Jahr für Jahr produziert Brasilien 1,25 Millionen Liter Orangensaftkonzentrat. Dabei fällt als bisher kaum verwendetes Nebenprodukt der Naturstoff Limonen an. Wissenschaftler des Zwingenberger Biotech-Unternehmens Brain wollen nun gemeinsam mit Forschern von der Dechema auf der Basis von Limonen ein natürliches Konservierungsmittel herstellen – und zwar mithilfe von Bakterien. Unterstützt wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Ein Blick ins Supermarktregal zeigt Handcreme „mit wertvollem Sanddornöl" oder Zahnpasta mit Auszügen aus „der Wurzel der in den peruanischen Anden wachsenden Rathaniapflanze". Produkte wie diese sind in den letzten Jahren immer mehr gefragt. So hat das Marktforschungsinstitut Information Resources Inc. ermittelt, dass der Anteil von Naturkosmetika am Gesamtmarkt zwischen 2008 und 2010 von 3,8% auf 5,4% gestiegen ist. Zuletzt wuchs der Umsatz jährlich um 15% – und das, obwohl die Erträge mit konventionellen Kosmetika geschrumpft sind.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Kosmetikhersteller immer mehr auf der Suche nach Inhaltsstoffen sind, die einen natürlichen Ursprung haben. Dies gilt auch für Konservierungsmittel, die in den Cremes für eine längere Haltbarkeit sorgen. Die meisten werden bislang jedoch chemisch hergestellt und manche – wie zum Beispiel das Benzylbenzoat – gelten unter Experten als Allergieauslöser.
Tausende Tonnen Limonen bisher ungenutzt
Um derartige Stoffe durch natürliche Produkte zu ersetzen, suchen Forscher schon seit langem nach geeigneten Verfahren. Bereits vor Jahren haben Forscher um Jens Schrader vom Karl-Winnacker-Institut der Dechema gemeinsam mit dem Unternehmen Dr. Rieks GmbH ein Verfahren entwickelt, das einen Naturstoff aus Orangenschalen als Basis nutzt. In der Citrus-verarbeitenden Industrie fallen jährlich ca. 50.000-75.000 Tonnen des Stoffs Limonen als Nebenprodukt an. Dabei handelt es sich nicht etwa um die gelbschaligen Zitrusfrüchte, sondern um einen Naturstoff aus der Gruppe der Terpene. Bisher ließ er sich kaum weiterverwenden. In einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekt konnten die Wissenschaftler vom Prinzip her zeigen, dass sich aus Limonen mithilfe des Bakteriums Pseudomonas putida das Konservierungsmittel Perillasäure auf ganz natürliche Weise herstellen lässt. Inzwischen sind die entsprechenden Patente des Verfahrens an das Zwingenberger Biotech-Unternehmen Brain AG übergegangen, das auf die Entwicklung biotechnologischer Verfahren für die Industrie spezialisiert ist und dessen Gründer Holger Zinke als Pionier der weißen Biotechnologie gilt.
In der industriellen Produktion werden die nützlichen Bakterien in großen Fermentern (Stahlkessel) gezüchtet.
Nun wollen die Brain-Forscher gemeinsam mit Schrader den Prozess für die industrielle Produktion auf der Basis von Limonen weiter optimieren. Dabei werden sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderinitiative „Genomforschung an Mikroorganismen – GenoMik" bis 2012 unterstützt.
Die Biotechnologen aus Zwingenberg wollen mit ihrem seit 2007 laufenden Programm „Industrielle Produktionsprozesse für neuartige Enzyme und bioaktive Substanzen aus natürlichen Quellen: MikroPro" dazu beitragen, dass biotechnologische Forschung aus dem Labor in die industrielle Anwendung kommt. Insgesamt investiert Brain über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 5,8 Millionen Euro in das Entwicklungsprogramm. Darin enthalten sind 2,8 Millionen Euro Fördermittel vom BMBF, sie kommen allein der vorwettbewerblichen Grundlagenforschung zugute. Neben anderen Arbeiten profitiert nun auch das Perillsäure-Projekt von der Förderung.
Im Perillasäure-Projekt kooperieren das Biotech-Unternehmen Brain AG und das Karl-Winnacker-Institut der Dechema.
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Perillasäure ist für die Bakterien giftig
Denn bis es hier wirklich zur industriellen Anwendung kommt, liegt noch einige Forschungsarbeit vor den Wissenschaftlern. Das Problem: Das Bakterium Pseudomonas putida verträgt zwar den Ausgangsstoff Limonen recht gut, das Endprodukt Perillasäure stört jedoch in der hohen Konzentration im Bioreaktor das weitere Wachstum der Bakterien. In der freien Natur wirkt die in Pflanzen vorkommende Perillasäure stark antimikrobiell, d.h. die meisten Mikroben vertragen die Perillasäure noch deutlich weniger als Pseudomonas.
Auf dieser Basis einen biotechnologischen Prozess für die Industrie zu entwickeln, ist nun keine leichte Aufgabe. Inzwischen ist es den Wissenschaftlern aber schon gelungen, die Prozessführung so zu gestalten, dass sich Pseudomonas putida bei der Perillasäure-Herstellung nicht selbst umbringt. So werden die Bakterien dauerhaft mit ausreichend Limonen versorgt, während die entstehende Perillasäure fortlaufend aus dem Bioreaktor entfernt wird. Im kleinen Maßstab gelingt dieses Prozedere bereits ganz gut – nun gilt es hier auch größere Mengen herzustellen.
Bis der Stoff aber wirklich Einzug hält in die Tiegelchen der Kosmetikindustrie, müssen noch einige Verbesserungen her. „Wir wollen den Produktionsprozess soweit optimieren, dass die Perillasäure als Inhaltsstoff für die Kosmetikindustrie zugelassen wird", betont Stefan Pelzer, der das Projekt bei Brain betreut. Für die Zukunft gibt es daher eine klare Arbeitsteilung: Die Forscher um Schrader sollen sich um die weitere technische Optimierung und das „Upscaling" kümmern – also den Schritt von der Produktion in kleinen Laborapparaten bis zur Herstellung großer Mengen in Industrieanlagen. Die Wissenschaftler bei Brain wiederum haben all jene Faktoren im Blick, die mit der Zulassung der natürlichen Perillasäure zu tun haben. So gilt es zum Beispiel sicherzustellen, dass die Bakterien das natürliche Konservierungsmittel immer in gleichbleibender Qualität und mit möglichst wenigen Nebenprodukten produzieren. Dieser Prozess wird jedoch seine Zeit brauchen: Bis 2012 könnte es noch dauern, schätzt Pelzer. Wenn es jedoch geschafft ist, dann steht der Perillasäure aus Bakterien noch eine große Zukunft in der Kosmetikindustrie bevor, davon sind die Forscher überzeugt. „Eines Tages könnte man den Stoff beispielsweise auch in Antischuppenshampoos finden", so Pelzer. Dort könnte die Perillasäure dann jenen Mikroben den Garaus machen, die für die Bildung der Schuppen mitverantwortlich sind.