Mit Recyclingdünger aus Urin zur Nährstoffwende

Mit Recyclingdünger aus Urin zur Nährstoffwende

Nach drei Jahren Forschung zeigt das Projekt „zirkulierBAR“, dass es technisch machbar und ökologisch sinnvoll ist, menschliche Ausscheidungen als Dünger für die Landwirtschaft aufzuarbeiten. Die Ergebnisse sind jetzt in einem Handbuch erschienen.

Graphische Darstellung der Aufbereitung von Urin und Kot zu Dünger
Graphische Darstellung der Aufbereitung von Urin und Kot zu Dünger

Wie können Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff, die der Umwelt durch den Anbau und Verzehr von Lebensmitteln entzogen werden, wieder zurückgegeben werden? Diese Frage stand im Fokus des Projektes „zirkulierBAR“, das in den Jahren 2021 bis 2024 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme REGION.innovativ unterstützt wurde. Nach Abschluss des dreijährigen Vorhabens, welches das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) koordinierte, hat das Konsortium nun seine Ergebnisse und Erkenntnisse in einem Handbuch zusammengefasst.

Leitfaden für die Sanitär- und Nährstoffwende

Das „Handbuch für die Sanitär- und Nährstoffwende“ soll Kommunen sowie Landwirtinnen und Landwirte auf dem Weg in eine zirkuläre Zukunft als Praxisleitfaden dienen. Auf 124 Seiten wird gezeigt, wie mithilfe neuer Sanitärsysteme und Aufbereitungsanlagen Nährstoffe, die über die Nahrung aufgenommen wurden, wieder in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt werden können. Im Fokus des Projektes stand hier die Aufbereitung von Urin und Feststoffen aus sogenannten Trockentoiletten zu Recyclingdünger und -kompost.

Dafür wurde im Rahmen des Vorhabens auf dem Gelände der Stadtwerke Barnim in Eberswalde eine Recyclinganlage aufgebaut, um menschliche Ausscheidungen zu sammeln, zu säubern und als Recyclingdünger aufzubereiten. Es ist die erste ihrer Art in Deutschland. In dem Reallabor wurde erforscht, ob diese Art der Nährstoffrückgewinnung technisch machbar und auch ökologisch sinnvoll ist. In dem Handbuch beschreiben die Forschenden nun, wie viel Potenzial in dem Recyclingdünger steckt.

Beitrag zur Düngemittelversorgung und Umweltschutz

„Wenn Nährstoffe aus Kot und Urin getrennt gesammelt und aufbereitet werden und qualitätsgesichert auf den Äckern landen, können sie einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit Düngemitteln leisten“, resümiert Projektkoordinatorin Ariane Krause vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ). „Außerdem können wir Wasser sparen und die Belastung der Gewässer reduzieren. Zudem verringern Recyclingdünger die Abhängigkeit von Rohphosphat- und Erdgasimporten, die zur Herstellung synthetischer Dünger gebraucht werden.“

Durch die getrennte Aufbereitung von Urin und Kot lassen sich nicht nur wichtige Nährstoffe recyceln. Den Forschenden zufolge können mithilfe des Recyclingdüngers auch bis zu 25 % des Mineraldüngers in Deutschland ersetzt werden und somit der CO₂-Fußabdruck und Druck auf natürliche Ressourcen wie Boden, Wasser, Luft und Nährstoffe gemindert werden.

Alle Ergebnisse des BMBF-geförderten Projektes „zirkulierBAR“ sind nachzulesen in der Publikation: „Zurück in den Kreislauf – Handbuch für die Sanitär- und Nährstoffwende“. 

Das Handbuch steht als kostenloser Download zur Verfügung. 

Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des Projekts „zirkulierBAR“

Ab Januar 2025 ist das Handbuch auch in gedruckter Form erhältlich. 

In der Eberswalder Anlage, die der Projektpartner Finizio – Future Sanitation GmbH betreibt, werden die festen Bestandteile aus den Trockentoiletten in Humusdünger verwandel. Dafür werden die Feststoffe bei Hitze in einem Hygienisierungscontainer behandelt, um gesundheitsgefährdende Keime zu entfernen. Mit Grünschnitt, Tonmineralen sowie Pflanzenkohle werden die behandelten Feststoffe dann zu Humusdünger veredelt. Die Verarbeitung der flüssigen Bestandteile zu einem flüssigen Mehrnährstoffdünger erfolgt wiederum in einem mehrstufigen Verfahren in der Urinaufbereitungsanlage. Hier wandeln Mikroorganismen den im Urin enthaltenen Harnstoff in pflanzenverfügbare Nährstoffe um. Anschließend werden Medikamentenrückstände und andere Schadstoffe mithilfe von Aktivkohle entfernt.

Unbedenklichkeit und Wirkung der Recyclingdünger bestätigt

„Unsere Recyclingdünger sind gesundheitlich und seuchenhygienisch unbedenklich“, betont Projektkoordinatorin Ariane Krause. „Sie halten die strengen Grenzwerte des Abfall- und Düngerechts ein.“ Dass die neuen Recyclingdünger unbedenklich sind, haben auch Versuche auf dem Acker und im Gewächshaus der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung (HNE) Eberswalde sowie Untersuchungen des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ) und der Technische Universität (TU) Berlin gezeigt. 

Darüber hinaus wurde im Projekt nachgewiesen, dass die Wirkung der neuen Recyclingdünger „vergleichbar mit der anderer organischer oder synthetischer Dünger“ ist. Besonders der Dünger aus Urin liefere wertvolle Nährstoffe für das Pflanzenwachstum, während der Dünger aus den Feststoffen langfristig zur Bodenhumuspflege beitrage, schreiben die Forschenden.

Forschungsarbeit geht weiter

Nach Abschluss des Projektes „zirkulierBAR“ werden die Forschenden ihre Arbeit künftig im Rahmen eines neuen EU-Projektes mit dem Titel „P2Green“ fortsetzen. Die Aufbereitungsanlage in Eberswalde wird vom Start-up Finizio weiterbetrieben, um Humusdünger und Urindünger herzustellen. Ob und wann die neuen Recyclingdünger in Landwirtschaft und Gartenbau zum Einsatz kommen, ist allerdings offen. Den Forschenden zufolge müssen dafür in Deutschland „adäquater Rechtsrahmen“ für alternative Sanitärsysteme geschaffen werden.

bb