Bäckerhefe ist Mikrobe des Jahres 2022

Bäckerhefe ist Mikrobe des Jahres 2022

Das Multitalent der modernen Biotechnologie wird vom Menschen schon seit Jahrtausenden genutzt.

20.000-fache Vergrößerung der Bäckerhefe
Die Mikrobe des Jahres 2022, Saccharomyces cerevisiae, 20.000-fach vergrößert.

Die Bäckerhefe ist die Mikrobe des Jahres 2022. Seit 2014 stellt die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) jährlich eine bedeutsame Gattung oder Art aus dem Bereich der Mikrobiologie heraus. Mit der diesjährigen Entscheidung für den eukaryotischen Einzeller Saccharomyces cerevisiae ist die Wahl auf einen der ältesten und bekanntesten Produktionsorganismen der Biotechnologie gefallen.

Bier, Brot und Biotechnologie

Genutzt wurde die Bäckerhefe schon zu Zeiten, als kein Mensch wusste, was Mikroorganismen sind. Der deutsche Name verweist auf die Bedeutung des Einzellers als Backtriebmittel, seine zweite traditionelle Bedeutung steckt im Fachnamen, der soviel bedeutet wie „Zuckerpilz des Bieres“: S. cerevisiae sorgt für die alkoholische Gärung. Heutzutage kommt eine dritte große Bedeutung hinzu: Als Einzeller mit Zellkern ist die Bäckerhefe weit enger mit menschlichen Zellen verwandt als zellkernlose Einzeller wie Bakterien. Das macht die Mikrobe des Jahres 2022 zu einem wichtigen Forschungsobjekt und Produktionsorganismus für bestimmte Proteine.

Die Funktion der Hefe als Backtriebmittel geht darauf zurück, dass die Zellen die im Teig enthaltenen Zucker für ihren Stoffwechsel nutzen und dabei das Gas Kohlendioxid produzieren. Das verteilt sich bläschenförmig im Teig und lässt diesen locker werden. Auch die Kohlensäure in Bier, Wein oder Sekt geht auf Hefestämme zurück.

Alkohol aus Zucker

Die alkoholische Gärung durch Hefen wurde erstmals im 19. Jahrhundert von Louis Pasteur beschrieben – obwohl die Menschen schon im alten Ägypten damit eine Art Bier herstellten, ohne damals die Zusammenhänge zu verstehen. Auch hier ernähren sich die Hefezellen von Zucker aus den pflanzlichen Zellen und bilden neben den Kohlendioxidbläschen auch Ethanol. Für die Hefe hat das den Vorteil, dass der Alkohol für so manche andere Mikroorganismen giftig ist und sie auf diese Weise Konkurrenten um den Zucker ausschalten.

Die Biotechnologie und die Zellbiologie haben inzwischen ein umfangreiches Wissen über S. cerevisiae angesammelt. Sie dient als Modellorganismus, um die Funktion eukaryotischer Zellen – also solcher mit Zellkern – zu untersuchen, und sie war der erste eukaryotische Organismus, dessen Genom vollständig sequenziert worden ist. Rund 6.300 Gene haben die Forschenden dabei identifiziert.

Insulin und Biokraftstoff

Das vorhandene Wissen wird beispielsweise dazu genutzt, der Hefe das Gen für das menschliche Insulin einzupflanzen und es so industriell herzustellen, um Menschen mit Diabetes zu helfen. Auch das mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Malaria-Mittel Artemisinin wird in Hefe produziert. Am anderen Ende des Biotechnologie-Spektrums verdauen Hefen pflanzliche Reststoffe wie Xylose und wandeln diese in Ethanol um, das als Biokraftstoff oder Ausgangsstoff der chemischen Industrie genutzt wird.

bl