Neue Impulse für die Elektrobiotechnologie

Neue Impulse für die Elektrobiotechnologie

Miriam Rosenbaum

Beruf:
Diplom-Biochemikerin

Position:
Professorin für Synthetische Biotechnologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Abteilungsleiterin des Biotechnikums am Leibniz HKI Jena.

Vorname
Miriam
Nachname
Rosenbaum

Beruf:
Diplom-Biochemikerin

Position:
Professorin für Synthetische Biotechnologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Abteilungsleiterin des Biotechnikums am Leibniz HKI Jena.

Die Biochemikerin Miriam Rosenbaum aus Jena ist Pionierin der Elektrobiotechnologie. Im Interview erläutert sie, wie sie Sauerstoff in Biotech-Prozessen ersetzen will.

In der Elektrobiotechnologie untersuchen Forscherteams seit Längerem, wie sich elektrischer Strom aus mikrobiellen Stoffwechselprozessen nutzen lässt. Es ist aber auch denkbar, diesen Strom für die biotechnologische Produktion von sauerstoffsensiblen Enzymen oder Biochemikalien zu nutzen. Der Schlüssel liegt darin, den Sauerstoff aus dem bakteriellen Stoffwechsel zu entfernen. Die Biochemikerin Miriam Agler-Rosenbaum von der Universität Jena erforscht in dem Projekt „e-MICROBe“, wie das gelingen kann. Der Europäische Forschungsrat unterstützt sie mit einem  „ERC Consolidator Grant“, der mit 2 Mio. Euro dotiert ist.

Frage

Frau Rosenbaum, Sie gelten als eine Pionierin der Elektrobiotechnologie. Was ist das Besondere Ihres Faches?

Antwort

Dass Bakterien mit Elektroden interagieren können, fand ich von Anfang an faszinierend. Zunächst hatte man nur im Blick, diese Interaktion auszunutzen, um etwa elektrischen Strom aus mikrobiellen Prozessen zu gewinnen, zum Beispiel Strom aus Abwasser mit Mikrobiellen Brennstoffzellen. Aber nun arbeiten wir auch daran, diese Interaktion für die Biotechnologie zu nutzen, also die Herstellung von Enzymen oder Biochemikalien. Hier ergeben sich Chancen, auf ganz neue Art und Weise in den Energiehaushalt von Bakterien einzugreifen und diesen neu auszurichten. Dabei ist das gesamte Thema sehr interdisziplinär – es geht um die Biologie und Biochemie der Zellen, aber auch Elektrochemie und Verfahrenstechnik – das macht es sehr spannend!

Frage

Im Projekt „e-MICROBe“ wollen Sie biotechnologische Prozesse entwickeln, in denen Bakterien ohne Sauerstoff auskommen. Worin besteht das Problem mit dem Sauerstoff?

Antwort

Für die meisten derzeitigen Prozesse ist Sauerstoff kein Problem, er ermöglicht eine einfache und sehr erfolgreiche Energieproduktion in den Bakterien. Aber es gibt zum einen Prozesse, wo die notwendige Einbringung von Sauerstoff ein technisches Problem wird, da zum Beispiel die Produkte zu starkem Schäumen tendieren oder die Biomasse hochviskos wird. Zum anderen gibt es in der Natur viele Metabolite oder auch Enzyme, die durch Sauerstoff schnell inaktiviert werden. Ein Großteil der Bakterien in der Umwelt lebt ohne Sauerstoff – anaerob. Ich denke, dass wir derzeit ein großes molekulares Potenzial dieser anaeroben Welt technologisch unangetastet lassen, weil wir keine skalierbaren technologischen Prozesse für sauerstoffsensible Produkte haben. In gängigen anaeroben Fermentationsprozessen erhalten die Zellen meist deutlich weniger Energie und es können vornehmlich Produkte des Primärstoffwechsels gebildet werden.

Frage

Wie wollen Sie die Elektronen aus dem Energiestoffwechsel der Mikroorganismen stattdessen loswerden?

Antwort

Wir wollen die Elektronen über eine Elektrode ableiten – aber nicht „verkabeln“, also direkt über Redoxenzyme an die Elektrode binden – wie das einige Kollegen vorhaben und tun –, sondern „wireless“, über lösliche Redoxmediatoren, die als Taxis für die Elektronen dienen. Die große Herausforderung wird aber sein, diesen Elektronentransport nach außen innerhalb der Zelle mit einer Energiegewinnung – sprich ATP-Produktion – zu verknüpfen. Hier wird unsere Forschung erst zeigen, was die besten Strategien sein werden.

Frage

Sie untersuchen dazu zwei Systeme, die „All-in-one“-Lösung und eine Co-Kultivierung. Was bedeutet das und wo liegen die Vor- und Nachteile?

Antwort

Für diesen neuen biotechnologischen Prozesse bedarf es am Ende zweier verschiedener mikrobiologischer Synthesen: die Produktion der Redoxmediatoren als Elektronentransfer-Taxis und die Produktion unseres Zielproduktes. Da auch die Synthese der Redoxmediatoren schon auf komplexen Synthesewegen mit mehreren Enzymen beruht, stellt diese Aufgabe schon eine Belastung für die Zelle dar. Wir werden daher testen, ob noch genug Spielraum in dieser Zelle gegeben ist, um effektiv das Zielprodukt zu bilden, oder ob eine Arbeitsteilung mit zwei Zellpopulationen nicht effizienter ist: eine macht den Redoxmediator und die andere nutzt diesen zur Elektrodenatmung und Produktbildung. Natürlich muss man dann auch untersuchen, wie sich diese Populationen beeinflussen und Strategien entwickeln, wie man beide stabil miteinander kultivieren kann.

Frage

Warum optimieren Sie eigentlich nicht einfach anaerobe Mikroorganismen, deren Stoffwechsel von Natur aus ohne Sauerstoff auskommt?

Antwort

Es gibt zwei Arten von anaerobem Stoffwechsel: Fermentation und anaerobe Atmung. Wir nutzen den anaeroben Fermentationsstoffwechsel weitläufig für die Produktion von Metaboliten des Zentralstoffwechels dieser Organismen, etwa Ethanol und Methan. Da diese Organismen nur Energie über den Substratstoffwechsel gewinnen können – nicht über Atmung –, treiben sie ihren Stoffwechsel hoch und die Überflussmetabolite sind wichtige Biotech-Produkte. Da in diesen Organismen aber wenig ATP zur Verfügung steht, sind andere Syntheseaufgaben – zum Beispiel von Enzymen – mit diesem Energiestoffwechsel eher nicht möglich. Eine anaerobe Atmung, besonders mit Nitrat als Elektronenakzeptor, würde deutlich mehr Energie liefern, hätte aber den großen Nachteil, dass dem Substrat angepasste Mengen an Nitrat zugegeben werden müssten, welches als Produkt Ammonium liefert. Und Ammonium ist das eigentliche Problem, wenn es im Überfluss vorkommt: Es verändert den pH-Wert stark, es kann toxisch für die Bakterien werden, und es stellt einen kritischen Parameter für die Abwasserreinigung dar. Letzter Punkt wird zwar erst bei sehr großen Produktionsanlagen relevant, aber er zeigt, dass eine Nitratatmung technisch nicht unproblematisch skalierbar ist. Dagegen würden bei einer Elektrodenatmung keine toxischen oder problematischen Nebenprodukte gebildet.

Frage

Ihr neuer Ansatz soll somit letztlich neue biotechnologische Produkte ermöglichen?

Antwort

Ja, wie bereits erwähnt hoffen wir, durch die neue anaerobe Elektrodenatmung Zugang zu sauerstoffsensiblen Metaboliten und Enzymen in einem technischen Maßstab zu erhalten. Bisher ist dies nur in kleinen, nicht skalierbaren Kultivierungen und häufig im natürlichen Produzenten möglich. Wenn eine Elektrodenatmung einem bereits optimierten Biotech-Stamm etabliert ist, könnten hiermit größere Mengen dieser Zielprodukte hergestellt werden.

Interview: Björn Lohmann