Mikrokosmos von Biogasanlagen vermessen

Mikrokosmos von Biogasanlagen vermessen

Die Lebenswelt in den Fermentern von Biogasanlagen war lange Zeit eine Black Box. Ein EU-Konsortium mit Beteiligung von Forschenden aus Cottbus hat per Metagenomanalyse die wichtigsten mikrobiellen Biogas-Produzenten aufgespürt.

Luftbild eines Biogasanlage mit runden Gebäudestrukturen mit türkisen Dächern
Die neu beschriebenen Bakterien sind in Biogasanlagen allgegenwärtig.

Biogas ist eine der Komponenten, die bei der Energiewende fossile Rohstoffe ersetzen sollen. Es entsteht, indem mikrobielle Gemeinschaften Biomasse vergären. Im Grundsatz sind die daran beteiligten Prozesse gut verstanden, doch wie sich die mikrobiellen Gemeinschaften zusammensetzen, war bislang nur in Teilen erforscht. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus - Senftenberg (BTU) hat sich dieser Aufgabe angenommen – und eine wichtige Entdeckung gemacht.

Auffällige, noch nicht beschriebene Bakteriengruppe entdeckt

Innerhalb des von der EU finanzierten Projekts Micro4Biogas haben die Beteiligten für 45 Biogasanlagen die technischen und biochemischen Parameter erfasst. Außerdem nahmen sie 80 Proben und analysierten die darin lebenden Mikroorganismen. Dazu sequenzierte das Team die DNA der jeweiligen Proben und identifizierte die darin vorkommenden Mikroben, indem es das sogenannte 16s-rRNA-Gen mit Referenzdatenbanken abglich. Dieses Gen kommt in allen Mikroorganismen vor, variiert jedoch leicht zwischen den unterschiedlichen Stämmen und kann daher zur Identifikation genutzt werden. Dabei fiel eine häufig vorkommende Gruppe von Bakterien auf, deren 16s-rRNA zwar schon in anderen Studien erwähnt wurde, die aber noch nicht im Labor gezüchtet und untersucht worden war.

Bei der anschließenden vollständigen Sequenzierung der Metagenome von 30 Proben – der Gesamtheit der DNA aller Mikroben darin – ließ sich das Bakterium jedoch nicht nachweisen. Offensichtlich gab es in den Datenbanken noch keine vollständige Sequenz zum Vergleich. Mühsam isolierte das Team daher die spezifische DNA des unbekannten Bakteriums aus der Masse und stellte fest, dass es zu einer bis dahin unbekannten Ordnung gehört. Die Forschenden tauften sie Darwinibacteriales.

Wahrscheinliche Interaktion mit methanogenen Archaeen

„Interessanterweise waren Mitglieder der Darwinibacteriales in allen 80 Proben vorhanden, trotz der Unterschiede und der Entfernung zwischen diesen Anlagen“, erklärt Christian Abendroth von der BTU. Die Forschenden vermuten, dass bestimmte Mitglieder dieser Ordnung mit methanogenen Archaeen wechselwirken. Wenn sich das bestätigt, haben die nun beschriebenen Bakterien eine zentrale Bedeutung für die Biogaserzeugung. Dieses Wissen wiederum könnte ein Ansatzpunkt sein, die Biogasproduktion zu optimieren.

„Dies ist ein schönes Beispiel für etwas, das uns vor der Nase lag, das für die Biogaserzeugung wesentlich ist, uns aber lange verborgen blieb“, resümiert Manuel Porcar, Micro4Biogas-Koordinator von der spanischen Universität Valencia. Die bisherige Arbeit mündete bereits in zwei Publikationen auf bioRxiv, die sich als Preprints noch in der Begutachtung befinden – eine speziell zu den Darwinibacteriales sowie eine über die gesamte Analyse der 80 Proben. Doch die Auswertung der 80 Proben ist noch lange nicht abgeschlossen – und könnte weitere Überraschungen zutage fördern.

bl