Amöben als Biofabriken für Naturstoffe

Amöben als Biofabriken für Naturstoffe

Leibniz-Forschenden aus Jena ist es gelungen, in Amöben den Naturstoff Olivetolsäure herzustellen – eine Vorstufe des Cannabis-Wirkstoffs THC.

Die einzellige Amöbe Dictyostelium discoideum kann sich zu einem vielzelligen Verband zusammenschließen und Fruchtkörper ausbilden, die Sporen produzieren.
Die einzellige Amöbe Dictyostelium discoideum kann sich zu einem vielzelligen Verband zusammenschließen und Fruchtkörper ausbilden, die Sporen produzieren.

Tetrahydrocannabinol – kurz THC – ist ein Hauptbestandteil der Cannabispflanze und vor allem wegen seiner berauschenden Wirkung bekannt. In abgeschwächter Form wird der Naturstoff seit langem auch in der Medizin eingesetzt, um neurologische Krankheiten und Schmerzen zu lindern. Den Naturstoff in reiner Form aus der Hanfpflanze zu isolieren, ist jedoch sehr aufwendig. Solche Pflanzenstoffe werden daher immer öfter biotechnologisch hergestellt. Dafür werden Bakterien wie Escherichia coli oder die Hefe Saccharomyces cerevisiae verwendet. Beide stellen jedoch pflanzliche Verbindungen nicht von Natur aus her, sodass gentechnische Veränderungen an den Produktionsorganismen vorgenommen werden müssen.

Gene der Amöbe ähneln pflanzlichen Biosynthesegenen

Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans Knöll-Institut (Leibniz-HKI) in Jena hat nun einen neuen vielversprechenden Produktionsorganismus gefunden, um solche komplexen Naturstoffe herzustellen: die Amöbe Dictyostelium discoideum. Der Schleimpilz besitzt selbst zahlreiche biosynthetische Gene zur Produktion von Naturstoffen (Polyketide), zu denen die THC-Vorstufe Olivetolsäure gehört. „Bei näherer Betrachtung der Gene ist uns aufgefallen, dass einige eine hohe Ähnlichkeit zu pflanzlichen Biosynthesegenen aufweisen“, so Erstautorin Christin Reimer, die sich in ihrer Doktorarbeit mit dem Thema beschäftigt.

Amöbenenzym erzeugt THC-Vorstufe

Im Rahmen der Studie ließen die Forschenden von D. discoideum zunächst das als Nahrungsergänzungsmittel bekannte Polyketid Resveratrol produzieren, um zu testen, inwiefern sich der Schleimpilz als Biofabrik eignet. Anschließend bauten sie das pflanzliche Enzym zur Produktion der THC-Vorstufe Olivetolsäure in das Genom der Amöbe ein. Um die Naturstoffsynthese zu ermöglichen, waren jedoch auch hier chemische Vorstufen nötig. Schließlich machten sich die Forschenden die natürlichen Eigenschaften der Amöbe zunutze und kombinierten das pflanzliche Enzym mit einem Enzym der Amöbe. „Die Amöbe ist in der Lage, direkt vor Ort die benötigte Vorstufe, eine Hexan-Einheit, herzustellen“, erklärt Falk Hillmann, Leiter der Nachwuchsgruppe „Evolution mikrobieller Interaktionen“ am Leibniz-HKI und einer der Studienleiter.  

Verfahren zum Patent angemeldet

Auf diese Weise gelang es dem Forschungsteam, ein funktionales Hybrid-Enzym herzustellen, das ohne weitere Zusätze Olivetolsäure herstellt, das zur THC-Produktion nötig ist. „Durch unsere Forschung haben wir gezeigt, dass die Amöbe Dictyostelium als biotechnologische Produktionsplattform für Polyketid-basierte Naturstoffe genutzt werden kann“, so Reimer. „Unser nächstes Ziel ist es jetzt, die beiden noch fehlenden Enzyme einzufügen, um das Endprodukt THC in den Amöben herstellen zu können“, ergänzt Hillmann.

Das neue Verfahren wurde bereits zum Patent angemeldet. Die Arbeit der Forschungsgruppe wurde im Rahmen des Forschungsgruppenprogramm des Landes Thüringen mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert, unter anderem über das „GO-Bio initial“-Programm.

bb