Bioökonomieforum: Mit nachhaltigen Innovationen den Krisen begegnen
Das erste Bioökonomieforum des Bioökonomierats war ein vielseitiges Digital-Event. Akteure aus Politik, Wirtschaft und Forschung tauschten sich darüber aus, wie biobasiertes Wirtschaften in Zeiten akuter und chronischer Krisen vorangetrieben werden kann.
Erstmals richtete der seit 2020 berufene Bioökonomierat der Bundesregierung (BÖR) das Bioökonomie-Forum aus, um mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft über die Rolle der Bioökonomie für eine nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu diskutieren. „Wir wollen ein Zwischenfazit der bisherigen Ratsarbeit ziehen – aber auch verdeutlichen, dass Bioökonomie ein Schlüssel ist, um Lösungen für die verschiedenen Krisen unserer Zeit zu entwickeln“, sagte die Co-Vorsitzende des Bioökonomierats Daniela Thrän.
Désiree Duray moderierte das Digital-Event vom 21. bis 22. September aus einem Studio in den Räumen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die Teilnehmenden an den Monitoren konnten per Live-Umfragetool Slido Fragen stellen oder sich an Umfragen beteiligen. Parallel zum Forum trafen sich die Ratsmitglieder in Workshops und Arbeitsgruppen.
Europa und der Green Deal
„Die gegenwärtigen Krisen verschärfen die Notwendigkeit einer grünen Transformation“, betonte Peter Wehrheim, Referatsleiter Bioökonomie und Lebensmittelsysteme bei der EU-Kommission in seinem Impulsvortrag. Die Bioökonomie biete dafür Lösungen und sei daher auch elementarer Bestandteil des European Green Deal. Diese müssten aber auch wirklich nachhaltig sein. So sei es wichtig, mehr über den Gesamtverbrauch biogener Rohstoffe zu wissen. In seinem Impulsvortrag lobte er die Vorreiterrolle Deutschlands bei der Umsetzung des Konzepts Bioökonomie und insbesondere die Arbeit des Bioökonomierats. „Wir denken in Brüssel derzeit darüber nach, einen europäischen Bioökonomierat einzusetzen“, sagte Wehrheim.
Verfügbare Technologien nutzen und verknüpfen
Anfang September hatte der Bioökonomierat eine Stellungnahme veröffentlicht, wie mithilfe der Bioökonomie die gegenwärtige Ernährungs- und Energiekrise besser bewältigt werden kann. Darüber diskutierten am ersten Forumstag die Co-Vorsitzende des Bioökonomierates, Iris Lewandowski, mit Staatssekretärinnen aus zwei Bundesministerien, dem Energielandwirt Thomas Karle und Raffael Wohlgensinger, Geschäftsführer des Berliner Start-ups Formo.
BMBF-Staatssekretärin Judith Pirscher betonte dabei die Notwendigkeit, sich zu vernetzen, um mit nachhaltigen Innovationen den Krisen zu begegnen und souverän in eine klimaneutrale Zukunft zu gelangen. „Wir wollen Tempo machen und mehr Fortschritt wagen“, sagte Pirscher. Dazu gehöre, alle verfügbaren Technologien zu nutzen und diese klug miteinander zu verknüpfen. „Wir wollen mit starker Forschung und Innovationen die Herausforderungen der Zeit meistern“, sagte Pirscher.
Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), sagte, für die Bioökonomie müssten biobasierte Rohstoffquellen erschlossen werden, die nicht mit der Nahrungsmittelversorgung in Konkurrenz treten. „Wichtig ist, dass wir zunehmend auf Rest- und Abfallstoffe setzen und Klima-, Umwelt- und Artenschutz bei der Biomasseproduktion stets mitdenken“, sagte sie. Die von der Bundesregierung derzeit erarbeitete Biomasse-Strategie ist Bender zufolge eine „gute Ergänzung zur Nationalen Bioökonomiestrategie“. Es gehe darin darum, klare Nutzungshierarchien aufzuzeigen und besser mit Böden umzugehen, so Bender.
„Wir müssen lernen mit Biomasse umzugehen“, betonte Energielandwirt Thomas Karle und Betreiber des Bioenergiedorfes Füßbach. In seiner Biogasanlage werden hauptsächlich pflanzliche Reststoffe wie Gemüseabputz und Weintraubentrester sowie Gülle aus der Tierhaltung eingesetzt. Er sprach sich für „kleine und regionale Strukturen“, bei der Energieerzeugung aus, weil sie „effizienter und nachhaltiger“ seien.
Der Bioökonomierat rät dazu, Agrarprodukte, die als Nahrungsmittel geeignet sind, zur Ernährungssicherung und nicht zur Herstellung von Energie wie Biodiesel und Ethanol zu nutzen. „Wir wollen keinen Verzicht, sondern Alternativen bieten“, betonte Iris Lewandowski, Co-Vorsitzende des Bioökonomierates. Die Biotechnologie biete dafür technologische Ansätze. „Langfristig brauchen wir eine resiliente Landwirtschaft“, so Lewandowski. Food-Innovationen wie die von Formo hergestellten, mit Mikroorganismen erzeugten Milchersatzprodukte, haben das Potenzial, die Ernährung zu sichern und zugleich die Umwelt zu schonen. „Was ich mir wünsche, ist ein fairer Wettbewerb und schnellere, evidenzbasierte Verfahren bei der Zulassung“, sagte Formo-Gründer Raffael Wohlgensinger.
Bioökonomie in den Bundesländern
Wie die Bundesländer die Umsetzung des Konzepts Bioökonomie vorantreiben, war ein weiterer Schwerpunkt am ersten Tag des Forums. An die Politik wurde eine Broschüre mit einer Übersicht der Bioökonomieinitiativen in den Bundesländern. Diese Publikation wurde in der Arbeitsgruppe „Länderinitiativen“ des BÖR gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer erarbeitet. Sie enthält eine Übersicht der Bioökonomieinitiativen in den Bundesländern. Auf der Webseite des Bioökonomierats gibt es die Broschüre zum Download.
Innovationsfinanzierung und Industriemaßstab
Wie kann die große Transformation hin zu einer Bioökonomie gelingen? Darüber diskutierten Innovationsfachleute in einer weiteren Runde. Uwe Cantner von der Expertenkommission EFI sprach sich für hohe CO2-Preise aus, um neuen Materialtechnologien eine Chance zu geben. „Zudem müssen bürokratische Hindernisse beseitigt werden. Wir brauchen professionelle Formate für den Forschungstransfer“, sagte er. Stefanie Heiden sagte, es brauche einen lenkenden Staat, der sage: „Wir investieren, damit ein Leitmarkt entsteht“. Thorsten Billing von der KfW betonte, es sei wichtig Wachstum zu skalieren und Kapital in den Markt zu übersetzen. Er plädierte dafür, Bioökonomie-Leuchtturmprojekte auszuwählen und Investoren und Konsumenten dafür zu begeistern. Jürgen Eck sagte, für die Wachstumsfinanzierung bedürfe es einer Eigenkapitalfinanzierung aus dem VC-Markt heraus. Daher sei auch eine Bewertung der Bioökonomie-Produkte mittels einer entsprechenden Metrik so wichtig. „So wird messbar, ob ein Produkt wirklich nachhaltiger ist“, sagte er.
Mehr Wagniskapital mobilisieren
Auch am zweiten Tag war die Politik im Berliner Studio zu Gast. Stefan Tidow, Staatsekretär aus dem Bundesumweltministerium sagte, die Bioökonomie biete Lösungen, wenn die Biomasse nachhaltig erzeugt und genutzt werde. Das müsse auch in gesellschaftliche Innovationen eingebettet sein. Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), sagte, das Thema Bioökonomie sei ihm mittlerweile ans Herz gewachsen. „Wir müssen Ideen hochskalieren“, so Kellner. Dafür brauche es mehr Wagniskapital – etwa über den kürzlich gegründeten Zukunftsfonds oder auch die GAW-Förderung, die zunehmend auf die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet würden. Auch Kellner betonte, die Messbarkeit von CO2-Fußabdrücken müsse weiterentwickelt werden.
In den weiteren Diskussionsrunden und Berichten aus den BÖR-Arbeitsgruppen wurden zahlreiche Bioökonomie-relevante Themen vertieft. Mit Blick auf neue Ansätze der Landbewirtschaftung haben die Fachleute zum Beispiel Energietechnologien wie die Agri-Photovoltaik sowie Agroforstsysteme unter die Lupe genommen. Auch mit Bioraffinerien oder einer nachhaltigen Lebensmittelversorgung mithilfe biotechnischer Ansätze haben sich die Bioökonomieratsmitglieder beschäftigt und präsentierten dazu ihre Erkenntnisse. In der abschließenden Podiumsdiskussion tauschten sich Expertinnen und Experten über das Thema CO2-Bilanzierung und eine faktenbasierte Bewertung von Bioökonomie-Systemen aus.
bb/pg