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Recycling ist gut, Vermeidung noch besser
Gebrauchte Kleiderbügel aus Plastik lassen sich wiederverwerten. Der Kunststoff wird vom Haken gelöst und verarbeitet. Das Metall wird eingeschmolzen, ebenso das Plastik. Dieses kann sich nach dem Recyceln als Folie wiederfinden, als Kugelschreiber oder als Brotdose. Kleiderbügel sind also recht gut recycelbar – noch besser ist es allerdings, sie direkt aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen.
Flüssiges Holz ersetzt fossilen Kunststoff
Fünfzig Millionen Tonnen Lignin fallen weltweit alljährlich bei der Papierherstellung als Abfallprodukt an. Ein Teil davon wird in der Nahrungsmittelindustrie eingesetzt. Der Rest wird verbrannt. Zwei schwäbischen Wissenschaftlern und Unternehmern ist es nach intensiver Forschung in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) gelungen, Lignin zu verflüssigen. Sie mischten Lignin mit anderen Naturfasern wie Flachs oder Hanf und gewannen einen Werkstoff, der bei Erwärmung wie herkömmlicher Kunststoff formbar ist, so dass er sich in fast jede beliebige Form pressen und verarbeiten lässt. Der Werkstoff ist natürlicher Herkunft, aus nachwachsenden Rohstoffen und komplett biologisch abbaubar.
Marktreife
Der Kunststoff ist auf dem Markt erhältlich, Benetton ließ ihn zu Kleiderbügeln verarbeiten.
Artenvielfalt vermindert die Stressanfälligkeit von Pflanzen und steigert deren Produktivität – das wurde in der Landwirtschaft sowie für naturbelassene Felder und Wiesen bereits mehrfach untersucht und bestätigt. Wegweisende Erkentnisse dazu lieferte auch das seit über 15 Jahren laufende „Jena-Experiment“. Nun hat ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Leipzig und der Chinese Academy of Sciences gezeigt, dass auch artenreiche Wälder einen deutlichen Vorteil bieten: Sie speichern mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wie Monokulturen.
150.000 Bäume neu gepflanzt
Die Studie wurde im Rahmen des chinesischen Waldexperimentes BEF-China durchgeführt, das bereits 2009 begann. „BEF“ steht für „Biodiversity-Ecosystem Functioning“. Das Projekt untersucht den Zusammenhang zwischen biologischer Vielfalt und dem Funktionieren von Ökosystemen. Hierfür wurde in einem Berggebiet 400 Kilometer westlich von Shanghai ein über 30 Hektar großer Wald neu angelegt und mit insgesamt 150.000 Bäumen bepflanzt – von der Monokultur bis hin zum artenreichen Wald mit 16 verschiedenen Baumarten.
Bei der Photosynthese nehmen Pflanzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und verarbeiten dieses zu Biomasse. Kohlendioxid zählt zu den Treibhausgasen, die den Klimawandel vorantreiben. Speichert ein Wald mehr Kohlenstoff, reduziert er demnach Treibhausgase und gilt als produktiv. Wie die Biodiversitätsforscher im Fachjournal „Science“ nun berichten, hat ein artenreicher Wald nach acht Jahren in seiner oberirdischen Biomasse durchschnittlich 32 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar gespeichert. Eine durchschnittliche Monokultur speicherte mit 12 Tonnen nur halb so viel Kohlenstoff pro Hektar.
Deutliche Unterschiede schon nach vier Jahren
Solch einen deutlichen Unterschied hatten die Forscher nicht erwartet. Doch die Ergebnisse waren eindeutig: „Im Waldexperiment nahm die Biomasse ebenso schnell zu wie im Grasland. Dadurch gab es auch schon nach vier Jahren deutliche Unterschiede zwischen der Monokultur und dem artenreichen Wald“, erläutert Helge Bruelheide, Professor an der MLU und Ko-Direktor des Forschungszentrum iDiv. Zwar hatte eine vorangegangene Studie bereits einen positiven Zusammenhang zwischen Artenvielfalt und Kohlenstoffspeicherung in Wäldern aufgezeigt. Die Ergebnisse beruhten aber auf reinen Beobachtungen. „Nun kommen wir mit einem Experiment unter kontrollierten Bedingungen zum selben Ergebnis: Ein Wald mit vielen verschiedenen Baumarten ist produktiver als eine Monokultur“, berichtet Keping Ma vom Institute of Botany der Chinese Academy of Sciences in Peking.
Baumartenvielfalt hat wirtschaftlichen Nutzen
Vor allem für Wiederaufforstungsprogramme sind diese Erkenntnisse sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich bedeutend: Hochrechnungen haben ergeben, dass bereits ein Verlust von Baumarten um 10% zu jährlichen Produktionsverlusten von 20 Mrd. US-Dollar weltweit führen würde.
jmr
In Deutschland gibt es rund 33.000 Insektenarten. Damit stellen sie 70% aller in Deutschland lebenden Tierarten. Und dennoch machen sich Ökologen Sorgen um die Zukunft der Insekten, denn ihre Anzahl ist in der Bundesrepublik nachweislich rückgängig. Welche Arten besonders betroffen und welche Schutzmaßnahmen besonders wirkungsvoll sind, darauf möchte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) Antworten finden. Ökologen der Universität Osnabrück schaffen nun die Grundlagen für diese Forschungsarbeit.
Jährliche Bestandsschwankungen
Nichts weniger als ein bundesweit einheitliches Konzept zum Insektenmonitoring soll dabei entstehen. „Um die ambitionierten Ziele des Forschungsprojektes zu erreichen, werden wir die Aktivitäten von Bund und Ländern miteinander verknüpfen und im Rahmen eines standardisierten Methodenleitfadens ‚Insektenmonitoring‘ eng mit den Fachbehörden zusammenarbeiten“, erläutert Projektleiter Thomas Fartmann von der Universität Osnabrück. Besonders herausfordernd dürften dabei neben der großen Zahl der abzubildenden Gruppen die starken jährlichen Bestandsschwankungen sein.
Ehrenamtliche Helfer werden eingebunden
Die Forscher setzen daher auf die Expertise von Fachverbänden und entomologischen Vereinen. „Es ist wichtig, ein Konzept zu entwickeln, das die ehrenamtlichen Aktivitäten einbezieht und gleichzeitig den Rahmen für die Arbeiten absteckt, die von Hauptamtlichen übernommen werden müssen“, erläutert Fartmann. Wissenschaftlich solide soll das Konzept dazu befähigen, die wichtigsten Fragestellungen des Naturschutzes zu beantworten. Zunächst werden die Ökologen dazu die Anforderungen analysieren, die das Monitoring erfüllen muss, dann prüfen, welche Insektengruppen besonders geeignet sind, und anschließend verlässliche Methoden bestimmen, um die Tiere zu erfassen.
Teil des Biodiversitätsmonitorings
Das Bundesumweltministerium (BMU) fördert das Projekt, das ein Baustein eines bundesweiten Biodiversitätsmonitorings werden soll. Darüber hinaus wird es auch das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ der Bundesregierung unterstützen, das die Lebensbedingungen der Insekten in Deutschland verbessern will, um so dem Insektensterben entgegenzuwirken. Denn Insekten sind für ein gesundes Ökosystem enorm wichtig: Sie dienen Vögeln, Reptilien, Amphibien oder Säugetieren als Nahrungsquelle, sind am Nährstoffkreislauf beteiligt, indem sie Pflanzen und Aas zersetzen, und nicht zuletzt bestäuben sie unzählige Pflanzenarten, die wiederum ein elementarer Bestandteil der Welternährung sind.
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Sie dienen als kleine Erinnerungshilfe und sind oft an Kühlschranktüren oder Schlüsselbrettern zu finden: Haftzettel. Die Alltagshelfer zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwar auf Oberflächen kleben, sich jedoch rückstandslos wieder entfernen lassen und das sogar mehrmals. Das liegt an den sogenannten Haftschmelzklebstoffen, die nicht vollständig abbinden, sondern dauerhaft klebrig bleiben und ohne Lösungsmittel auskommen. Diese Klebstoffe basierten bisher zumeist auf fossilen Rohstoffen. Chemiker der Westfälischen Hochschule in Recklinghausen haben nun einen neuartigen, biobasierten Haftschmelzklebstoff entwickelt.
Klebstoff basiert auf pflanzlichen Stärkemolekülen
Entwickelt wurde der neue Haftschmelzklebstoff von Chemie-Professor Klaus-Uwe Koch in Recklinghausen zusammen mit Forschern des Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in Oberhausen sowie mit den Industrie-Partnern Jowat in Detmold, Henkel in Düsseldorf und Logo Tape bei Flensburg. Das Besondere: Der Klebstoff besteht überwiegend aus nachwachsenden Rohstoffen. „Wir benutzen dazu eine Milchsäure, die aus pflanzlichen Stärkemolekülen gewonnen wird“, so Koch, „ohne dabei die Erzeugung von Lebensmitteln in der Agrarwirtschaft zu stören.“
Enge Zusammenarbeit mit Industriepartnern
Um den speziellen Klebstoff herzustellen, hat die Werkstatt der Westfälischen Hochschule eigens eine Versuchsanlage gebaut. Dort haben Koch und seine Kollegen etwa 300 verschiedene Klebstoffrezepturen angemischt und anschließend auf ihre Klebeigenschaften getestet. Das Ergebnis: Die Klebstoffvariante mit dem Namen Juwenol-HM 13 hatte die besten Prüfeigenschaften. Durch die enge Zusammenarbeit mit zahlreichen Industriepartnern hat der Bioklebstoff beste Voraussetzungen für eine spätere wirtschaftliche Nutzung. Das Basispolymer des Klebers ist bereits zum Patent angemeldet.
Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert.
jmr
Kohlendioxid (CO2) ist ein natürlicher Bestandteil der Luft. Durch Industrieabgase, Autoverkehr oder Stromerzeugung gelangen jedoch zusätzliche Mengen des Treibhausgases in die Erdatmosphäre, wodurch es die Erderwämung vorantreibt. Bereits heute beträgt diese mehr als 1 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau, das zeigt der aktuelle Sonderbericht des Weltklimarates zur globalen Erwärmung, der am 8. Oktober 2018 in Incheon in Südkorea vorgestellt wurde.
Treibhausgasemissionen radikal senken
Die Botschaft des Weltklimarates (IPCC) ist eindeutig: Wetterextreme wie Hitze, Dürre, Starkregen und Überschwemmungen werden weltweit zunehmen, wenn die globale Erderwärmung nicht auf 1,5 Grad begrenzt wird. Vor allem sensible Ökosysteme, wie tropische Korallenriffe oder die Arktis, wären weiter gefährdet. Nach Auswertung zahlreicher Klimastudien kommen die Wissenschaftler des IPCC zu dem Schluss, dass schon bei 1,5 Grad die Risiken für Mensch und Natur weitreichend wären. Um diese zu verhindern, müssten die Treibhausgasemissionen weltweit radikal verringert werden. Andernfalls würde die Schallmauer von 1,5 Grad bereits 2040 durchbrochen, so der Weltklimarat.
Schnelles und entschiedenes Handeln nötig
„Je länger die Welt mit ambitionierten Maßnahmen zum Klimaschutz wartet, desto entscheidender wird die Bedeutung von CO2-Entnahme-Technologien für das 1,5-Grad-Ziel“, sagt Sabine Fuss vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin, die als Leitautorin an der Studie mitgewirkt hat. Fuss empfiehlt eine schnellere und entschiedenere Emissionsreduktion, um die Abhängigkeit von CO2-Entnahme-Techniken zu verringern.
Auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatten sich die Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, die Erderwärmung bis zum Jahrhundertende unter 2 Grad zu halten. Auf Drängen einzelner Mitgliedsländer wurde ergänzend festgeschrieben, dass zusätzliche „Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen". Inselstaaten, die heute schon durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind, hatten dem Pariser Vertrag nur unter der Bedingung zugestimmt, dass der Weltklimarat in einem Sonderbericht darstellt, welche Folgen eine Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius hat.
Klimaziel erfordert radikale Veränderungen
Um das Klimaziel von 1,5 Grad Celsius zu erreichen, müsste der CO2-Ausstoß laut dem Weltklimarat im Vergleich zu 2010 um 45% reduziert werden. Dem IPCC zufolge ist dafür weltweit ein radikaler Wandel in allen Lebensbereichen erforderlich. Eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius verglichen mit 2 Grad Celsius würde der IPCC-Studie zufolge nicht nur den Anstieg des Meeresspiegels drosseln. Auch die Erhöhung der Ozeantemperatur und des Säuregehalts sowie die Abnahme des Sauerstoffgehalts im Ozean würden dadurch reduziert. Damit würden sich die Risiken für die marine Biodiversität, Fischerei und Ökosysteme sowie deren Funktionen und Dienstleistungen für den Menschen verringern.
Forschung und Wissenschaft stärken
Der Bericht des Weltklimarates alarmiert auch die Bundesregierung: „Wir brauchen starke Beiträge aus der Forschung und müssen das Potenzial der Wissenschaft noch stärker ausschöpfen, um (den Klimawandel) in den Griff zu bekommen“, sagt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. „Gute Ideen aus der Forschung und ein entschlossenes Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft können die notwendigen Veränderungen voranbringen."
Abschied von Kohle, Öl und Gas
Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze sieht die Dringlichkeit des Handelns beim Klimaschutz durch den IPCC-Bericht bestätigt. „Wir dürfen beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren. Jede vermiedene Tonne CO2, jedes vermiedene Zehntelgrad Erderwärmung zählt.“ In einem „Abschied von Kohle, Öl und Gas“ sieht Schulze die Chance, das ambitionierte Klimaziel noch zu erreichen. „Dieser Umbau bringt viele Veränderungen mit sich und die große Chance, unsere Wirtschaft zukunftsfähiger und unsere Gesellschaft lebenswerter zu machen", argumentiert die Bundesumweltministerin.
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Carbon dioxide (CO2) is a natural component of air. However, industrial exhaust fumes, car traffic or electricity generation bring additional quantities of the greenhouse gas into the Earth's atmosphere, which drives global warming. Already today, the global temperature is more than 1 degree Celsius above the pre-industrial level, according to the latest special report on global warming presented by the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) on 6 October 2018 in Incheon, South Korea.
Radically reducing greenhouse gas emissions
The message of the IPCC is clear: weather extremes such as heat, drought, heavy rainfall and flooding will increase worldwide if global warming is not limited to 1.5 degrees Celsius. Sensitive ecosystems in particular, such as tropical coral reefs or the Arctic, would continue to be at risk. After evaluating numerous climate studies, IPCC scientists have come to the conclusion that even at 1.5 °C, the risks to humans and nature would be extensive. To prevent this, greenhouse gas emissions would have to be radically reduced worldwide. Otherwise the tipping point of 1.5 degrees would already be surpassed in 2040, according to the IPCC.
Quick and decisive action needed
"The longer the world waits with ambitious climate protection measures, the more crucial the importance of CO2 capture technologies becomes for the 1.5 degree target," says Sabine Fuss of the Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin, who was the lead author of the study. Fuss recommends a faster and more decisive reduction in emissions in order to reduce dependence on CO2 extraction technologies.
At the 2015 World Climate Conference in Paris, the member states agreed to keep global warming below 2 degrees until the end of the century. At the urging of individual member states, it was additionally stipulated that additional "efforts would be made to limit the rise in temperature to 1.5 degrees Celsius compared to pre-industrial levels". Island states, which are already threatened today by the rise in sea levels, had signed the Paris Climae Agreement only on the condition that the Intergovernmental Panel on Climate Change presents a special report on the consequences of global warming by 1.5 degrees Celsius.
Climate target requires radical change
According to the IPCC, CO2 emissions would have to be reduced by 45% compared to 2010 in order to achieve the climate target of 1.5 degrees Celsius. According to the IPCC, this will require radical change in all areas of life worldwide. The IPCC study states that limiting global warming to 1.5 degrees Celsius compared to 2 degrees Celsius would not only curb sea-level rise. It would also reduce the increase in ocean temperature and acidity as well as the decrease in oxygen content in the ocean. This would reduce the risks to marine biodiversity, fisheries and ecosystems as well as their functions and services for humans.
Strengthening research and science
The report of the Intergovernmental Panel on Climate Change also worries the Federal Government: "We need strong contributions from research and must exploit the potential of science even more to get a grip on climate change," says Federal Research Minister Anja Karliczek. "Good ideas from research and decisive action on the part of politicians, business and society can bring about the necessary changes."
Farewell to coal, oil and gas
Federal Minister for the Environment Svenja Schulze also views the IPCC report as confirming the urgency of climate protection action. "We must not lose any more time in climate protection. Every ton of CO2 saved, every tenth of a degree of global warming avoided counts." According to Schulze, a "farewell to coal, oil and gas" is the only chance to still achieve the ambitious climate target. "This restructuring brings with it many changes but also great opportunities to make our economy more sustainable and our society more livable," argues the Federal Minister.
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Am Stammsitz der Jennewein Biotechnologie GmbH in Rheinbreitbach nahe Bonn wird es eng. Spätestens seit die amerikanische Zulassungsbehörde FDA im Jahr 2015 den Weg für das erste Produkt für Baby- und Kleinkindernahrung namens 2‘-Fucosyllcatose auf Basis sogenannter humaner Milch-Oligosaccharide (HMO) frei gemacht hat, wächst das Unternehmen kontinuierlich. Erst im Juni hatte das auf humane Milchzucker spezialisierte Unternehmen den Mietvertrag für ein Grundstück in Bonn-Bad Godesberg unterzeichnet, um dort ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum zu bauen. Anfang Oktober kaufte Jennewein nun in Bad Hönningen die ehemalige Betriebsstätte des Getränkeherstellers Artus Mineralquellen, um die HMO-Produktion auszubauen.
Kopplung von Fermentation und Rückgewinnung geplant
„Wir haben seit einiger Zeit nach einem geeigneten Standort zum Aufbau eines integrierten Fermentations- und Rückgewinnungswerks für HMOs in der Nähe unserer derzeitigen Betriebsstätte in Rheinbreitbach gesucht", sagt Stefan Jennewein, Geschäftsführer und Mitgründer des Unternehmens. In der neuen Betriebsstätte sollen vor allem sprühgetrocknete HMO-Produkte hergestellt werden. „Mit Fermentern von jeweils mehr als 200 m3 wird das neue Werk zu einem der größten Fermentationsbetriebe Mitteleuropas", so Finanzchef Stephan Michel.
HMO-Sortiment wird um weitere fünf Produkte erweitert
Am Standort in Bad Hönningen sollen zusätzliche HMOs hergestellt und damit das bestehende Sortiment von zwei auf sieben Produkte ausgedehnt werden. „Angesichts der Erweiterung unseres HMO-Sortiments und der Entwicklung unseres HMO Mix-Produkts benötigen wir mindestens fünf neue Fermentations- und Rückgewinnungslinien", so Geschäftsführer Jennewein. Für jedes einzelne neue HMO-Produkt will Jennewein eigenen Angaben zufolge eine separate Fertigungslinie errichten.
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Mit der Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie sowie der Politikstrategie Bioökonomie hat sich die Bundesregierung schon frühzeitig zur Vision einer nachhaltigen Wirtschaft bekannt. Damit der Wandel hin zu einer biobasierten Wirtschaft gelingt, muss aber auch die Industrie ihren Anteil leisten: Es gilt, das Potenzial biologischer Ressourcen verstärkt für industrielle Prozesse und Produkte zu nutzen. Um entsprechende Rahmenbedingungen zu schafffen, wird derzeit von Bundesforschungs- und Bundeslandwirtschaftsministerium eine neue Bioökonomie-Strategie der Bundesregierung erarbeitet.
Das Bundeswirtschaftsministerium unter Peter Altmaier wiederum hat sich nun zum Ziel gesetzt, dem Austausch zwischen Industrievertretern auf der einen und Wissenschaft sowie Zivilgesellschaft auf der anderen zu verbessern. Im Fokus des Dialogs sollen die neuen Anforderungen stehen, die eine veränderte Rohstoffbasis für Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringt.
Neue Anforderungen an Rohstoffe und Verfahren
Bei einem Workshop in Berlin gab Altmaier den Startschuss zu dieser Dialogplattform „Industrielle Bioökonomie“. Gemeinsam mit Bioökonomie-Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft wurden erste Grundlagen eines solchen Dialogs erarbeitet. „Die Bioökonomie leistet als Wirtschaftskonzept einen wichtigen Beitrag zur effizienten Nutzung unserer Ressourcen und trägt damit zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele bei. Sie stellt neue Anforderungen an Rohstoffe, Verfahren sowie Produkte – und bietet damit viele Chancen für unsere Wirtschaft, die wir aktiv nutzen sollten“, betonte Altmaier. Die Etablierung der Plattform „Industrielle Bioökonomie“ hatte der Minister bereits im April dieses Jahres auf den Deutschen Biotechnologietagen in Berlin angekündigt. Das Vorhaben wurde im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschrieben und wird nun unter dem Dach der Hightech-Strategie 2025 verwirklicht.
Breite Zustimmung zum Aufbau der Dialogplattform
Von der Branche wird die Initiative begrüßt. „Fortschritte in den Lebenswissenschaften und der Wunsch nach nachhaltiger Produktion sind der Motor der Biologisierung der Wirtschaft", sagte Christine Lang, Ko-Vorsitzende des Bioökonomierates, der die Bundesregierung berät. „Eine Dialogplattform zur industriellen Bioökonomie kann wesentliche Impulse zur Umsetzung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und der Hightech-Strategie geben."
Der Vorsitzende des Industrieverbandes BIO Deutschland, Peter Heinrich, verwies anlässlich des Workshops auf die Notwendigkeit einer vorausschauenden Planung für die Etablierung der Bioökonomie in Deutschland und fordert: „Dafür müssen wir gemeinsam zügig aktiv werden. Wir erwarten nun vom Bundeswirtschaftsminister, den Worten auch schnell Taten folgen zu lassen und den wirtschaftspolitischen Rahmen so zu gestalten, dass innovative Technologien sich durchsetzen können. Dafür ist es auch erforderlich, endlich Anreize zu setzen, um privates Kapital für die Innovationsfinanzierung zu gewinnen.“ Iris Plöger von der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie sieht die Bundesregierung ebenfalls in der Pflicht: „Die Umsetzung bioökonomischer Ansätze in der Industrie muss durch die Förderung von vorwettbewerblichen Pilotanlagen und Prototypentwicklungen beschleunigt werden.“
Der Präsident des Naturschutzbunds Deutschland, Olaf Tschimpke, wiederum stellte klar, wie wichtig die öffentliche Darstellung der Bioökonomie ist. „Entscheidend für eine gesellschaftliche Akzeptanz der Bioökonomie wird sein, ob sie ihren Blick über abstrakte technische und ökonomische Maximierungsmodelle, die häufig externe Kosten erzeugen und nur wenigen zur kurzfristigen Gewinnmaximierung dienen, zu erweitern vermag auf sozioökonomische, ökologische und kulturelle Zusammenhänge.“
Im Nachgang zum Workshop soll in einem nächsten Schritt eine Steuerungsgruppe eingerichtet werden, die konkrete Strukturen und Themen vorschlägt.
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Die Weltbevölkerung wächst und gleichzeitig schwinden die Ressourcen. Vor diesem Hintergrund sind neue, biobasierte Innovationen gefragter denn je. Mit ihrem Ansatz der nachhaltigen und effizienten Nutzung von biologischen Ressourcen bietet die Bioökonomie hierfür neue Ansätze und Lösungen. Nach Angaben der Europäischen Kommission hat die Bioökonomie sogar das Potenzial, bis zum Jahr 2030 eine Million neue „grüne Arbeitsplätze" zu schaffen. Mit einem Jahresumsatz von rund 2 Billionen Euro und rund 18 Millionen Beschäftigten ist die Bioökonomie schon jetzt einer der größten und wichtigsten Sektoren der europäischen Wirtschaft. Sie umfasst dabei nahezu alle Industriebereiche von der Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei, Ernährungswirtschaft bis hin zur Chemie-, Energie-, Bau- und Textilwirtschaft. Vor allem dem ländlichen Raum dürfte die Bioökonomie langfristig Wachstumspotenzial eröffnen, da sie neue Chancen zur Wertschöpfung nachwachsender Rohstoffe bietet.
Nachhaltigkeitsziele im Fokus
Bioökonomie-Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft haben die neue Fassung der europäischen Bioökonomie-Strategie schon lange erwartet. Mitte Oktober wurde sie nun offiziell von der Europäischen Kommission beschlossen. Sie hat vor allem zum Ziel, die Aktivitäten der Bioökonomie stärker mit parallel laufenden Themen zu vernetzen: Kreislaufwirtschaft, Biodiversität, Umwelt- und Naturschutz sowie Nachhaltigkeit werden hier vor allem genannt.
Die neue Bioökonomie-Strategie will daher die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen verbessern und erweitern, um globalen und lokalen Herausforderungen wie dem Klimawandel entgegenzutreten. Sie soll insbesondere dazu beitragen, neue Lösungen zu entwickeln, um die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Wenn alles nach Plan läuft, soll der Bioökonomie auch noch mehr Budget als bisher zur Verfügung stehen: Aktuell fördert die EU grundlagen- und anwendungsnahe Forschung aus dem Bereich der Bioökonomie in Höhe von 3,85 Mrd. Euro durch das EU-Rahmenprogramm Horizon 2020. Für den Zeitraum 2021 bis 2027 sind aktuell 10 Mrd. Euro vorgesehen, die im neuen Forschungsrahmenprogramm der EU „Horizon Europe" für Forschung rund um Nahrungsmittel und natürliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden sollen.
Potenzial für viele neue Arbeitsplätze
Der für Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission Jyrki Katainen sagte hierzu: „Beim Umdenken der Wirtschaft und der Modernisierung unserer Produktionsmodelle geht es nicht nur um Umwelt und Klima. Es besteht auch ein großes Potenzial für neue grüne Arbeitsplätze, insbesondere in ländlichen Gebieten und Küstengebieten." Der für Forschung, Wissenschaft und Innovation zuständige Kommissar, Carlos Moedas, fügte hinzu: „Die EU will bei der Umwandlung von Abfällen und Rückständen in hochwertige Produkte, grüne Chemikalien, Futtermittel und Textilien weiterhin eine Vorreiterrolle übernehmen. Forschung und Innovation spielen eine Schlüsselrolle bei der zügigen Umstellung der europäischen Wirtschaft und für das Erreichen der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung."
The world population is growing while resources are dwindling. New innovations are needed to feed and clothe people and to provide them with clean water and energy. The bioeconomy offers new approaches and solutions: algae can become fuel, plastic can be recycled, and waste turned into furniture or clothing. According to the European Commission, the bioeconomy even has the potential to generate 1 million new green jobs by the year 2030. It is therefore one of the EU's largest and most important sectors encompassing agriculture, forestry, fisheries, food, bio-energy and bio-based products with an annual turnover of around €2 trillion and around 18 million people employed. It is also a key area for boosting growth in rural and coastal areas.
Addressing global challenges
The new bioeconomy strategy, an update to the 2012 Bioeconomy Strategy, is part of the Commission's drive to boost jobs, growth and investment in the EU and aims to strengthen the connection between economy, society and the environment. Moreover, it aims to improve and scale up the sustainable use of renewable resources to address global and local challenges such as climate change and sustainable development.
The EU already funds bioeconomy-related basic and applied research, for instance via the EU funding programme Horizon 2020 that allocates €3.85 billion for this sector. For 2021-2027, the Commission has proposed to allocate €10 billion under the Horizon Europe programme for food and natural resources.
Accelerating the green transition of the EU
Vice-President for Jobs, Growth, Investment and Competitiveness Jyrki Katainen said "Rethinking our economy and modernising our production models is not just about our environment and climate. There is also great potential here for new green jobs, particularly in rural and coastal areas."
Commissioner for Research, Science and Innovation, Carlos Moedas, added: "The EU aims to lead the way in turning waste, residue and discards into high value products, green chemicals, feed and textiles. Research and innovation plays a key role in accelerating the green transition of the European economy and in meeting the United Nations Sustainable Development Goals."
Nicht alles, was im Labor entwickelt wird, stößt in der Gesellschaft auf positive Resonanz. So werden beispielsweise die in der biologischen Forschung als Durchbruch gefeierte Genschere CRISPR-Cas9 und andere genomverändernde Techniken von der Öffentlichkeit mit großem Argwohn beäugt. Die Ständige Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat daher ein neues Positionspapier zur Synthetischen Biologie veröffentlicht. Darin beschreibt sie die wesentlichen wissenschaftlichen Fortschritte auf dem Gebiet und ordnet diese in die derzeitige gesellschaftliche Diskussion ein. Das Fazit: Die aktuellen wissenschaftlichen Fortschritte stellen kein neues Gefährdungspotenzial dar und sind durch bestehende gesetzliche Regelungen, insbesondere das Gentechnikgesetz, bereits vollumfänglich abgedeckt.
Trennung von Konzept und den zugrunde liegenden Methoden
Mit dem 60 Seiten umfassenden Papier will die DFG zu einer sachlichen Diskussion über die Chancen und Risiken der Synthetischen Biologie beitragen. Die Autoren argumentieren darin, dass diese von Forschenden als Konzept und nicht als Methode verstanden wird. Jedoch würden in gesellschaftlichen und politischen Diskussionen diese Begrifflichkeiten immer häufiger vermischt, was zu sachlich unbegründeten Forderungen wie der Regulierung der Synthetischen Biologie führe, beklagt die Vorsitzende der Senatskommission und Vizepräsidentin der DFG, Katja Becker. „Aus wissenschaftlicher Sicht ist die reine Anwendung methodischer Ansätze keinesfalls mit Synthetischer Biologie gleichzusetzen. Diskussionen zur Bewertung und eventuellen Regulierung von synthetisch-biologisch hergestellten Organismen sollten sich deshalb grundsätzlich auf deren potenzielle neue Eigenschaften konzentrieren", so Becker. Die DFG-Senatskommission mahnt in dem neuen Positionspapier daher eine klare begriffliche Trennung des Konzepts der Synthetischen Biologie von den ihr zugrunde liegenden Methoden und Techniken an.
Ethische Fragestellungen und künstliche Lebensformen
Die Autoren verweisen auch auf ethische Fragestellungen, die im Rahmen der Forschungsarbeiten zur Synthetischen Biologie auftreten und daher beobachtet und bearbeitet werden sollten. Diese, so heißt es, könnten in die bereits etablierten Bereiche der Gentechnologie und der Stammzellforschung eingeordnet werden. Darüber hinaus sollte jedoch die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) ethische Fragestellungen, vor allem Ideen zur Entwicklung autonom replizierender Systeme, im Blick behalten, auch wenn die tatsächliche Realisierung solcher sogenannten künstlichen Lebensformen zumeist noch in weiter Ferne liegt.
Außerdem hebt die Senatskommission das innovative Potenzial neuer Entwicklungen auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie hervor. Solche Nutzungspotenziale sollten möglichen Sicherheitsrisiken und Missbrauch gegenübergestellt und abgewogen werden. Hier sei jedoch eine spezifische Einzelfallbetrachtung der geplanten Arbeiten notwenig, heißt es.
Das neue Positionspapier baut auf dem Vorgänger aus dem Jahr 2009 auf, betitelt „Synthetische Biologie – Standpunkte". Hier hatten die DFG, die acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften sowie die Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, die Chancen und Herausforderungen des Forschungsfeldes Synthetische Biologie bereits umfassend beleuchtet.
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Ihre bedeutende Rolle als Bestäuber von Nutzpflanzen macht die Honigbiene zum drittwichtigsten Nutztier weltweit. Monokulturen auf den Äckern, Pestizide und Parasiten wie die Varroa-Milbe setzen den Honigbienen zu – diese und andere Faktoren wie extreme Witterung sind Mitauslöser für das sogenannte „Bienensterben“. Gleichzeitig nimmt aber die Zahl der Honigbienenvölker bundesweit zu: Der Deutsche Imkerbund hat 2016 hierzulande rund 800.000 Honigbienenvölker gezählt, das sind zwar 35 Prozent weniger als 1951, aber auch der höchste Stand seit 2003.
Inspektionen sind Stress für Bienen
Erfreulich ist zudem: Die Zahl der Imker steigt kontinuierlich um jährlich 3% bis 5% an. Eine Routinemaßnahme des Imkers sind regelmäßige Inspektionen der Bienenbehausungen, auch Beuten genannt. Inspektionen sind notwendig, bedeuten aber immer auch Stress für das gerade begutachtete Bienenvolk.
Digitale Lösung für sanfte Bienenkontrolle
Informationstechniker für Luft- und Raumfahrt der Julius-Maximilians-Universität Würzburg wollen den Blick in den Bienenstock digitalisieren: mit intelligenter Überwachungstechnik sollen die Inspektionen von Bienenvölkern auf ein Minimum reduziert werden. In dem Forschungsprojekt „Honeycloud“ arbeitet ein Team um Projektleiter Alexander Hilgarth derzeit an einer IT-Lösung, die Imkern ein kontinuierliches Monitoring der Bienenbeuten ermöglichen soll, ohne direkt eingreifen zu müssen. Das Vorhaben wird im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Neue Produkte für die Bioökonomie“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Inspektion mittels Satellitensoftware
Dass IT-Experten der Luft- und Raumfahrt sich für Bienenvölker interessieren, hat seinen Grund. Bei der Entwicklung der Software für das neuartige Bienenüberwachungsprogramm kommt ein Betriebssystem zum Einsatz, das speziell für Satelliten entwickelt wurde. Erfinder der Präzisionssoftware namens RODOS (Realtime Onboard Operating System) ist der Leiter des Lehrstuhls für Informationstechnik der Würzburger Universität, Sergio Montenegro. Zunächst hatte das Würzburger Team in einer neunmonatigen Sondierungsphase, die das BMBF mit 50.000 Euro unterstützte, das Interesse für ein solches Bienenstock-Monitoringsystem auszuloten. „Wir haben mit Imkervereinen, Verbänden und Wirtschaftsexperten gesprochen und festgestellt, dass Bedarf besteht und ein solches System tatsächlich auch ökonomisch sinnvoll ist. Auch die Bienenforscher sind sehr interessiert an Daten, die innerhalb eines Bienenstocks anfallen und gemessen werden“, sagt Projektleiter Hilgarth.
Kontrollen mindern Bienenbestand und Honigausbeute
Recherchen der Forscher ergaben, dass Bienenstockinspektionen wenig ressourceneffizient sind: Jedes Öffnen des Bienenstockes ist mit einem Ertragsverlust von bis zu einem Kilo Honig verbunden. „Im Ergebnis führt es auch dazu, dass pro Kontrolle bis zu 500 Bienen sterben“, sagt Hilgarth. Weiteren Stress verursache die Entnahme der Rähmchen. „Da kann es passieren, dass bereits gebaute Wabenstrukturen aufgebrochen werden, sodass die Bienen nach der Kontrolle die Stelle wieder kitten müssen. Das ist eine vergeudete Ressource“, so Hilgarth.
Cloudbasierte Plattform ermöglicht Inspektion aus der Ferne
Big Data soll den Imkern künftig die Arbeit erleichtern und die Bienenvölker schonen. Die technischen Voraussetzungen dafür werden seit Oktober 2017 im Rahmen der sogenannten Machbarkeitsphase entwickelt, die mit weiteren 250.000 Euro vom BMBF gefördert wird. Angestrebt wird ein System, das Hobby- und Berufsimkern gleichermaßen hilft, den Zustand ihrer Bienenvölker kostengünstig und leicht zu kontrollieren. Mithilfe einer cloudbasierten Plattform sollen die Bienenstöcke so vernetzt werden, dass der Imker aus der Ferne – von seinem Smartphone oder Bürocomputer aus – anhand der Daten ablesen kann, wie es seinen Bienen geht: Sind sie kerngesund oder geschwächt? Ist der Standort der Beute gut gewählt? Ist es Zeit, Honig zu ernten?
Drahtlose Funksensoren liefern Daten vom Bienenstock an Handy-App
In und an den Bienenhäusern sind drahtlose Funksensoren montiert. Eine in den Boden des Bienenstockes eingebaute Waage könnte beispielsweise das Gewicht erfassen. Die in den „Smart homes“ gemessenen Daten werden dann via Bluetooth an eine Basisstation in der Nähe des Bienenkastens übertragen. „Die kleine Basisstation ist vergleichbar mit einem WLAN-Router und funktioniert energieautark mit Batterie und Solarzellen. Dort werden alle Sensordaten aus der Umgebung eingesammelt und an die Cloud weitergeleitet“, erläutert Hilgarth. In der Internet-Cloud werden die Daten gespeichert und dann für den Imker so aufbereitet, dass er jederzeit, entweder per Smartphone-App oder in einem Webbrowser, darauf zugreifen und Veränderungen frühzeitig erkennen kann. „Für den Berufsimker kann das tatsächlich wirtschaftlich interessant sein, weil er mithilfe des Systems seine Anfahrten reduzieren kann. Dadurch würde auch sein CO2-Abdruck verringert.“
Schwankende Daten signalisieren Handlungsbedarf
Momentan konzentriert sich das Team um Hilgarth auf Sensoren, die das Gewicht des Bienenstockes erfassen und das Mikroklima sowohl innerhalb als auch außerhalb messen können. „Bei einem gesunden Bienenvolk muss ein ständiger Gewichtszuwachs beobachtet werden. Wenn die Gewichtskurve abnimmt, dann wüsste man, da stimmt etwas nicht und es ist nötig, dass der Imker vor Ort reinschaut.“ Auch eine messbar verminderte Temperaturregulierung durch die Bienen kann Hilgarth zufolge ein Alarmzeichen sein. „Durch das stetige Datensammeln wollen wir erreichen, dass das Öffnen des Bienenstocks auf ein Minimum beschränkt wird“, sagt Hilgarth. Auch könnten darüber Korrelationen sichtbar werden, die man möglicherweise vorher so noch nicht gesehen hat.
Honeycloud als offene IT-Plattform gedacht
Prinzipiell streben die Forscher eine offene IT-Plattform an, die durch die Einbindung neuer Sensoren jederzeit erweitert werden kann. Neben dem Zustand der Bienen werden auch sensible Daten wie der Standort der Bienenstöcke erfasst. Im kommenden Jahr muss das Honeycloud-System den Praxistest bei verschiedenen Imkern bestehen. Bis dahin gibt es noch viel zu tun. Für jede einzelne Komponente des Systems, von den Sensoren über die Basisstation bis hin zur App, muss die Software geschrieben werden. Darüber hinaus wird die Datenaufbereitung und -analyse noch weitere Zeit in Anspruch nehmen. Die Digitalisierung, so viel ist sicher, hat auch die Bienenbehausungen erreicht.
Autorin: Beatrix Boldt
Chinakohl, Brokkoli und Tomaten sind für Jutta Ludwig-Müller mehr als nur gesundes Gemüse. Als Pflanzenphysiologin interessiert die 56-Jährige vor allem eins: die Lebensvorgänge in Pflanzen. In ihrem Labor an der Technischen Universität Dresden versucht die gebürtige Hessin zu ergründen, wie der Stoffwechsel in diesen Nutzpflanzen abläuft und welche Prozesse deren Wachstum und Vermehrung fördern oder behindern. Im Fokus ihrer Forschung stehen Hormone, die ähnlich wie beim Menschen auch bei Pflanzen lebenswichtige Prozesse steuern. Hier ist es vor allem das Phytohormon Auxin, das die Forscherkarriere von Jutta Ludwig-Müller seit 30 Jahren begleitet.
Pflanzenforschung statt Tierversuche
Der Wunsch Biologie zu studieren, wurde bei der aus Frankfurt am Main stammenden Forscherin bereits in der Schule geweckt. „Ich habe in der Oberstufe eine wirklich gute Lehrerin gehabt, die mir die Biologie und insbesondere die Molekularbiologie nahegebracht hat“, sagt Ludwig-Müller. Fasziniert von Genetik und Erbgutanalysen wollte sie daher zunächst den Weg in Richtung medizinische Forschung einschlagen. Doch Tierversuche waren nichts für die Biologiestudentin. Noch während ihres Studiums an der Frankfurter Goethe-Universität wurde sie auf die Pflanzenforschung aufmerksam. „Ich hatte an der Uni ein sehr prägendes Praktikum, bei dem es um pflanzliche Hormone ging. Da habe ich erstmals erlebt, wie sich die Pflanze entwickelt und das hat mich fasziniert.“
Biosynthesereaktion bei Auxin geklärt
Bereits in der Diplomarbeit beschäftigte sie sich mit dem Pflanzenhormon Auxin und dessen Biosynthese. Ihr Untersuchungsobjekt: Chinakohl. Anhand des Kreuzblüters konnte die angehende Diplom-Biologin eine wichtige Reaktion im Biosyntheseprozess von Auxin nachweisen. „Das war der erste Schritt zur Biosynthese von Auxin. Ich konnte zeigen, wie die Aminosäure Tryptophan von einem Enzym umgewandelt wird“, sagt Ludwig-Müller.
Rolle des Hormons bei Pflanzenkrankheiten im Blick
Gleich nach dem Ende des Studiums, im Jahr 1986, nahm die junge Biologin ihre Promotion in Angriff, um die Forschung zu den Auxinen fortzusetzen. Nun richtete sich ihr Blick auf die Rolle des Hormons bei Pflanzenkrankheiten. Mithilfe ihres damaligen Mentors Willy Hilgenberg vom Botanischen Institut der Frankfurter Universität fand sie in der jüdischen Buchmann-Stiftung einen Finanzier für ihre Doktorarbeit. Darin ging es neben der Auxinbiosynthese vor allem um deren Rolle bei der Pflanzenkrankheit Kohlhernie. Die Krankheit wird durch den Erreger Plasmodiophora brassicae ausgelöst, der Wurzeln zahlreicher Kreuzblütengewächse wie Chinakohl, aber auch Zierpflanzen befällt. Bei ihren zahlreichen Gastaufenthalten am Volcani-Center in Israel traf Jutta Ludwig-Müller den Auxin-Experten Ephraim Epstein, der ihre Forschungsarbeit unterstützte und bis heute aus dem Ruhestand begleitet.
Moderne Hormonanalyse schärft Blick für weitere Forschung
Mit der erfolgreichen Promotion 1990 begann ihre berufliche Karriere am Botanischen Institut der Goethe-Universität. Lehrtätigkeit und Gastaufenthalte in Israel und den USA prägten das Leben der Pflanzenphysiologin bis 1999. Ihre Postdoc-Zeit Mitte der 1990er an der Case Western Reserve University in Ohio/Cleveland bei dem Molekulargenetiker Chris Town wurde zu einem weiteren Meilenstein in ihrer Auxinforschungslaufbahn. Später traf sie am United States Department of Agriculture in Maryland, USA auf den Hormonanalytiker Jerry Cohen, der der Wissenschaftlerin den Einblick in bis dato unbekannte Sphären der Hormone ermöglichten. „In dem Labor konnte ich mit Geräten arbeiten, die wir in Frankfurt damals nicht hatten. Hier habe ich viel von moderner Hormonanalytik gelernt.“
Seit 1999 forscht und lehrt Jutta Ludwig-Müller an der Technischen Universität Dresden, wo sie seither einen eigenen Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie innehat. Doch dieser wurde ihr nicht auf dem goldenen Tablett präsentiert. „Als ich nach Dresden kam war der Fachbereich Biologie gerade im Aufbau. Da herrschte Aufbruchstimmung. Das war zwar anstrengend, hatte aber den Vorteil, dass man sehr viel von seinen eigenen Vorstellungen in die Studiengänge einbringen konnte“, erinnert sich die Forscherin. Auf ihre Initiative wurde die Vorlesung zur Pflanzenphysiologie um ein Praktikum erweitert.
Zusammenspiel von Pflanzen und Mikroorganismen ergründen
Die Zeiten von Laborcontainer und provisorischen Büros sind längst Vergangenheit. Heute forscht und lehrt Jutta Ludwig-Müller in einem modernen Gebäude, das für die Fakultät Biologie eigens erbaut wurde. Ihrer Leidenschaft zu den Auxinen und deren Rolle bei Pflanzenkrankheiten ist die Forscherin treu geblieben. Mittlerweile konzentriert sich ihre Arbeit verstärkt auf das Zusammenspiel von Pflanzen und Mikroorganismen, deren Verhältnis ebenfalls von Pflanzenhormonen bestimmt werden. „Es gibt Mikroben, die eine kranke Pflanze in ihrer Gesundheit verbessern. Hier versuchen wir zu klären, wie man Hormone nutzen kann, um die Stressantwort der Pflanze positiv zu beeinflussen.“
Suche nach Werkzeugen für die Pflanzenzüchtung
Erst kürzlich konnte die Forscherin gemeinsam mit Kollegen vom Volcani-Center in Israel nachweisen, wie sich extremer Hitzestress in Tomatenpflanzen bemerkbar macht: Auch hier spielt Auxin eine Rolle. Bei Hitze nimmt die Konzentration des Phytohormons ab, wodurch Blüten- und Fruchtentwicklung beeinträchtigt werden. „Jetzt suchen wir nach den molekularen Ursachen, um Pflanzenzüchtern ein Werkzeug an die Hand zu geben.“
Bei der Pflanzenkrankheit Kohlhernie ist die Forscherin indes einen Schritt weiter. Mithilfe moderner molekularbiologischer Methoden konnte sie relevante Gene des Erregers isolieren und aufzeigen, dass sie auch den Hormonstoffwechsel beeinflussen. Doch ihr eigentliches Lieblingsprojekt hat nichts mit Gemüse zu tun. Im Fokus steht die Tatarische Aster, die in Sibirien beheimatet ist. „Auf dieses Projekt bin ich besonders stolz. Hier hat eine Doktorandin entdeckt, dass ein Pilz ein Metabolit synthetisiert, welcher ursprünglich der Pflanze zugeschrieben wurde. Diese Metaboliten haben wahrscheinlich auch ein ganz interessantes bioaktives Potenzial.“
Sekundäre Pflanzenstoffe besser nutzen
Dank der Fortschritte in der Molekularbiologie ist Jutta Ludwig-Müller nach vielen Jahren dort angekommen, wo sie ursprünglich hinwollte – in der angewandten Forschung. Ihr Ziel ist ambitioniert: „Ich möchte die Pflanzen in ihrer Interaktion mit der Umwelt verbessern. Das gilt sowohl für die Stresstoleranz als auch für die Pflanzenkrankheiten. Zum anderen wollen wir versuchen, bekannte sekundäre Pflanzenstoffe zu nutzen und verstehen, wo man sie noch einsetzen kann.“ Ihr bisheriges Wissen über das Potenzial pflanzlicher Naturstoffe hat sie gemeinsam mit einem Kollegen bereits in einem Lehrbuch verewigt.
Autorin: Beatrix Boldt
Der Traum von der ewigen Jugend ist uralt und für Wissenschaftler von jeher ein spannendes Feld. Dabei geraten zunehmend auch Heilpflanzen in den Fokus der Forscher. Ernährungswissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben mit dem Vielblütigen Knöterich nun eine Pflanze unter die Lupe genommen, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin fest etabliert ist und auch hierzulande für Nahrungsergänzungsmittel genutzt wird.
Extrakte und Pulver aus der Wurzel der Kletterpflanze sollen nicht nur gesundheitsfördernd sein, sondern auch verjüngend wirken. Einen wissenschaftlichen Beweis dafür gab es bisher nicht. „Die meisten Studien konzentrierten sich nur auf den Hauptwirkstoff des Pflanzenextraktes. Tatsächlich besteht er aber aus vielen verschiedenen Stoffen, deren kombinierte Wirksamkeit dagegen noch nicht stark erforscht ist", sagt Wim Wätjen von der MLU, dessen Arbeitsgruppe sich seit Jahren mit den möglichen Wirkungen der Heilpflanze befasst.
Anti-Aging-Effekt der Heilpflanze im Visier
Gemeinsam mit seinen Hallenser Kollegen hat Wätjen daher untersucht, ob sich die vielfach angepriesenen Anti-Aging-Effekte der Heilpflanze nachweisen lassen. Die Wirkung testeten sie am Fadenwurm C. elegans, der häufig als Modellorganismus verwendet wird. „Die meisten bisherigen Studien haben die Wirkungen der Pflanze mit isolierten Zellen oder im Reagenzglas untersucht, wir wollten sie im lebenden Organismus untersuchen", erklärt Wätjen.
Extrakt lässt Fadenwurm länger leben
Wie das Team im Fachjournal „Plants“ berichtet, verabreichte es den Würmern unterschiedliche Mengen des Extraktes. Für die höchste Konzentration von 1.000 Mikrogramm pro Milliliter konnten gleich mehrere Effekte beobachtet werden: Zum einen verlängerte sich die Lebenszeit des Fadenwurmes um knapp 19%, für die Fadenwürmer entspricht dies etwa drei Tage. Zum anderen zeigte sich, dass das Extrakt zwar die Überlebensrate der Würmer bei Hitze nicht verbesserte, die Bildung schädlicher Sauerstoffradikale aber minderte, so dass C. elegans besser vor erhöhtem oxidativem Stress geschützt war, der für den Alterungsprozess mitverantwortlich ist.
Verjüngungseffekt noch nicht auf Menschen übertragbar
Weitere Tests zeigten auch, dass die Lebensdauer des Fadenwurmes durch das Extrakt nur dann verlängert wird, wenn alle Proteine des Organismus ordnungsgemäß funktionierten. Bei Würmern, deren Erbgut verändert war, sodass Proteine ausgeschaltet wurden, blieb der Anti-Aging-Effekt aus. Mit ihrer Studie liefern die Hallenser Forscher wichtige Hinweise, wie pflanzliche Inhaltsstoffe grundlegende Alterungsprozesse beeinflussen. Noch reichen diese aber nicht aus, um von einer ähnlichen Wirkung beim Menschen sprechen zu können. Als nächstes wollen die Forscher daher herausfinden, ob sich vergleichbare Effekte auch in anderen Lebewesen nachweisen lassen.
bb
Schutz fürs Baby
Doch es gibt Fälle, in denen das nicht möglich ist, dann muss auf Säuglingsnahrung zurückgegriffen werden. Diese ist zwar inzwischen schon sehr gut auf die Bedürfnisse von Säuglingen zugeschnitten, wesentliche Bestandteile der Muttermilch fehlten bislang jedoch.
Nach Fett und Laktose machen humane Milchzucker, sog. Milch-Oligosaccharide (HMOs), den drittgrößten Bestandteil der Muttermilch aus. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass HMOs präbiotisch wirken und bei Neugeborenen maßgeblich die Ausbildung einer gesunden Darmflora fördern. Weiterhin senken HMOs signifikant das Risiko an viralen oder bakteriellen Infektionen zu erkranken.
Ersatzweise helfen Mikroorganismen
Einem Unternehmen aus Rheinland-Pfalz ist es gelungen, die am häufigsten vorkommenden humanen Milchzucker fermentativ im Tonnenmaßstab zu produzieren. In großen Tanks synthetisieren Mikroorganismen aus Kohlehydraten, die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden, die komplexen Zuckermoleküle. Die Bakterienzellen werden dann abgetrennt und die Zucker schonend isoliert. Das Verfahren ist umweltfreundlich und nachhaltig.
Marktreife
Die synthetisch erzeugten Milchzucker sind mit ihren natürlichen Vorbildern aus der menschlichen Muttermilch identisch und werden unter der Marke Mum’s Sweet Secret vermarktet.
Die Äsche war einst namensgebend für eine ganze Flussregion. Heute sind ihre Bestände massiv zurückgegangen – und dieses Bild zeigt sich ebenso für weitere spezialisierte Fischarten in den Fließgewässern Bayerns. Umweltfaktoren und invasive Arten sind dafür verantwortlich, so das Fazit einer Studie von Gewässerökologen der TU München.
Lebensräume für Spezialisten schwinden
Im Auftrag des bayerischen Landesamtes für Umwelt und finanziert durch das bayerische Umweltministerium, untersuchten die Forscher die Fachliteratur der vergangenen 30 Jahre zum Fischbestand in den Gewässern Obere Donau, Elbe und Main. Im Fachjournal „Biological Conversation“ berichten sie, dass Dämme, höhere Wassertemperaturen und eine Verschlammung der Flüsse heimische Fischarten stark beeinträchtigen. Arten, die im Verlauf ihres Lebenszyklus unterschiedliche spezielle Bedingungen benötigen, sind daher besonders gefährdet. „Liegen diese speziellen Bedingungen nicht mehr vor oder können die Tiere nicht zwischen Teillebensräumen wandern, dann bekommen sie Probleme“, erklärt Melanie Müller vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie der TU München und Autorin der Studie.
Generalisten breiten sich aus
Im Umkehrschluss haben sich sogenannte Generalisten unter den Fischen in den vergangenen drei Jahrzehnten weiter ausbreiten können. Sie haben nur geringe Anforderungen an ihre Lebensbedingungen und füllen die Bereiche, die von den Spezialisten nicht mehr bewohnt werden können.
Viele Generalisten gehören zu invasiven Arten
Auffällig ist dabei, dass es sich bei den Generalisten besonders häufig um invasive Arten handelt, also Arten, die in diesen Gewässern ursprünglich nicht heimisch waren. Viele von ihnen wie Regenbogenforelle oder Blaubandbärbling sind im Ballastwasser von Schiffen nach Mitteleuropa gelangt. „Wir müssen uns künftig darauf einstellen, in immer mehr Gewässern neuartige Lebensgemeinschaften anzutreffen, die aus einer Mischung von Arten bestehen, die sich natürlicherweise nie begegnen würden“, warnt Jürgen Geist, Ordinarius am Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie und Leiter der Studie.
Die Gewässerökologen fordern nun Langzeitstudien, die systematisch Verbreitung und Häufigkeit der wasserlebenden Arten erfassen. „Der Arten- und Biodiversitätsschutz darf nicht an der Wasseroberfläche aufhören und sollte an wissenschaftlichen Ergebnissen ausgerichtet werden“, mahnt Geist.
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Der heiße und trockene Sommer in diesem Jahr hat Deutschlands Landwirten hohe Ernteverluste beschert. In einigen Regionen wurden bis zu 50% weniger an Getreide oder anderen Nutzpflanzen eingefahren. Experten sind überzeugt, dass infolge des Klimawandels solche Wetterextreme noch zunehmen werden. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg bei Berlin hat daher untersucht, was für Pflanzen schädlicher ist – Hitze oder Dürre.
Prognose für Ernteausfälle durch Hitze und Dürre
„Zu verstehen, ob das größte Risiko für die Pflanzenproduktion unter dem Klimawandel durch Dürre oder Hitzestress entsteht, kann Landwirten und Züchtern bei der Auswahl der richtigen Sorten und der Betriebsführung helfen“, sagt Agrarwissenschaftlerin Heidi Webber vom ZALF und Erstautorin der Studie. Die Forscher analysierten dafür die Erträge von Körnermais und Winterweizen in der europäischen Landwirtschaft in den Jahren 1984 bis 2009. Anhand nationaler und internationaler Statistiken und mithilfe zahlreicher Modelle ermittelten sie den Anteil der Ertragsausfälle durch Hitze bzw. Dürre und versuchten, die Erträge für beide Kulturpflanzen unter dem Klimawandel bis 2055 vorherzusagen.
Dürre ist schlimmer als Hitze
Ihre Prognose und weitere Erkenntnisse stellen die Forscher im Fachjournal „Nature Communications“ vor. Demnach ist bis 2055, bei gleichbleibenden Pflanzensorten und Aussaatterminen, mit einem Ertragsverlust bei Körnermais, aber mit einem Zuwachs bei Winterweizen zu rechnen. Der Grund: Im Gegensatz zu Mais - und wider Erwarten - profitiert der Weizen von zusätzlichem Kohlendioxid in der Atmosphäre, das sich bei höheren Temperaturen in größeren Mengen ansammelt. Das Fazit der Forscher lautet deshalb: Dürre ist das größte Risiko für Ackerpflanzen.
Verdunstung und Wasserstress entscheidend
Auch zeigt die Studie erstmals, wie die Ertragseinbußen durch Hitze zustande kommen. Demnach lassen die warmen Temperaturen die Pflanze zwar schneller wachsen. Doch dies geschieht letztlich so schnell, dass sie nicht genügend Biomasse aufbauen und demzufolge nicht richtig reifen kann. Auch die Entwicklung von Blüten und Samen wird durch Hitze gestört, was zu einer starken Verringerung der Ernte führt. Der wichtigste Faktor ist der Studie zufolge jedoch die hohe Verdunstungsrate, die an heißen Tagen auftritt und bei unzureichenden Niederschlägen und fehlender Bewässerung zu Trockenstress, auch Wasserstress genannt, führen kann. „Frühere Studien für Europa, die zeigten, dass hohe Temperaturen den Großteil der Ertragsausfälle erklären, haben nicht berücksichtigt, dass Wasserstress ein wichtiges Ergebnis heißer Tage ist", so Webber.
Schutzmechanismen gegen Trockenstress und Überhitzung sind verschieden
Die Forscher fanden heraus, dass sich die Schutzmechanismen von Pflanzen gegen Trockenstress stark von denen gegen Überhitzung unterscheiden. Sie können sich sogar gegenseitig ausschließen und sind im Feldversuch schwer zu kontrollieren. Der Grund: Pflanzen schützen sich vor Trockenheit, indem sie weniger Wasser verdunsten lassen. Damit wird weniger kühlendes Wasser aus dem Boden in Blüten und Blätter geleitet, so dass Pflanzen erhitzen und es zu entsprechenden Hitzeschäden kommt.
Die neuen Erkenntnisse der Forscher können Landwirten und Pflanzenzüchtern helfen zu entscheiden, welche Pflanzen für den Anbau geeignet sind oder woran sie bei Neuzüchtungen angepasst werden müssen. Neue Modellierungs- und experimentelle Ansätze könnten dabei kombiniert werden, um die beste Option zu ermitteln.
bb