Fichten im Hunger-Experiment

Fichten im Hunger-Experiment

Bei widrigen Umweltbedingungen wie Hitze oder Dürre stellen Bäume Überlebensprozesse vor das Wachstum.

Exüeriment mit jungen Fichten in Glaskästen
So sah der experimentelle Aufbau des CO2-Hungerexpriments an den jungen Fichten aus.

Zu überleben ist wichtiger als zu wachsen: Diese naheliegende Erkenntnis hat die Evolution auch in Bäumen verankert, wie ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts (MPI) für Biogeochemie nun im Fachjournal „PNAS“ berichtet. Demnach bevorzugen es die untersuchten Fichten bei Ressourcenknappheit, ihre Speicher gefüllt zu halten, und stoppen dafür sogar das Wachstum.

Energiespeicher für Hitze oder Dürre

Anders als Tiere oder Menschen können Pflanzen bei widrigen Umweltbedingungen nicht einfach an einen besseren Ort wechseln. Sie haben daher Mechanismen entwickelt, um auch unter schwierigen Bedingungen eine Weile zu überleben. Bäume legen beispielsweise Energiespeicher an, wenn sie stärker Photosynthese betreiben können, als für den aktuellen Kohlenstoff- und Energiebedarf erforderlich ist. Ist die Photosynthese durch Hitze oder Dürre nur eingeschränkt möglich, zehren sie von diesen Vorräten.

Bislang ging die Wissenschaft davon aus, dass die normalen Stoffwechselprozesse einschließlich des Wachstums Vorrang haben und erst, wenn diese alle versorgt sind, Überschüsse zu Vorräten umgewandelt werden. „Das macht aus Sicht der Evolution aber keinen Sinn“, erläutert MPI-Forscher Henrik Hartmann. Bäume müssten Jahrzehnte überleben, bevor sie sich fortpflanzen können, und schnell verfügbare Reserven spielten dabei eine enorm wichtige Rolle. „Warum sollte also ein Baum in Wachstum investieren, anstatt das Überleben zu sichern und vielleicht sogar noch weitere Reserven anzulegen?“

Weniger wichtige Moleküle werden zu Vorräten

Das Forschungsteam ließ junge Fichten deshalb mehrere Wochen „hungern“, indem es durch eine geringe CO2-Konzentration die Photosynthese ausbremste. Zunächst leerten sich die schnell verfügbaren Speicher zusehends, um Stoffwechsel und Wachstum aufrecht zu erhalten. Doch der andauernde Hunger führte nicht dazu, dass sich die Speicher vollständig leerten. Vielmehr stabilisierten sich die Vorräte auf einem bestimmten Niveau – und die Bäume hörten auf zu wachsen. „Wenn die Photosyntheseleistung zu gering ist, um alle Funktionen ausreichend mit Kohlenstoff zu versorgen, reduzieren Bäume ihre Wachstumsvorgänge, um Ressourcen für die Speicherung freizusetzen“, resümiert MPI-Forscher Jianbei Huang. Die Bestätigung dafür fand das Team auch auf genetischer Ebene, wo die veränderte Aktivität der Gene zu dieser Beobachtung passte.

Bemerkenswert ist jedoch die Konsequenz, mit der die Fichten aufs Überleben setzen: „Die Pflanzen scheinen lieber nicht benötigte Moleküle zu opfern und sich sozusagen selbst zu verdauen, als auf schnell verfügbare Speicherstoffe zu verzichten“, berichtet Hartmann. Unklar ist, wie lange die Bäume auf diese Weise überleben und sich von Klimaextremen erholen können. Dazu sei weitere Forschung nötig, betont das Team. Das hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Präzision von Klimamodellen, die dadurch ihre Vegetationsmodelle noch realistischer gestalten können.

bl