Doppelte Ernte mit Photovoltaik
Getreide und Strom gleichzeitig ernten? Die erste Agrophotovoltaik-Pilotanlage am Bodensee zeigt, wie das geht. Die Ernteergebnisse des ersten Jahres sind vielversprechend.
In Deutschland werden knapp 18% der Ackerflächen zum Anbau von Energiepflanzen wie Raps und Sonnenblumen genutzt. In der Vergangenheit gab es dafür viel Kritik, da Lebensmittelproduktion und Stromerzeugung bei der Landnutzung konkurrierten. Doch es geht auch anders. Seit einem Jahr wird unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE auf einer Versuchsfläche der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach am Bodensee die bundesweit größte Agrophotovoltaikanlage getestet. Die Bilanz nach zwölf Monaten ist vielversprechend.
Praxistauglich und wirtschaftlich
Mit der Pilotanlage liefern die Forscher erstmals den Beweis, dass Agrophotovoltaik durch die ressourceneffiziente Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen die Konkurrenzproblematik abmildern und Landwirten zugleich neue Einkommensquellen erschließen kann. „Die Ergebnisse des ersten Projektjahrs sind ein voller Erfolg, da sich die Agrophotovoltaik-Anlage als praxistauglich erwiesen hat, die Kosten bereits heute mit kleinen Solar-Dachanlagen wettbewerbsfähig sind, die Ernteprodukte ausreichend hoch und wirtschaftlich rentabel vermarktet werden können“, sagt Stephan Schindele, Projektleiter Agrophotovoltaik am Fraunhofer ISE.
Sonnenlicht doppelt nutzen
Auf einem Drittel der Demeter-Ackerfläche wurden Solarmodule in fünf Meter Höhe installiert. Darunter wurden Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras zum Test angebaut. Bei den Solarplatten handelt es sich um sogenannte bifaziale Glas-Glas-Solarmodule, die sowohl das Licht, welches ungenutzt durch das Modul geht, aber auch reflektiertes Licht aus der Umgebung auf der Rückseite nutzen können. Diese wurden in einem größeren Reihenabstand über den Nutzpflanzen montiert und nach Südwesten ausgerichtet, um sicherzustellen, dass die Pflanzen gleichmäßig Sonnenstrahlen einfangen.
Nur geringe Ernteverluste
Die Ergebnisse der ersten Ernte: Der Ertrag bei Kleegras war im Vergleich zur Referenzfläche nur leicht um 5,3% reduziert. Bei Kartoffeln, Weizen und Sellerie waren die Ernteverluste durch die Beschattung der Anlage mit rund 18 bis 19 % etwas größer. „Aus agrarwissenschaftlicher Sicht sieht Agrophotovoltaik nach einem vielversprechenden Lösungsansatz aus, um die Landnutzungseffizienz zu erhöhen und den Mix erneuerbarer Energien zu erweitern, die zukünftig aus der Landwirtschaft bereitgestellt werden“, sagt Iris Lewandowski, Leiterin des Fachgebiets Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen an der Universität Hohenheim.
Stromertrag überdurchschnittlich hoch
Überdurchschnittlich war hingegen die Stromausbeute. Bei günstigen Bedingungen wie etwa schneebedeckten Bodenflächen konnte ein Mehrertrag von bis zu 25% erzielt werden. In den ersten zwölf Monaten hat die Photovoltaik-Anlage 1.266 Kilowattstunden Strom pro installiertem Kilowatt Leistung geerntet. Damit liegt der Stromertrag ein Drittel über dem deutschlandweiten Durchschnitt von 950 Kilowattstunden pro Kilowatt. Mit der Leistung von 194 Kilowatt können 62 Vier-Personen- Haushalte mit Strom aus Sonnenenergie versorgt werden. Der Grund für die hohe Stromausbeute: Durch die 720 bi-fazialen Solarmodule kann Sonnenstrom nicht nur auf der Vorderseite, sondern auch die von der Umgebung reflektierte Strahlung auf der Rückseite genutzt werden.
Weitere APV-Anlagen mit neuen Kulturpflanzen geplant
Die Pilotanlage am Bodensee wurde im Rahmen des Projekt »APV-Resola« realisiert. Sie ist die erste APV bundesweit, die unter Realbedingungen die wirtschaftlichen, technischen, gesellschaftlichen und ökologischen Aspekte der Technologie wissenschaftlich untersucht. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der FONA- Forschung für nachhaltige Entwicklung gefördert. Ziel ist es, ähnliche Anlagen auch in anderen Regionen zu installieren und den Anbau weiterer Kulturpflanzen wie Obst, Beeren, Wein und Hopfen zu testen. Gleichfalls sollen Energiespeicher, organische PV-Folie sowie solare Wasseraufbereitung und -verteilung untersucht werden.
bb