Bakterieller Untermieter betreibt Upcycling
In Wimperntierchen haben Bremer Mikrobiologen Bakterien erforscht, die in enger Symbiose mit ihrem Wirt leben und ungewöhnliche Stoffwechselleistungen vollbringen.
Kohlendioxid bildet für viele Organismen die Grundlage, um durch ihren Stoffwechsel Kohlenstoffverbindungen zu erzeugen. Pflanzen und bestimmte Bakterien nutzen dazu die Photosynthese, andere Bakterien die Chemosynthese. Tiere besitzen diese Fähigkeit jedoch nicht und haben deshalb Symbiosen mit entsprechenden Einzellern gebildet. Auch das Bakterium Kentron galt bislang als chemosynthetischer Symbiont des Wimperntierchens Kentrophoros. Die Wahrheit ist jedoch viel interessanter, wie Forscher des Bremer Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie gemeinsam mit internationalen Kollegen im Fachjournal „mBio“ berichten.
Unfähig, Kohlendioxid zu fixieren
„Entgegen unseren Erwartungen haben wir keines der bekannten Gene entdeckt, die für die Fixierung von CO2 erforderlich sind“, berichtet Erstautor Brandon Seah. „Aus seinen Genen zu schließen, verwendet Kentron kleine organische Verbindungen und verwandelt diese in Biomasse“, erklärt Nicole Dubilier, Direktorin am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie und leitende Autorin der Studie. „Kentron wandelt höchstwahrscheinlich Abfallprodukte aus der Umwelt und von ihren Wirten in höherwertige Biomasse um, um seinen Wirt zu ernähren. So gesehen betreibt Kentron ein Upcycling, es wertet den Abfall auf.“ Der Wirt, das Wimperntierchen, ist so sehr von seinem Symbionten abhängig, dass er nicht einmal mehr einen Mund besitzt.
Deutlicher Unterschied zu anderen Symbionten
Isotopen-Analysen der Proteine des Bakteriums bestätigten, was die Gene nahelegten: Der sogenannte Stabile-Isotopen-Fingerabdruck von Kentron unterscheidet sich stark von dem anderer chemosynthetischer Symbionten. „Das zeigt deutlich, dass Kentron seinen Kohlenstoff anders bekommt als andere Symbionten“, so Seah. Welche Vor- oder Nachteile diese Strategie dem Bakterium bietet, wollen die Forscher als nächstes untersuchen.
Konsequenzen für Modelle des Kohlenstoffkreislaufs
Die Entdeckung könnte aber schon jetzt weitreichende Konsequenzen haben: „Organische Substrate aus der Umwelt aufzunehmen und Abfälle ihrer Wirte zu recyceln, könnte in diesen Symbiosen wichtiger sein, als bisher vermutet“, schließt Mitautor Harald Gruber-Vodicka vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie. Es könne somit nötig sein, die ökologischen Modelle des Kohlenstoffkreislaufs anzupassen.
bl