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Weizen gehört zu den wichtigsten Nahrungspflanzen und liefert nach Mais die weltweit größten Ernteerträge. Viele Lebensmittel vom Brot über Pizza bis hin zum Bier werden aus dem Getreide hergestellt. Doch Wetterextreme wie Dürren und Überschwemmungen sorgen immer wieder für Ernteverluste – auch beim Weizen. Landwirtinnen und Landwirte versuchen schon heute, die Nahrungspflanzen per Düngung mit wichtigen Nährstoffen wie Stickstoff zu versorgen und die Weizenerträge zu sichern.

Ertragssicherung durch mehr Stickstoffdüngung?

In den kommenden Jahren müsste allerdings die Düngung mit Stickstoff um das Vierfache steigen, damit das „Ertragspotential der Sorten für die Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung ausgeschöpft“ wird. So lautet das Ergebnis einer internationalen Studie, an der Forschende vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) beteiligt waren.

Mithilfe von Simulationsmodellen hatte das Forschungsteam für die ertragreichsten Weizensorten potenzielle Ertragssteigerungen sowie den damit verbundenen Stickstoffbedarf ermittelt. Außerdem wurden verschiedene Klimawandelszenarien für die wichtigsten Weizenanbaugebiete weltweit angewandt.

Stickstoff muss für die Pflanzen im Boden verfügbar sein

Noch mehr zu düngen, um künftige Erträge zu sichern, kann den Forschenden zufolge nicht die Lösung sein. „Angesichts der negativen Auswirkungen von überschüssigem Stickstoff auf Klima und Umwelt können wir die Düngegaben nicht noch weiter erhöhen, sondern müssen über Alternativen nachdenken“, so Frank Ewert, Wissenschaftlicher Direktor am ZALF und Co-Autor der Studie. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir uns vor allem darum kümmern müssen, dass Stickstoff für die Pflanzen im Boden verfügbar ist und von den Pflanzen effizient aufgenommen werden kann.“

Neue Anbaupraktiken notwendig

Die Züchtung neuer Weizensorten, die mehr Stickstoff aufnehmen, wird von den Forschenden als ein Lösungsansatz betrachtet. Eine weitere Option seien andere Anbaupraktiken wie der kombinierte Anbau von Weizen mit Leguminosen, die Stickstoff aus der Luft binden können. Keiner dieser beiden Ansätze würde jedoch das Problem allein lösen können, schreiben die Forschenden. „Erforderlich ist eine sinnvolle Integration von agronomischen, genetischen und sozio-ökonomischen Zusammenhängen“, berichtet das Team in der Fachzeitschrift „Nature Plants“.

Die Arbeit des ZALF-Teams wurde unter anderem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme „Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie – BonaRes“ gefördert.

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Wheat is one of the most important food crops and, after maize, provides the world's largest harvest yields. Many foods, from bread and pizza to beer, are made from this grain. However, extreme weather conditions such as droughts and floods repeatedly cause crop losses – including wheat. Farmers are already trying to supply food crops with important nutrients such as nitrogen through fertilization and to secure wheat yields.

Securing yields through more nitrogen fertilization?

In the coming years, however, fertilization with nitrogen would have to increase fourfold in order to "exploit the yield potential of the varieties to supply the growing world population". This is the result of an international study in which researchers from the Leibniz Center for Agricultural Landscape Research (ZALF) were involved.

The research team used simulation models to determine potential yield increases and the associated nitrogen requirements for the highest-yielding wheat varieties. In addition, various climate change scenarios were applied to the most important wheat-growing regions worldwide.

Nitrogen must be available to plants in the soil

According to the researchers, fertilizing even more to ensure future yields cannot be the solution. "In view of the negative effects of excess nitrogen on the climate and the environment, we cannot increase fertilizer applications any further, but must think about alternatives," says Frank Ewert, Scientific Director at ZALF and co-author of the study. "Our results show that we need to focus primarily on ensuring that nitrogen is available to plants in the soil and can be efficiently absorbed by them."

New cultivation practices needed

Breeding new wheat varieties that absorb more nitrogen is seen by the researchers as one possible solution. Another option is other cultivation practices such as the combined cultivation of wheat with legumes, which can fix nitrogen from the air. However, neither of these approaches alone would be able to solve the problem, the researchers write. "What is needed is a meaningful integration of agronomic, genetic and socio-economic relationships," the team reports in the journal "Nature Plants".

The work of the ZALF team was funded by the German Federal Ministry of Education and Research (BMBF) as part of the funding measure "Soil as a sustainable resource for the bioeconomy – BonaRes".

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Leguminosen wie Erbsen und Soja sind nicht nur wertvolle Proteinquellen zur Herstellung von Lebens- und Futtermitteln. Sie sind auch wichtige Helfer, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. Ihre Fähigkeit, mithilfe von Bakterien über die Wurzeln Stickstoff aus der Luft zu binden, macht Hülsenfrüchte zu einem natürlichen Bodenverbesserer. Doch der Anbau solcher Eiweißpflanzen ist noch immer eine Nische in Deutschland und in der EU. Das soll sich ändern.

Vorteile von Leguminosen erschließen

Unter dem Motto „Identifizieren – Inwertsetzen – Verbreiten von Ökosystemleistungen von Leguminosen“ wird ein Konsortium aus 15 Partnern aus elf Ländern im Rahmen des soeben gestarteten EU-Projektes VALERECO die Vorteile von Leguminosen für Landwirtschaft, Klima und Umwelt erschließen und den natürlichen Bodenverbesserern damit mehr Präsenz verschaffen. Konkret sollen der ökologische und wirtschaftliche Wert der Ökosystemleistungen von zwölf verschiedenen Leguminosen quantifiziert und verbessert werden, um die Vielfalt der landwirtschaftlichen Praktiken zu fördern und die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. Das vierjährige Vorhaben, an dem Forschende vom Institut für Umweltplanung der Leibniz-Universität Hannover beteiligt sind, wird im Rahmen des Horizon-Europe-Programms mit 4,8 Mio. Euro gefördert.

Verständnis und Akzeptanz fördern

Viele Landwirtinnen und Landwirte würden die mit dem Anbau von Hülsenfrüchten verbundenen Vorteile unterschätzen oder seien sich ihrer nicht bewusst, schreiben die Forschenden. Im Rahmen des Projektes werden Lösungsansätze entwickelt, die zu einem besseren Verständnis und mehr Akzeptanz von Leguminosen in der Landwirtschaft führen.

Einrichtung von Reallaboren

Hinsichtlich der "Identifizierung" von Leguminosen werden bestehende Ökosystemleistungen analysiert und Möglichkeiten zur Integration in die neue Gemeinsame Europäische Agrarpolitik ermittelt. In puncto "Inwertsetzung" ist die Einrichtung von insgesamt neun Reallaboren in sechs europäischen Ländern geplant. Durch Strategien zur Verhaltensgestaltung, partizipative Versuche und die Demonstration technischer und wirtschaftlicher Lösungen soll die Akzeptanz von Hülsenfrüchten verbessert werden.

Das Team in Hannover um Ann-Kathrin Koessler und Christina von Haaren wird hierbei Strategien zur Verhaltensgestaltung erarbeiten. Darüber hinaus werden die Leibniz-Forschenden im Hinblick auf die "Verbreitung" des Wissens auch ein Entscheidungsunterstützungssystem entwickeln, das Landwirtinnen und Landwirten sowie Konsumentinnen und Konsumenten gezielt über Leguminosen informiert. Zur weiteren Verbesserung des Wissenstransfers und zur Unterstützung der Entscheidungsfindung sollen im Projekt zudem ein digitales Leguminosen-Informationszentrum und eine E-Learning-Plattform geschaffen werden.

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Legumes such as peas and soy are not only valuable sources of protein for the production of food and animal feed. They are also important helpers in making agriculture more sustainable. Their ability to bind nitrogen from the air via the roots with the help of bacteria makes legumes a natural soil conditioner. However, the cultivation of such protein crops is still a niche in Germany and the EU. This is set to change.

Tapping into the benefits of legumes

Under the motto " Identifying - valorizing - disseminating the ecosystem services of legumes", a consortium of 15 partners from eleven countries will develop the benefits of legumes for agriculture, climate and the environment as part of the recently launched EU project VALERECO and thus give these natural soil improvers a stronger presence. Specifically, the ecological and economic value of the ecosystem services of twelve different legumes is to be quantified and improved in order to promote the diversity of agricultural practices and make agriculture more sustainable. The four-year project, in which researchers from the Institute of Environmental Planning at Leibniz University Hanover are involved, is being funded with 4.8 million euros as part of the Horizon Europe program.

Promoting understanding and acceptance

Many farmers underestimate or are unaware of the benefits associated with the cultivation of legumes, the researchers write. As part of the project, solutions are being developed that will lead to a better understanding and greater acceptance of legumes in agriculture.

Establishment of living laboratories

With regard to the "identification" of legumes, existing ecosystem services are analyzed and possibilities for integration into the new Common European Agricultural Policy are identified. In terms of "valorization", the establishment of a total of nine living laboratories in six European countries is planned. Strategies for shaping behavior, participatory trials and the demonstration of technical and economic solutions are intended to improve the acceptance of legumes.

The team in Hanover led by Ann-Kathrin Koessler and Christina von Haaren will develop strategies for shaping behavior. In addition, the Leibniz researchers will also develop a decision support system with regard to the "dissemination" of knowledge, which will provide farmers and consumers with targeted information about legumes. To further improve knowledge transfer and support decision-making, the project will also create a digital legume information center and an e-learning platform.

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Mit der Neuauflage der Bioökonomiestrategie hat die Bundesregierung 2020 Maßnahmen für den Übergang von einer vorwiegend auf fossilen Rohstoffen basierenden Wirtschaft hin zu einer biobasierten und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft formuliert. Die Agenda zielt darauf ab, die Wirtschaft durch die Nutzung innovativer Technologien und den Einsatz biogener Ressourcen zukunftsfähig zu machen und damit die Belastungen für Klima, Umwelt und Ökosysteme zu begrenzen. Gleichzeitig soll die bioökonomische Transformation auch die Wirtschaft Deutschlands stärken und den Wohlstand der Menschen im Land sichern.

Vier Fallstudien zum biobasierten Wirtschaften erstellt

Doch was bedeutet dieser Wandel für eine moderne Gesellschaft? Wie verändern sich Grundhaltungen, Einstellungen und gemeinsame Vorstellungswelten von Menschen sowie die Erwerbsstrukturen, wenn sich die Rohstoff- und Energiebasis von fossilen hin zu biogenen Rohstoffen verschiebt? Im Rahmen des Projekts „Mentalitäten im Fluss (flumen)“ haben Forschende an der Friedrich-Schiller-Universität Jena nach Antworten auf diese Fragen gesucht. Das Vorhaben ist im März 2019 gestartet und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderinitiative „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ mit fast 3 Mio. Euro gefördert. In Fallstudien, Interviews und Datenanalysen erforschte das Team um den ehemaligen Projektleiter Dennis Eversberg und seinen Nachfolger Martin Fritz, wie sich Mentalitäten, also die grundlegenden Einstellungsmuster der Menschen, in Bezug auf biobasiertes Wirtschaften verändern.
 
Eine Wirtschaftsweise zu ändern und dabei die Errungenschaften moderner Gesellschaften wie soziale Absicherung, Emanzipation und liberale Freiheiten zu erhalten, sei nicht so ohne weiteres möglich, sagt Projektleiter Martin Fritz. „Wir sehen, dass eine Bioökonomie, die auf der Nutzung nachwachsender Rohstoffe und dem Kreislaufprinzip basiert, prinzipiell im Widerspruch zum derzeitigen kapitalistischen Wirtschaftsmodell steht, das auf die kontinuierliche Steigerung von Energie- und Materialzufuhr für Produktion und Konsum ausgelegt ist.“
 
Neues Wirtschaftswachstum zu generieren, sei eines der zentralen Ziele fast aller Bioökonomie-Strategien weltweit, auch in Deutschland. Aus naturwissenschaftlicher Sicht sei dies so aber nicht machbar, sagt Fritz. Er verweist auf Studien, die zeigen, dass die Endlichkeit der Ressourcen und die bereits vielfach überschrittenen Belastungsgrenzen der planetaren Ökosysteme eine endlose Ausweitung und Intensivierung der wirtschaftlichen Aktivität nicht erlauben. So ist beispielsweise Land nur begrenzt verfügbar, wird aber von vielen Bereichen wie Landwirtschaft, Verkehr oder Wohnungsbau benötigt. Hier scheinen Zielkonflikte und Widersprüche programmiert oder nicht?

Verschiedene Szenarien des biobasierten Wirtschaftens

Es gibt unterschiedliche, sogenannte Entwicklungspfade des biobasierten Wirtschaftens, die sich die Jenaer Forschungsgruppe genauer anschaut hat. Sie wollte erfahren, welche Mentalitäten dabei jeweils eine Rolle spielen, ob und wie sich Haltungen und Einstellungen der Menschen verändert haben und welche Konflikte auftreten. Insgesamt wurden vier Varianten von Bioökonomie untersucht und dafür jeweils Fallstudien in Finnland, Estland, Spanien und Deutschland durchgeführt.

Der erste Entwicklungspfad der Bioökonomie setzt stark auf Wachstum und den Einsatz von Technologie. Hierfür wurde eine Fallstudie in Finnland durchgeführt, wo eine hochmoderne Forstwirtschaft dominiert. „Diese Variante des biobasierten Wirtschaftens findet trotz starker Elemente einer Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Waldes, wie Kahlschlag und Monokulturen, mit Ausnahme einiger weniger breiten Zuspruch in der Bevölkerung“, sagt Fritz. Die Analysen ergaben auch, dass die Menschen in Finnland zum Wald ein ambivalentes Verhältnis haben. „Einerseits berichten sie davon, sich gern in ihrem Wald aufzuhalten und dass er gepflegt werden muss. Andererseits werden Bäume und Holz als wirtschaftliches Kapital betrachtet und versucht, so viel wie möglich aus dem Wald herauszuholen“. Insgesamt werde diese Art der Forstwirtschaft von den Akteurinnen und Akteuren selbst zumeist als sehr nachhaltig betrachtet, berichtet Fritz.

Der Anbau von Reinkulturen wie Mais ist nicht immer umweltfreundlich. Ein kombinierter Anbau mit Leguminosen wie Erbsen und Bohnen gilt seit langem als vielversprechender Ansatz, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. Doch auch die oft ungeliebten Unkräuter, die sich auf Weizen- und Gerstenfeldern tummeln, können einen positiven Effekt für den Ackerbau haben. Das ist das Ergebnis eines zweijährigen Feldexperiments der Universität Bonn.

Feldexperiment mit Mischanbau und Blühstreifen

Darin hat ein Team um Thomas Döring und Séverin Hatt untersucht, welche Auswirkungen Mischkulturen, Blühstreifen und Unkräuter auf Pflanzenschädlinge haben. Auf den Versuchsfeldern wurden zum einen Bohnen und Weizen und zum anderen Saatmohn und Gerste ausgebracht und jeweils mit Blühstreifen am Feldrand versehen.

Dass Vielfalt in der Landwirtschaft durch Mischkulturen und Blühstreifen nicht nur der Artenvielfalt zugutekommt, sondern auch Landwirtinnen und Landwirten, haben frühere Studien bereits belegt. Auch die Bonner Forschenden verweisen auf die zahlreichen Vorteile des Mischanbaus mit Leguminosen: Hülsenfrüchte wie Erbsen sind aktive Bodenverbesserer, da sie über ihre Wurzeln mithilfe von Bakterien Stickstoff aus der Luft binden, damit Nahrungspflanzen auf natürliche Weise mit dem wichtigen Nährstoff versorgen und so Dünger einsparen.

Pflanzenmischungen halten Unkräuter in Schach

Da Pflanzen unterschiedliche Ansprüche haben, machen sie sich beim Mischanbau hinsichtlich Wasser- und Nährstoffverbrauch auch weniger Konkurrenz und liefern schließlich mehr Ertrag, heißt es. Aber nicht nur das: „Pflanzenmischungen machen zudem Unkräutern das Leben schwer“, sagt Thomas Döring vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn. „Außerdem werden sie deutlich weniger von Schädlingen befallen. Insekten sind meist auf eine Art spezialisiert; beim Mischanbau finden sie also einfach weniger passende Pflanzen vor.“

Rest-Unkräuter locken nützliche Insekten an

In ihren Feldversuchen konnten die Forschenden zeigen, wie hilfreich es ist, einige Unkräuter zwischen den Nutzpflanzen stehenzulassen. Besonders positiv war der Effekt, wenn neben den Unkräutern auch noch verschiedene Kulturen und Blühstreifen angelegt wurden. „Wir konnten nun zeigen, dass diese Rest-Unkräuter es Nutzinsekten erleichtern, sich weiter ins Feld auszubreiten“, sagt Döring. „Dass sie den Ertrag gefährden, war hier nicht der Fall. Im Gegenteil – die Studie belegt, dass sie sogar bei der Schädlingsbekämpfung helfen.“

Das heißt: Der Mut, einige Unkräuter stehenzulassen, wird belohnt. Denn Unkräuter locken nützliche Insekten an, die sich wiederum von Pflanzenschädlingen ernähren. „Dazu zählen etwa Schwebfliegen oder Marienkäfer, deren Larven sehr effektive Blattlaus-Killer sind“, sagt Döring.

Die Ergebnisse der Studie gehen auf Feldversuche zurück, die unter ökologischen Bedingungen durchgeführt wurden und sind daher für den Biolandbau interessant. Die Forschenden sind überzeugt: Mit einer Kombination von Blühstreifen und Mischanbau können Pflanzenschädlinge und Unkräuter gleichermaßen in Schach gehalten werden. Ob sich die Ergebnisse auch auf die konventionelle Landwirtschaft übertragen lassen, muss noch untersucht werden.

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Ob in Kunststoffen, Nahrungsmitteln, Sportschuhen, Kosmetika oder Smartphone: Kohlenstoff ist in zahlreichen Produkten enthalten und damit ein wichtiger Rohstoff für die Industrie. Bisher werden zur Kohlenstoffgewinnung meist fossile Rohstoffe verwendet, bei deren Produktion und Verbrennung allein große Mengen des klimaschädlichen CO₂ freigesetzt werden. Ein wichtiges Ziel der Bioökonomie ist es daher, durch biobasierte Innovationen Treibhausgasemissionen zu verringern und CO₂ als Rohstoffquelle zur Herstellung neuer nachhaltiger Produkte für die grüne Industrie zu nutzen.

Vielversprechend sind hier vor allem biotechnologische Verfahren, bei denen mithilfe von Mikroorganismen kohlenstoffhaltige Abfallströme verstoffwechselt werden. Mithilfe des biotechnologischen CO₂-Recyclings könnten sich vor allem neue Perspektiven für Unternehmen auftun, die besonders viel Kohlendioxid ausstoßen, wie die Zement-, Stahl-, Glas- oder Chemieindustrie.

CO₂-Recycling als Geschäftsmodell entdecken

Doch wie kann CO₂ im Sinne der Kreislaufwirtschaft genutzt werden? Welche Produkte lassen sich daraus herstellen und welche Technologien gibt es, um zu vermeiden, dass das Klimagas überhaupt in die Umwelt gelangt? Antworten darauf liefert der neue Leitfaden „Biotechnologisches CO₂-Recycling“. Das von der Landesagentur Umwelttechnik BW (Baden-Württemberg) herausgegebene Handbuch will einen fundierten Überblick geben, welche Chancen und technologischen Möglichkeiten das CO₂-Recycling bietet und welche wirtschaftlichen Perspektiven sich aus der CO₂-Nutzung für Unternehmen ergeben. Auf diese Weise sollen Unternehmen motiviert werden, „mit der kreislaufwirtschaftlichen Nutzung von CO₂ neue Geschäftsmodelle zu entdecken und gleichzeitig Klimaschutz zu betreiben“.

Neue Perspektiven für CO₂-intensive Unternehmen

„Mit dem Leitfaden wollen wir vor allem Unternehmen ansprechen, bei denen CO₂ in großen Mengen als Abgas anfällt, wie etwa in den Branchen Chemie, Glas, Stahl oder Zement. Für diese Unternehmen gibt es Technologien, um das CO₂ gewinnbringend zu verwerten“, sagt Paulina Leiman, Technologie-Scout CO₂-Recycling bei der Umwelttechnik BW und Mitautorin des Leitfadens im Gespräch mit bioökonomie.de.

Neben der Vielfalt der Quellen, die zur CO₂-Verwertung in Baden-Württember genutzt werden können – etwa Abgase aus Zement- oder Biogasanlagen oder Klärschlamm, stellt der Leitfaden 15 Projekte vor, in denen Recyclingtechnologien bereits erfolgreich umgesetzt wurden und neue Produkte aus CO₂ wie Ameisensäure, Methanol oder Milchsäure entstanden sind. Neben der stofflichen Nutzung werden in einer Tabelle zugleich die energetischen Einsatzmöglichkeiten der jeweiligen chemischen Produkte dargestellt.

CO₂-Recycling auch wirtschaftlich rentabel

„Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass eine kreislauforientierte Kohlenstoffwirtschaft nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich rentabel ist“, schreibt Carola Seelmann, Mitautorin und Projektleiterin Bioökonomie bei der Umwelttechnik BW.

Knapp 40 % der weltweiten CO₂-Emissionen gehen auf das Konto der Baubranche. In Deutschland werden 12 % der Treibhausgasemissionen dem Sektor zugeschrieben. Vor allem bei der Herstellung des für Beton so wichtigen Bindemittels Zement entstehen große Mengen des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid (CO₂). Die Entwicklung nachhaltiger Baustoffe, die CO₂ binden und damit die Emissionen reduzieren, ist auch am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT ein zentrales Forschungsthema. Im Projekt ZEROES wollen die Fraunhofer-Forschenden gemeinsam mit zwei Industriepartnern nun sogenannte klimapositive Baustoffe entwickeln, die nachhaltig und günstig sind.

Reststoffe als Kohlenstoffsenke nutzen

Das im Mai gestartete Vorhaben zielt darauf ab, vor allem CO₂-Emissionen bei der Produktion von mineralischen Baustoffen wie Beton zu reduzieren. Dabei setzt das Team auf den Einsatz von sogenannten Karbonisaten als Bindemittel oder Füllstoff in Beton und Kalksandsteinen. Karbonisate sind kohlenstoffreiche Materialien, die durch die thermochemische Umsetzung von Biomasse und biogenen Abfall- und Reststoffen erzeugt werden können. Der in den organischen Reststoffen gebundene Kohlenstoff wird so in den Baustoffen eingebunden und gespeichert und nicht wie bei der Zementherstellung üblich an die Umwelt abgegeben. So können die Emissionen der energieintensiven Herstellung kompensiert werden, schreiben die Forschenden.

CO₂ im Baustoff binden

Neben dem Einsatz von Karbonisaten wird das Projektteam auch untersuchen, inwiefern die Einbindung von CO₂ in Kalksandsteinen schon bei der Herstellung erfolgen kann. So sollen CO₂-Emissionen kompensiert werden, die bei der Calcinierung in der Kalksandsteinindustrie entstehen. Darüber hinaus sollen alle zur Baustoffherstellung benötigten mineralischen Materialien aus recyceltem Bauschutt gewonnen werden.

„Mit dem ganzheitlichen und industriebezogenen Ansatz bündeln wir im Projekt ZEROES unsere Expertisen in den Bereichen der Baustoffherstellung, Karbonisaten, Reststoffnutzung und stoffliche CO₂-Nutzung – insbesondere Mineralisierung –, was den Industriestandort NRW im Bereich Umweltwirtschaft enorm stärken kann“, erklärt Projektleiter Michael Prokein von Fraunhofer UMSICHT.

Das Projekt ZEROES wird durch die Europäische Union und das Land Nordrhein-Westfalen von 2024 bis 2027 gefördert.

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Just under 40% of global CO2 emissions are attributable to the construction industry. In Germany, 12% of greenhouse gas emissions are attributed to the sector. Large quantities of the climate-damaging greenhouse gas carbon dioxide (CO2) are produced, particularly during the manufacture of cement, an important binding agent for concrete. The development of sustainable building materials that bind CO2 and thus reduce emissions is also a key research topic at the Fraunhofer Institute for Environmental, Safety and Energy Technology UMSICHT. In the ZEROES project, the Fraunhofer researchers are now working with two industrial partners to develop so-called climate-positive building materials that are sustainable and affordable.

Using residual materials as a carbon sink

The project, which was launched in May, aims to reduce CO2 emissions in the production of mineral building materials such as concrete. The team is focusing on the use of carbonates as binders or fillers in concrete and sand-lime bricks. Carbonates are carbon-rich materials that can be produced through the thermochemical conversion of biomass and biogenic waste and residual materials. The carbon bound in the organic residues is thus bound and stored in the building materials and not released into the environment as is usual in cement production. In this way, the emissions from energy-intensive production can be offset, the researchers write.

Binding CO2 in the building material

In addition to the use of carbonates, the project team will also investigate the extent to which CO2 can be incorporated into sand-lime bricks during production. The aim is to offset CO2 emissions generated during calcination in the sand-lime brick industry. In addition, all mineral materials required for the production of building materials are to be obtained from recycled construction waste.

"With the holistic and industry-related approach, we are bundling our expertise in the areas of building material production, carbonates, residual material use and material CO2 use - especially mineralization - in the ZEROES project, which can enormously strengthen North Rhine-Westphalia (NRW) as an industrial location in the field of environmental economics," explains project manager Michael Prokein from Fraunhofer UMSICHT.

The ZEROES project is being funded by the European Union and the state of NRW from 2024 to 2027.

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Bei der sogenannten Präzisionsfermentation werden mit Hilfe von Bakterien, Hefen oder anderen Pilzen Ei- und Milchproteine hergestellt. Daraus entstehen Lebensmittel wie Milch oder Käse mit vertrautem Geschmack und Textur. Befürworter versprechen sich davon eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion, da nährstoffreiche Proteine mit geringerem Ressourcenverbrauch produziert werden können. Aber wie steht es um die Akzeptanz solcher Produkte bei Verbraucherinnen und Verbrauchern? Laut einer Studie der Universität Göttingen ist ein Großteil der deutschen Konsumierenden bereit, derart produzierten Käse zu probieren und zu kaufen.

Die Studie, die in Zusammenarbeit mit der Landesinitiative Ernährungswirtschaft Niedersachsen (LI Food) und dem Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik entstand, basiert auf einer repräsentativen Online-Umfrage mit rund 2.000 Teilnehmenden. Die Forschenden untersuchten, wie sich verschiedene Informationsaspekte auf die Akzeptanz von derart hergestelltem Käse auswirken. Dabei analysierten sie potenzielle Chancen und Risiken der Technologie, darunter der Bezug zu Nachhaltigkeit, Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Produktqualität.

Es zeigte sich, dass Konsumenten grundsätzlich offen sind für Käse aus Präzisionsfermentation, insbesondere wenn die hohe Qualität der Produkte sowie die Vorteile im Bereich Umwelt und Tierwohl hin hervorgehoben werden. Mögliche Nachteile wie der Verlust einer Einkommensquelle für Landwirte oder die potenzielle Machtposition großer Unternehmen minderten die Kauf- und Zahlungsbereitschaft für einen solchen Käse am deutlichsten.

Die Ergebnisse der Studie sind in der internationalen Fachzeitschrift Future Foods erschienen.

 

Precision fermentation uses bacteria, yeast or other fungi to produce egg and milk proteins. The result is foods such as milk or cheese with a familiar taste and texture. Proponents hope that this will lead to more sustainable food production, as nutrient-rich proteins can be produced using fewer resources. But what about consumer acceptance? According to a study by the University of Göttingen, the majority of German consumers are willing to try and buy cheese produced in this way.

The study, which was conducted in collaboration with the Lower Saxony Food Initiative (LI Food) and the German Institute of Food Technologies, is based on a representative online survey with around 2,000 participants. The researchers analysed how different aspects of information affect the acceptance of cheese produced in this way. They analysed the potential opportunities and risks of the technology, including its relation to sustainability, impact on agriculture and product quality.

It was found that consumers are generally receptive to precision-fermented cheeses, especially when the high quality of the products and the environmental and animal welfare benefits are emphasised. Possible disadvantages, such as the loss of a source of income for farmers or the potential power of large companies, most reduced the willingness to buy and pay for such cheeses.

The results of the study have been published in the international journal Future Foods.

 

Böden sind eine lebenswichtige Ressource und unverzichtbar für Ökosysteme, Klima und Menschen. Doch die industrielle Landwirtschaft und die Folgen der Klimakrise setzen die Böden zunehmend unter Druck. Die Folge: Fruchtbare Böden werden immer knapper. Studien zufolge sind in der EU mehr als 60 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen degradiert. Omar Khalaf vom Berliner Start-up Alganize will etwas dagegen tun. „Das Bodensterben aufzuhalten, ist für uns eine Herzensangelegenheit“, sagt der Biotechnologe. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt der Biotechnologe innovative Lösungen auf Mikroalgenbasis, um die Gesundheit der Böden zu verbessern und Erträge zu sichern.

Soil is a vital resource and indispensable for ecosystems, the climate and society. However, industrial agriculture and the consequences of the climate crisis are putting increasing pressure on soils. As a result, fertile soils are becoming ever scarcer. According to studies, more than 60% of agricultural land in the EU is degraded. Omar Khalaf from the Berlin start-up Alganize wants to do something about that. "Stopping soil degradation is a matter close to our hearts," says the biotechnologist. Together with his team, Khalaf is developing innovative microalgae-based solutions to improve soil health and secure yields.

Anaerobe Bakterien gehören zu den ältesten Organismen der Erde. Da für sie Sauerstoff lebensbedrohlich ist, haben sie spezielle Stoffwechselwege entwickelt, die ihnen ein Überleben in sauerstofffreien Regionen ermöglichen.  So sind anaerobe Bakterien auch im menschlichen Darm angesiedelt, wo sie erheblichen Einfluss auf die Gesundheit haben. Aber nicht nur das. Ihr spezieller Stoffwechsel macht sie auch zu begehrten Werkzeugen in der Biotechnologie. Bisher spielen sie hier eine untergeordnete Rolle. Mit dem Projekt „AnoxyGen“ will der Jenaer Naturstoff-Forscher Christian Hertweck das ändern. Darin wird er gemeinsam mit seinem Team neuartige Wirkstoffe von sogenannten Anaerobiern entschlüsseln und ihre Rolle in der Natur aufklären. Für seine zukunftsweisende Forschung wird der Wissenschaftler mit dem renommierten ERC Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates ausgezeichnet. Die Projektarbeit wird damit über fünf Jahre unterstützt.

Biosynthese-Potenzial anaerober Bakterien erschließen

„Anaerobe Bakterien sind bisher noch zu wenig erforscht, ihre Stoffwechselvorgänge bieten aber ein großes Potenzial für die Entdeckung neuer Wirkstoffe. Außerdem können wir daraus auch neue Erkenntnisse für ihre Rolle als Krankheitserreger gewinnen“, sagt Hertweck. Er leitet die Abteilung Biomolekulare Chemie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) und ist Professor für Naturstoffchemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

In den kommenden Jahren will ein interdisziplinäres Team um Hertweck das bisher ungenutzte Biosynthese-Potenzial von Anaerobiern erschließen. Um die unbekannten Stoffwechselwege dieser Bakterien zu entschlüsseln und nutzbar zu machen, werden neue Werkzeuge der molekularen und synthetischen Biologie entwickelt.

Großer Nutzen für Medizin, Ökologie und Biotechnologie

So sollen etwa mithilfe eines leistungsfähigen Expressionssystems neue Wirkstoffe identifiziert und modifiziert werden, damit auch Toxine und Virulenzfaktoren von krankheitserregenden Anaerobiern produziert und erforscht werden können, ohne dafür große Mengen der Krankheitserreger selbst kultivieren zu müssen. „Mit dem Projekt möchten wir neuartige Methoden und Werkzeuge für die wissenschaftliche Gemeinschaft bereitstellen. Wir erhoffen uns von ‚AnoxyGen‘ einen großen Nutzen, insbesondere für die Medizin, aber auch für die Ökologie und die Biotechnologie“, so Hertweck.

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Anaerobic bacteria are among the oldest organisms on earth. As oxygen is life-threatening for them, they have developed special metabolic pathways that enable them to survive in oxygen-free regions. Anaerobic bacteria are also found in the human intestine, where they have a considerable influence on health. But that's not all. Their special metabolism also makes them sought-after tools in biotechnology. So far, they have played a subordinate role here. With the "AnoxyGen" project, Jena-based natural product researcher Christian Hertweck wants to change this. Together with his team, he will decode novel active substances of so-called anaerobes and elucidate their role in nature. The scientist has been awarded the prestigious ERC Advanced Grant from the European Research Council for his pioneering research. The project work will be supported for five years.

Unlocking the biosynthesis potential of anaerobic bacteria

"Anaerobic bacteria have not yet been researched enough, but their metabolic processes offer great potential for the discovery of new active substances. We can also gain new insights into their role as pathogens," says Hertweck. He heads the Department of Biomolecular Chemistry at the Leibniz Institute for Natural Product Research and Infection Biology – Hans Knöll Institute (Leibniz-HKI) and is Professor of Natural Product Chemistry at Friedrich Schiller University Jena.

In the coming years, an interdisciplinary team led by Hertweck wants to explore the previously untapped biosynthetic potential of anaerobes. New molecular and synthetic biology tools are being developed in order to decode and harness the unknown metabolic pathways of these bacteria.

Great benefits for medicine, ecology and biotechnology

For example, a powerful expression system will be used to identify and modify new active substances so that toxins and virulence factors of pathogenic anaerobes can be produced and researched without having to cultivate large quantities of the pathogens themselves. "With this project, we want to provide novel methods and tools for the scientific community. We hope that 'AnoxyGen' will be of great benefit, particularly for medicine, but also for ecology and biotechnology," says Hertweck.

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Mehr als ein Viertel der Erdoberfläche besteht aus Wiesen und Weiden. Das Grünland ist nicht nur Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere. Es ist auch ein wichtiger Kohlenstoffspeicher und bedeutend für die Nahrungsmittelproduktion. Doch wie steht es um die Zukunft dieses Ökosystems? Welche Folgen hat der Klimawandel für das Grünland und welche Rolle spielt dabei die Art der Landnutzung? Antworten liefert eine Studie vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.

Langzeitexperiment zu Landnutzung und Klimawandel

Darin haben Forschende erstmals Daten vom Global Change Experimental Facility (GCEF) einfließen lassen – einem seit zehn Jahren laufenden Feldexperiment in Bad Lauchstädt bei Halle an der Saale. Das Experimentierfeld besteht aus insgesamt 50 Parzellen von jeweils 16 mal 24 Meter Größe, die alle unterschiedlich intensiv genutzt werden. Mithilfe von Foliendächern lassen sich hier auch die Temperaturen und Niederschlagsmengen manipulieren und damit Klimaszenarien simulieren.

Klimafolgen hängen von Landnutzung ab

Für ihre aktuelle Studie haben die Forschenden die Artenvielfalt und Produktivität der Pflanzen auf den unterschiedlich bewirtschafteten Flächen für die Jahre 2015 bis 2022 ermittelt. Die Auswertung von Daten der ersten acht Jahre zeigt deutlich: Wie stark der Klimawandel Artenvielfalt und Produktivität von Wiesen und Weiden verändern wird, hängt davon ab, ob die Fläche extensiv oder intensiv bewirtschaftet wird. Wie das Team im Fachjournal „Global Change Biology“ berichtet, ist auf Hochleistung getrimmtes Grünland anfälliger für Dürreperioden als Wiesen und Weiden, die weniger intensiv genutzt werden.

„In diese Zeit fielen drei der trockensten Jahre, die diese Region seit dem Beginn der Aufzeichnungen erlebt hat“, erinnert sich Lotte Korell, Biologin am UFZ und Erstautorin der Studie. Diese Dürren hatten demnach einen deutlich stärkeren Effekt auf die Pflanzenwelt als der von den Forschenden experimentell simulierte Klimawandel. Umgekehrt heißt das: Artenreiches, nur selten gemähtes oder wenig beweidetes Grünland kam mit Hitze und Trockenheit deutlich besser zurecht. „Neben anderen Faktoren hängt das wahrscheinlich mit der Artenvielfalt zusammen“, sagt Lotte Korell. Diese Artenvielfalt hat sich je nach Nutzung der Flächen jedoch massiv unterschieden.

So wuchs auf den extensiv genutzten Wiesen und Weiden des Feldexperiments eine bunte Mischung aus mehr als 50 heimischen Gräsern und Kräutern, während auf der intensiv bewirtschafteten Fläche jene fünf Grassorten ausgebracht wurden, die offiziell Landwirtinnen und Landwirten empfohlen werden – darunter das Wiesen-Knäuelgras und das Deutsche Weidelgras. Diese Gräser waren demnach nur anfangs und bei „günstigen Klimaverhältnissen“ deutlich produktiver, litten aber unter der Trockenheit und starben in Dürrezeiten verstärkt ab, sodass sie durch andere Gräser wie Löwenzahn ersetzt werden mussten. „Meist sind das eher kurzlebige Arten, die als Samen überdauern“, erklärt Harald Auge, ebenfalls Biologe am UFZ und Mitautor der Studie. Den Forschenden zufolge haben diese „Neulinge“ jedoch einen geringeren Futterwert als die ursprünglich ausgesäten Gräser. Die Folge: Die Produktivität der Flächen verschlechtert sich, was für Landwirte wirtschaftliche Konsequenzen haben kann.

Höheres Risiko bei Fokus auf Intensivgrünland

Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass Landwirtinnen und Landwirte, die nur auf Intensivgrünland setzen, in Trocken- und Dürrephasen ein höheres wirtschaftliches Risiko haben. Extensiv genutzte Wiesen und Weiden würden dagegen nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten, sondern auch helfen, die Produktivität des Grünlands in Zeiten des Klimawandels zu stabilisieren, so die Forschenden.

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Die Synthetische Biologie verbindet Biowissenschaften und Ingenieurswissenschaften, um biologische Systeme wie Zellen oder Organismen mit neuen Eigenschaften und Fähigkeiten auszustatten. So können beispielsweise Bakterien oder Hefen so verändert werden, dass sie pflanzliche Roh- und Reststoffe in neue Produkte wie Kraftstoffe, Chemikalien, Fasern oder Medikamente umwandeln. Für die Bioökonomie bietet das sogenannte Bio-Engineering damit die notwendigen Werkzeuge, um die Industrie nachhaltiger zu machen.

Großes Potenzial für Transformation

Eine aktuelle Studie vom Capgemini Research Institute zur Bioökonomie zeigt, dass Unternehmen fast aller Industriezweige weltweit, darunter auch in Deutschland, bei der Transformation auf die Potenziale der Synthetischen Biologie setzen, „um die Fortschritte in der Biotechnologie zum Schutz der Umwelt und zur Produktoptimierung“ zu nutzen. „Die Bioökonomie rückt in den Fokus der Business-Verantwortlichen, denn sie verspricht ein unerschöpfliches Potenzial für Unternehmen“, sagt Felizitas Graeber, Managing Director von Capgemini Invent in Deutschland.

Im Rahmen der globalen Studie mit dem Titel „Engineering biology: The time is now” wurden im April und Mai dieses Jahres Führungskräfte von insgesamt 1.100 großen Unternehmen sowie 500 Start-ups weltweit befragt. Die Umfrage ergab, dass Nachhaltigkeit ein zentrales Motiv für das Interesse von Unternehmen an der Biotechnologie ist. Durch den Einsatz von biobasierten Lösungen erwarten Unternehmer vor allem Vorteile für die Umwelt wie weniger Abfall und Emissionen, eine Verbesserung der Produktleistung und -sicherheit sowie eine geringere Abhängigkeit von Rohstoffen und globalen Lieferketten.

„Bedeutende technologische Fortschritte in der DNA-Synthese, -Editierung und -Sequenzierung haben die Geschwindigkeit und Präzision des Engineerings biologischer Systeme stark erhöht und zugleich die Kosten entscheidend gesenkt“, schreiben die Autorinnen und Autoren. Zudem hat der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Erforschung und Prognose von Protein- und Stoffwechselstrukturen rasant vorangetrieben.

Umfassende Veränderungen durch Bio-Engeneering erwartet

Der Studie zufolge erwarten 99 % der weltweit befragten Führungskräfte, und davon 100 % der deutschen Unternehmer, dass ihre jeweilige Branche sich durch das Bio-Engineering in den nächsten zwei bis zehn Jahren oder darüber hinaus „umfassend verändern“ wird. In Deutschland rechnet zudem mehr als jede zweite Führungskraft in den nächsten zwei bis fünf Jahren mit entsprechenden Veränderungen.

Darüber hinaus wird deutlich, dass insgesamt 96 % der befragten Führungskräfte weltweit und darunter 99 % der deutschen Unternehmer, bereits Biosolutions einsetzen – also Produkte, Materialien oder Prozesse nutzen, bei denen Bio-Engineering zum Einsatz kommt. Konkret befinden sich 40 % solcher Maßnahmen in der Explorationsphase, 56 % führen demnach Forschungs- und Pilotprojekte durch oder setzen Biosolutions im kommerziellen Maßstab ein.

So nutzt die BASF bereits gentechnisch veränderte Mikroorganismen, um beispielsweise Biopolymere, Lebensmittelzutaten, Pflanzenschutzmittel, Aromen und Duftstoffe sowie Enzyme für Waschmittel und Kosmetika herzustellen. Bayer hat sich wiederum mit dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen Ginkgo Bioworks zusammengetan, um Stickstoff fixierende Bakterien zu entwickeln, die eine nachhaltige Alternative zu synthetischen Düngemitteln sein sollen.

Wachstum signalisiert positive Marktstimmung

Das sich dabei abzeichnende „stetige Wachstum“ sei ein Signal für eine „positive Marktstimmung in Bezug auf das wissenschaftliche und wirtschaftliche Potenzial von Bio-Engineering“, heißt es. Der Studie zufolge wollen 74 % der deutschen Führungskräfte und 68 % der internationalen Manager entsprechende Investitionen in ihrer Branche in den nächsten zwei bis fünf Jahren erhöhen. „Größere Investitionen steuern die Dynamik und sind zur Marktreife von Biosolutions erforderlich. Da generative KI die Präzision, Geschwindigkeit und Kosteneffizienz im Bio-Engineering steigert, wird dieses Technologie-Feld in den kommenden Jahren maßgebliche Impulse setzen und Unternehmen wie Industrien von Grund auf transformieren“, sagt Felizitas Graeber.

Neben den Chancen der Synthetischen Biologie für ein nachhaltiges Wirtschaften, geht die Studie auch auf die Hürden bei der Umsetzung solcher Innovationen ein. Hohe Kosten, ein Mangel an Fachkräften sowie geeignete Großinfrastruktur wie Bioreaktoren werden seitens von Unternehmen und Start-ups gleichermaßen als große Hindernisse benannt. So sind fast zwei Drittel der befragten Bio-Engineering-Start-ups der Ansicht, „dass verbreitete Unkenntnis biologischer Sachverhalte ihre Möglichkeiten zur Skalierung von Biosolutions“ einschränke und daher „mehr Expertise in der Thematik“ notwendig sei.

In der Biotechnologie werden seit langem mithilfe von Mikroorganismen Produkte für die Medizin, Landwirtschaft oder Chemieindustrie hergestellt oder industrielle Prozesse angekurbelt. Aber auch bei der Diagnose und Therapie von Krankheiten rücken Bakterien zunehmend in den Fokus. Nun könnten sich neue Möglichkeiten in der biotechnologischen Anwendung von Bakterien auftun. Den Grundstein haben Forschende der Universität Bayreuth gelegt. Einem Team um Stefanie Meier und Andreas Möglich ist es gelungen, den Lichtsensor von Bakterien so zu modifizieren, dass er sensitiver und schneller auf Rotlicht reagiert.

Genaktivität von Bakterien unter Rotlicht verändert

Wie das Team in der Fachzeitschrift Nature Communications berichtet, wurde die Empfindlichkeit von bakteriellen Systemen zur Steuerung der Genaktivität gegenüber Rotlicht verändert und ihre molekulare Antwort auf den Lichtreiz umprogrammiert. Auch Bakterien sind ständig mit Veränderungen wie Licht oder pH-Wert konfrontiert und müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Bei diesen Prozessen, die auf molekularer Ebene stattfinden, werden Phosphatgruppen hinzugegeben oder entfernt. Verantwortlich dafür ist in vielen Bakterien ein Zweikomponentensystem, das aus einem lichtempfindlichen Enzym und einem Regulator besteht. Der Regulator löst in den Bakterien dann weitere molekulare Prozesse aus, darunter eine Veränderung der Genaktivität, was zur Produktion nahezu beliebiger Proteine genutzt werden kann.

Modifikation des bakteriellen Zweikomponentensystems

Im Rahmen der Studie haben die Forschenden ein solches bakterielles Zweikomponentensystem nun modifiziert und damit gezeigt: Die Antwort bakterieller Systeme auf externe Reize kann gezielt verändert werden. Konkret wurde im Modell die lichtempfindliche Einheit des Zweikomponentensystems gegen eine andere ausgetauscht. Den Forschenden zufolge wurde damit das Zweikomponentensystem zehnmal empfindlicher gegenüber Rotlicht als die ursprüngliche Variante. Der Grund für die höhere Lichtempfindlichkeit ist demnach die veränderte Aktivität bezüglich der Phosphatgruppen.

„Beim modifizierten Zweikomponentensystem wurden im Vergleich zum ursprünglichen System unter Rotlicht die Phosphatgruppen schneller abgespalten. Das bedeutet, dass bereits bei geringen Rotlichtintensitäten das System inaktiviert wird“, schreibt das Team. Auch die Länge der Verbindung zwischen der lichtempfindlichen Einheit und dem restlichen Enzym, die sogenannten Linker, wurde verändert. Hier zeigte sich, dass „Systeme mit modifizierten Linkern gegensätzliche Eigenschaften in der Lichtregulierung und Signalantwort auf genetischer Ebene zu den ursprünglichen Systemen aufweisen“.

Neuartiges Instrument für die Biotechnologie

Die Forschenden sind überzeugt, dass diese empfindlicheren und aktiveren bakteriellen Systeme als „neuartige Instrumente für Anwendungen in der synthetischen Biologie und Biotechnologie“ dienen können. So könnten beispielsweise Bakterien im Körper an die richtigen Stellen geschleust werden und durch gezielte Aktivierung mit Rotlicht Wirkstoffe freisetzen oder Proteine erzeugen. „Die an diesem Modellsystem hervorgebrachten Ergebnisse haben generelle Relevanz für unzählige Systeme dieser Art, die unter anderem wichtige bakterielle Antworten wie Entwicklung, Bewegung und Infektiosität regulieren. Zudem erstellen wir unmittelbar in der Biotechnologie einsetzbare Systeme, die erlauben, die Produktion beliebiger Proteine durch Rotlicht zu aktivieren“, sagt Andreas Möglich.

Die Studie wurde in Kooperation mit der Universität in Jyväskylä, Finnland, durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie dem EU-Projekt FET Open NEUROPA gefördert.

bb