Fraunhofer-Gesellschaft stellt Bioökonomie-Roadmap vor

Fraunhofer-Gesellschaft stellt Bioökonomie-Roadmap vor

Mit ihrer anwendungsorientierten Forschung ist die Fraunhofer-Gesellschaft bedeutender Innovationsmotor für das biobasierte Wirtschaften. In Berlin hat die Forschungsorganisation nun eine Roadmap vorgestellt, die aufzeigt, wie die Umsetzung einer kreislaufbasierten Bioökonomie gelingen kann.

Vorstellung der Fraunhofer Bioökonomie-Roadmap
Diskutierten anlässlich der Roadmap-Präsentation (v.links): Markus Wolperdinger, Isabel Thoma, Daniela Thrän, Friedrich Gröteke, Enrico Barsch, Dennis Eversberg und Lena Grimm.

Wenn eine der wichtigsten deutschen Forschungsorganisationen in die Zukunft der Bioökonomie schaut, ist das von hoher Relevanz für die Politik. Die Roadmap mit dem Titel „Zirkuläre Bioökonomie für Deutschland“ wurde am 2. Dezember auf dem EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg vorgestellt und den Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) und für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) übergeben. Rund 50 Interessierte waren zur Präsentation des Papiers und anschließender Diskussionsrunde in die Räume des Fraunhofer ENIQ gekommen.

Ein interdisziplinäres Team von Fraunhofer-Forschenden aus zehn Instituten – aus Materialwissenschaft und Verfahrenstechnik, Bio- und Lebensmitteltechnologie sowie Sozial- und Wirtschaftswissenschaften – hat in dem Papier den Stand der Technik, die Chancen und Herausforderungen in verschiedenen Anwendungsfeldern der Bioökonomie analysiert und daraus Handlungsempfehlungen für die Politik abgeleitet.

Zirkuläre Bioökonomie als Leitbild

„In der Roadmap betrachten wir die Weiterentwicklung der Bioökonomie bis 2035“, sagte Markus Wolperdinger, Institutsleiter am Fraunhofer IGB und Mitglied im Bioökonomierat. Dabei seien zwei Fragen zentral gewesen: „Wie können wir mit Bioökonomie den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken? Und wie können wir Lösungsansätze für globale gesellschaftliche Herausforderungen entwickeln?“

Das Leitbild der Fraunhofer-Forschenden ist hierbei die nachhaltige, zirkuläre Bioökonomie. Sie kombiniert das Konzept biobasiertes Wirtschaften mit der Kreislaufwirtschaft. Zwei übergreifende Anwendungsfelder der Bioökonomie haben die Autorinnen und Autoren der Roadmap betrachtet: Zum einen die Ernährung und zum anderen die stoffliche Nutzung von Biomasse sowie CO2.

Neben den technologischen Möglichkeiten und Anforderungen unterstreicht die Roadmap auch die Notwendigkeit für Anpassungen der Rahmenbedingungen: So gelte es, regulatorische Hürden abzubauen, Investitionen in den Technologietransfer auf den Weg zu bringen sowie Stakeholder, Verbraucherinnen und Verbraucher frühzeitig einzubinden, um den Markteintritt neuer Verfahren und Produkte und damit ein umwelt- und klimafreundliches Wirtschaften voranzubringen.

Schneller in den Industriemaßstab kommen

„Unsere Roadmap zeigt, dass bereits viele innovative Technologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette und für verschiedenste Anwendungen und Branchen der Bioökonomie entwickelt sind“, fasste Wolperdinger zusammen. „Jetzt müssen die Weichen so gestellt werden, dass diese Verfahren schnell in industrielle Dimensionen skaliert werden können, regulatorische Hemmnisse beseitigt und biobasierte Produkte wettbewerbsfähig zu solchen aus fossilen Rohstoffen gemacht werden.“ Dazu zähle mittelfristig auch eine verbesserte Nachhaltigkeitsbewertung über entsprechende Metriken.

Zirkuläre Bioökonomie bei Fraunhofer

Hier geht es zur kompletten Ausgabe der Fraunhofer-Roadmap Zirkuläre Bioökonomie für Deutschland (PDF-Download)

Zudem ist eine Kompetenz-Broschüre Zirkuläre Bioökonomie für Deutschland (PDF-Download) erschienen, die einen guten Überblick zu den Forschungs- und Entwicklungsprojekten zum Thema gibt.

Bioökonomie verstehen und leben

Andrea Büttner, geschäftsführende Institutsleiterin am Fraunhofer IVV, äußerte ihre Gedanken zur Rolle der Bioökonomie im gesellschaftlichen Kontext. „Es handelt sich um einen Transformationsprozess mit neuen Technologien und neuen Geschäftsmodellen – die Bioökonomie muss verstanden werden, damit sie gelebt werden kann“, sagte Büttner. Die Frage, wie wir selbst als Bürger wirksam werden können in einer neuen Wirtschaftsform, rücke immer stärker in den Vordergrund. Es gehe darum, gemeinsam nachhaltige Nutzungskonzepte zu finden, die zu Resilienz und Souveränität der Menschen in ihren biologischen Umgebungen führe. „Wir müssen hierzu nicht alles neu erfinden, sondern mit Wissen und Technologien moderne Konzepte auf eine neue Ebene heben“, sagte sie.

In einer Diskussionsrunde ordneten Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik die Fraunhofer-Bioökonomie-Roadmap weiter ein. Isabel Thoma vom Hamburger Start-up traceless materials, das ein neuartiges Biomaterial als nachhaltige Kunststoffalternative erzeugt, sagte, es gebe bereits eine riesige Nachfrage nach dem Produkt. „Der Markt ist bereit – wir müssen jetzt schneller in die Umsetzung und die Kommerzialisierung kommen“, so Thoma. Dazu brauche es mehr Agilität, Finanzmittel für die Skalierung und regulatorische Klarheit.

Die Co-Vorsitzende des Bioökonomierats, Daniela Thrän, betonte, auf dem Weg in eine zirkuläre Bioökonomie brauche es geeignete Infrastrukturen und Rahmenbedingungen – sowohl in der Landwirtschaft als auch in der industriellen Biotechnologie. „In der Produktführung müssen wir zudem viel stärker zu einem Upcycling kommen“, sagte sie.

Nachhaltigkeitsbewertung ausbauen

Enrico Barsch, Referent im Bioökonomie-Referat des BMBF sagte, unter anderem auf Basis der Bundesförderung sei in Deutschland in den vergangenen Jahren eine gute Wissens- und Technologiebasis aufgebaut worden. „Wir sind auch besser in der systemischen Betrachtung von Bioökonomie geworden“, so Barsch. „Wir verstehen sie besser und kommunizieren sie ehrlicher.“ Mit Blick auf die Umsetzung fördere das BMBF bereits viel angewandte Bioökonomie-Forschung. Er plädierte dafür, Bioökonomie-Ansätze stärker regional zu denken und die Werkzeuge für die Nachhaltigkeitsbewertung weiterzuentwickeln.

Auch Friedrich Gröteke, Referatsleiter Bioökonomie im BMWK, sprach sich für Verbesserungen von solchen Nachhaltigkeitsmetriken aus: „Wir brauchen hierfür eine branchenübergreifende und akzeptierte Lösung – und zwar auf EU-Ebene“, sagte er. Das sei auch notwendig, um Wagniskapital-Finanzierungen in der Bioökonomie zu unterstützen. Das BMWK richte seine Investitionsförderung zunehmend auf Nachhaltigkeit aus – etwa mit sogenannten „Carbon Contracts for Difference“. Um regulatorische Hemmnisse zu identifizieren und möglichst zu beseitigen, würden Bioökonomie-Konzepte ab dem nächsten Jahr in sogenannten Reallaboren erprobt.

Die Akzeptanz von Bioökonomie ist ein Thema, mit dem sich Dennis Eversberg von der Universität Jena in der BMBF-Nachwuchsforschungsgruppe „flumen“ beschäftigt. Sein Team hat dazu breit angelegte Befragungen durchgeführt, die derzeit ausgewertet werden. „Die Bioökonomie darf kein technokratisches Elitenprojekt sein, sondern muss für die Bürger gesellschaftliche Teilhabe bringen und in das soziale Leben eingebettet sein“, sagte er. Er favorisiere daher demokratische und partizipative Formen des biobasierten Wirtschaftens. „Wir müssen die Bioökonomie als Teil der Transformation unserer Gesellschaft verstehen.“

pg