Mit künstlicher DNA zur Dreifach-Arznei

Mit künstlicher DNA zur Dreifach-Arznei

Bioingenieure der TU München haben mit künstlicher DNA ein Hydrogel erzeugt, das mehrere Wirkstoffe in fester Reihenfolge freisetzen kann.

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Mit farbigen Bällen und Pfeifenreinigern veranschaulichen Oliver Lieleg und Doktorandin Ceren Kimna, wie DNA-Stücke Nanopartikel miteinander verbinden können.

DNA ist nicht nur Träger der Erbinformation. Für manche Biotechnologen ist das Biomolekül auch ein Werkstoff mit faszinierenden Eigenschaften. So etwa für Bioingenieure, die sich mit DNA-Origami beschäftigen. Biomechaniker der TU München haben jetzt eine vielversprechende Anwendung für die Pharmazie geschaffen.

Wenn bei einer medikamentösen Therapie mehrere Wirkstoffe in einer bestimmten Reihenfolge eingenommen werden müssen, kann das leicht zu Fehlern in der Anwendung führen – erst recht, wenn zwei dieser Wirkstoffe nicht gleichzeitig aktiv sein dürfen. Zwar hat die Pharmaindustrie inzwischen Wege gefunden, Wirkstoffe nach der Einnahme erst zeitversetzt aktiv werden zu lassen. Doch Gewissheit, dass dadurch alle Komponenten der Therapie nacheinander und in der richtigen Reihenfolge freigesetzt werden, herrscht dadurch noch nicht. Die Münchner Forscher um Oliver Lieleg berichten nun im Fachmagazin „Journal of Controlled Release“ von einem neuen Ansatz, mit dem dieses Ziel erreicht werden könnte.

Bedingungen des menschlichen Körpers simuliert

Als Machbarkeitsbeweis haben die Forscher anstelle dreier Wirkstoffe Gold-, Silber- und Eisenoxidpartikel verwendet. Diese haben sie mit bestimmten Molekülen aus künstlicher DNA verbunden und in ein Hydrogel eingebettet. Aufgrund seiner Größe kann sich der „Wirkstoffkomplex“ nicht mehr im Gel bewegen. Wird jedoch eine Kochsalzlösung hinzugefügt, lösen sich die Silberpartikel aus dem Gel. „Da die Kochsalzlösung ungefähr denselben Salzgehalt hat wie der menschliche Körper, konnten wir so simulieren, dass die Wirkstoffe erst bei Anwendung des Präparats frei werden“, erläutert TU-Forscherin Ceren Kimna.

DNA als Schlüssel zur Freisetzung

Mit den Silberpartikeln werden auch bestimmte künstliche DNA-Moleküle freigesetzt. Diese wirken wie ein Schlüssel auf andere künstliche DNA, die die Eisenoxidpartikel blockiert und vor dem Einfluss der Salzlösung schützt. Der „Schlüssel“ bricht diese Blockade jedoch auf und setzt nun die Eisenoxidmoleküle frei. Mit diesen wird eine dritte Gruppe künstlicher DNA freigesetzt, die ihrerseits als Schlüssel für die Freisetzung der Goldpartikel fungiert. Künstliche DNA ist für derartige Anwendungen besonders geeignet, weil ihre Strukturen und ihr Bindungsverhalten gut verstanden und vorhersagbar sind.

Zwar ist es von der Machbarkeitsstudie bis zu einer ersten Anwendung noch ein weiter Weg. Konkrete Produkte haben die Wissenschaftler trotzdem schon im Blick. „So könnte zum Beispiel eine Salbe, die auf eine Operationswunde aufgetragen wird, Schmerzmittel, Entzündungshemmer und abschwellend wirkende Mittel nacheinander freisetzen“, schildert TU-Forscher Lieleg künftige Anwendungsmöglichkeiten. Zwar seien Salben oder Cremes, die ihre Wirkstoffe verzögert abgeben, nicht an sich neu. In heute verwendeten Präparaten könne allerdings nicht garantiert werden, dass nicht zeitweise mehrere Wirkstoffe gleichzeitig in den Organismus gelangen.

Salben und Tabletten denkbar

Außerdem sieht Lieleg in Salben nicht das einzige Anwendungsgebiet: „Salben sind durch ihre Konsistenz für unseren Hydrogel-basierten Ansatz die naheliegendste Anwendung. Das Prinzip könnte in Zukunft aber auch in Tabletten zum Einsatz kommen, die im Körper mehrere Wirkstoffe nacheinander abgeben.“

bl