Springende Gene schützen Wollkäfer-Eier
Bakterien schützen Eier des Wollkäfers vor Pilzbefall. Laut Mainzer Forschern erhielten die Bakterien den Mechanismus durch natürlichen Gentransfer - eventuell sogar von Meeresorganismen.
Gemeinsam sind wir stark. Das gilt insbesondere für viele Lebewesen, die Symbiosen mit Mikroben eingehen, um sich neue Nahrungsquellen zu erschließen oder ihre Nachkommen zu schützen. So auch der Wollkäfer Lagria villosa. Dieser ist gleich von mehreren Stämmen eng verwandter Burkholderia gladioli-Bakterien besiedelt, die die Eier des Käfers vor Pilzbefall schützen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena hat nun herausgefunden, dass mindestens ein Stamm der Symbionten-Bakterien des Käfers eine pilzabweisende, also antimykotische Substanz abgeben, die erstaunlicherweise der antimykotischen Verbindung von im Meer lebenden Seescheiden sehr ähnlich ist.
Stark geschützt trotz kleinem Genom
L. villosa stammt eigentlich aus Afrika und gelangte von dort nach Südamerika. In Brasilien ist der Käfer bei Landwirten inzwischen eine gefürchtete Plage. Wie Mainzer Biotechnologen im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten, ist der besondere antimykotische Schutz der Eier durch die symbiontischen Bakterien vermutlich auf die Übertragung von Genen zwischen nicht verwandten Mikroorganismen zurückzuführen. Das Genom dieser besonders schützenden Bakterien ist insgesamt allerdings relativ klein. „Eine Reduktion des Genoms kommt oft bei Bakterien vor, die seit langer Zeit in enger Symbiose mit ihrem Wirt leben", erklärt Laura Flórez vom Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie der JGU.
Antimykotikum ähnelt Substanzen von marinen Organismen
Von den verschiedenen Bakterienstämmen, die die Wollkäfereier schützen, war ein Stamm besonders aktiv und protektiv: der Stamm B. gladioli Lv-StB. Die Forscher untersuchten die Eierschutzstoffe und fanden dabei eine antimykotische Substanz, die sie Lagriamid getauft haben: „Es ist auffällig, dass Lagriamid sehr stark Substanzen ähnelt, die bereits im Meer gefunden wurden und wahrscheinlich von mikrobiellen Symbionten von Seescheiden produziert werden", erklärt die Jenaer Biochemikerin Kirstin Scherlach.
Springende Gene ermöglichen Schutzmechanismus
Aber wie gelangte die genetische Information eines Meeresorganismus in das Symbionten-Bakterium? Um diese Frage zu beantworten, analysierten Jason Kwan und sein Team an der University of Wisconsin in Madison, USA, die Genome der mikrobiellen Gemeinschaft der Käfer und identifizierten die Gene, die der Produktion von Lagriamid zugrunde liegen. Bemerkenswert: Die verantwortlichen Gene liegen alle sehr dicht beieinander also auf einer genomischen Insel. Das deutet daraufhin, dass dieser Genabschnitt quasi „nachträglich“ durch lateralen Gentransfer in das Genom des Symbionten integriert wurde.
Sogenannte springende Gene sind in der Mikrobiologie zwar bekannt, jedoch können sie nur selten direkt mit einem Funktionsgewinn wie hier dem antimykotischen Potenzial der Bakterien verknüpft werden.
jmr