal „Nature Plants“ veröffentlicht.

Große Anzahl von Resistenzgenen sorgt für Wehrhaftigkeit

Der Studie zufolge enthält das Stieleichengenom insgesamt 26.000 Gene. 51% davon bestehen aus springenden genetischen Elementen, also DNA-Sequenzen, die ihre Position innerhalb des Genoms ändern können. Außerdem verfügen diese Bäume über einen sehr große Menge von aneinander gereihten Gengruppen. Ihr Anteil beträgt 36%. Bei Pflanzen sind 15% üblich. Vor allem die Resistenzgene der Stieleiche scheinen von diesen Tandemduplikationen zu profitierten. Eine große und vielfältige Anzahl an Resistenzgenen macht die Bäume wehrhafter gegen Fressfeinde und Krankheiten. Der Vergleich mit krautigen Pflanzen wie der Acker-Schmalwand oder der Kartoffel sowie mit mehrjährigen Gehölzen wie der Pappel oder dem Pfirsichbaum zeigt jedoch, dass dieser Mechanismus zur Vervielfältigung von Resistenzgenen bei allen untersuchten Baumarten verbreitet ist. 

Verbreitung trotz komplexer Wechselwirkungen

Die beteiligten deutschen Forscher vom UFZ-Department Bodenökologie aus Halle (Saale) haben vor allem Gene zugeordnet, die für die Symbiose zwischen Baumwurzeln und Bodenpilzen relevant sind. Zudem stellte das Hallenser Team seine eigene Gendatenbank für das Projekt bereit. Diese Datenbank beruht auf einem Klon der Stieleiche, der am UFZ seit Jahren vermehrt wird. Ziel dieser Untersuchungen ist es, Informationen zur Regulation von Eichengenen bei Wechselwirkungen zwischen Eichenblättern oder -wurzeln und Tieren oder Mikroorganismen zu gewinnen. „Die zwei genomischen Merkmale geben uns Hinweise darauf, warum Bäume, die so vielen biotischen Wechselwirkungen ausgesetzt sind, es schaffen, sich in Europa so großräumig zu verbreiten“, sagt Sylvie Herrmann, eine der Mitautorinnen der Studie. „Wir wollen so untersuchen, wie sich Waldbäume als langlebige Organismen an Umweltänderungen anpassen“

Somatische Mutationen werden anscheinend vererbt

Ein weiterer Ansatz untersuchte die Veränderungen einzelner Gewebe mit steigendem Alter. In den meisten mehrzelligen Organismen häufen sich mit zunehmendem Alter somatische Mutationen, die beim Menschen beispielsweise zu Krebstumoren führen können. Da diese Mutationen in somatischen Zellen vorkommen, werden sie eigentlich nicht an die nächste Generation vererbt.

Das internationale Pflanzenforscherteam untersuchte die Häufigkeit somatischer Mutationen, indem es die Genome aus Proben von unterschiedlich alten Zweigen einer hundertjährigen Eiche verglich. Das überraschende Ergebnis: Manch somatische Mutation wurde tatsächlich an die nächste Generation vererbt. In Zukunft gilt es nun zu untersuchen, ob die Pflanzen dadurch einen Selektionsvorteil erhalten.

jmr