Hanf kann Glasfasern in Verbundwerkstoffen ersetzen
Forschende aus Zittau liefern den Beweis, dass Hanffasern in Verbundwerkstoffen eine echte Alternative zu Glasfasern sein können.
Ob im Haushalt, beim Sport oder im Auto: Gegenstände aus Faserverbundwerkstoffen sind allgegenwärtig. Durch das Zusammenfügen mehrerer Komponenten wie etwa einer Kunststoffmatrix mit Fasern entstehen Werkstoffe, die vielfältigsten Ansprüchen gerecht werden. Zur Herstellung komplexer und leichter Formteile werden bisher häufig glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) eingesetzt. Bei der Herstellung der Glasfaser werden jedoch große Mengen des Klimagases Kohlendioxid freigesetzt. Auch das Recycling und die Entsorgung von sogenannten GFK-Werkstoffen sind problematisch. Eine nachhaltige Alternative zu Glasfasern könnten Naturfasern sein.
Naturfaser-SMCs aus Hanf für Fließpressverfahren
Forschende vom Fraunhofer IWU in Zittau und der Hochschule Zittau/Görlitz arbeiten seit einigen Jahren an biologischen Alternativen für Glasfasern in Verbundwerkstoffen. Ein Team um Rafael Cordeiro zeigt nun am Beispiel einer Innenverkleidung für Züge, dass Glasfasern durch Naturfasern in Kombination mit Harz ersetzt werden können. Bei dem neuen Bauteil handelt es sich um langfaserverstärkte Halbzeuge – sogenannte Sheet Moulding Compounds (SMCs) –, mit denen sich im Fließpressverfahren komplexe Formteile mit hoher Oberflächenqualität etwa für Zuginnenverkleidungen herstellen lassen.
SMC-Bauteil mit hohem biobasierten Anteil
Zur Herstellung des neuen Bauteils wurden ausschließlich grobe Hanffasern genutzt, die als Nebenprodukt bei der Textilherstellung mit Hanf anfallen. Den Forschenden zufolge liegt der Gewichtsanteil der Naturfaser im neu entwickelten SMC bei etwa 15 %. Durch den Einsatz von biobasiertem Harz als Matrix zur Einbettung der Hanffasern soll der „natürliche“ Anteil künftig auf bis zu 38 % steigen. Weitere 55 % sind natürliche Mineralstoffe wie Calciumcarbonat oder Aluminiumhydroxidhydrat, das in der Natur als Bauxit vorkommt. 7 % des neuartigen SMCs besteht aus fossilbasierten Zusatzstoffe, weil es dafür noch keine biobasierte Alternative gibt.
„Das Naturfaser-SMC ist so entwickelt, dass für die Produktion größerer Stückzahlen nur sehr geringe zusätzliche Anlageninvestitionen und nur minimale Prozessparameteränderungen erforderlich sind“, sagt Rafael Cordeiro, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IWU und im LaNDER³-Projekt der Hochschule Zittau/Görlitz. Auch bei der Herstellung von Halbzeugen und Bauteilen durch Fließpressen hinsichtlich der Prozesse und der benötigten Energie gibt es den Forschenden zufolge keine signifikanten Unterschiede zwischen Naturfaser- und Glasfaser-SMCs, schreiben die Forschenden.
Ein weiterer Vorteil des Naturfaser-Bauteils: Nicht nur Haut- und Atemwegsreizungen, die bei Kontakt mit Glasfasern auftreten können, werden erheblich reduziert. Bei der Herstellung von Hanffasern werden deutlich weniger CO₂-Emissionen freigesetzt als bei der Glasfaser-Produktion. Die übliche Lebensdauer der hanffaserbasierten Halbzeuge von 30 Jahren kann zudem durch eine gezielte Einstellung des Matrix-Harzes noch erhöht werden.
Längere Haltbarkeit und bessere Ökobilanz
Noch sind die neu entwickelten Naturfaser-SMCs weder recycelbar noch vollständig biologisch abbaubar. Den Forschenden zufolge gibt es jedoch vielversprechende Versuche, um die Naturfaser von der Matrix und dem Füllstoff zu trennen, damit der Naturfaser-Anteil kompostiert und der Füllstoff wiederverwendet werden kann. Die Arbeit des Zittauer Teams zeigt jedoch, dass die Herstellung nachhaltigerer SMC-Bauteile möglich ist. „Die Nachhaltigkeitsbilanz von Naturfaser-SMCs ist noch nicht perfekt. Aber sie ist schon heute wesentlich besser als bei glasfaserverstärkten Verbundmaterialien. Auch die Materialkosten stimmen. Somit sind die von uns entwickelten Alternativen zu klassischen Glasfaser-SMCs definitiv marktfähig“, so Cordeiro.
Die Arbeit der Forschenden am Fraunhofer IWU in Zittau und der Hochschule Zittau/Görlitz wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der strategischen Partnerschaft LaNDER3 über die Fördermaßnahme FH-Impuls gefördert. Darin werden gezielt Forschungs- und Innovationspartnerschaften unterstützt, um die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der Region zu stärken.
bb