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Baden-Württemberg soll zu einer Leitregion für biobasiertes, kreislauforientiertes Wirtschaften werden. Dieses ehrgeizige Ziel hat die Landesregierung in ihrer 2019 verabschiedeten Landesstrategie „Nachhaltige Bioökonomie Baden-Württemberg“ festgeschrieben. Dafür wurde nun ein neues Förderpaket geschnürt. Unter dem Titel „Nachhaltige Bioökonomie als Innovationsmotor für den Ländlichen Raum“ sollen gezielt Technologien aus der anwendungsorientierten Grundlagenforschung praxistauglich gemacht werden.

Forschungsansätze in die Praxis bringen

„Bisher wurden durch unsere exzellente Forschung innovative Lösungsansätze im Labormaßstab entwickelt oder im Grundsatz gezeigt. Um den Systemwechsel in Zukunft zu ermöglichen, gilt es nun, vielversprechende Ansätze von der Forschung in die Praxis zu bringen“, so der baden-württembergische Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk. Ziel des Programms ist es, den Technologie- und Wissenstransfer im Bereich der nachhaltigen Erzeugung und Nutzung von Ressourcen aus der regionalen Land- und Forstwirtschaft zu unterstützen. Das Land stellt dafür Fördermittel in Höhe von 6 Mio. Euro bereit. 

Um möglichst viele Ideen aus Wissenschaft und Wirtschaft auf den Weg zu bringen, ist der Aufruf thematisch bewusst breit aufgestellt. Gefördert werden die effiziente und nachhaltige Erzeugung und Bereitstellung von regionaler Biomasse, verbraucherorientierte Produkt- und Prozessinnovationen entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette, intelligentes Rohstoff- und Stoffstrommanagement, neue Materialien aus Holz, lignozellulosehaltige Aufwüchse und landwirtschaftliche Nebenströme sowie innovative Konzepte zur Weiterentwicklung von Biogasanlagen.

Keine Heilung, aber mehr Lebensqualität verspricht ein deutsches Forschungsprojekt für Patienten mit Phenylketonurie (PKU). Mit dieser erblichen Stoffwechselkrankheit wird weltweit etwa jedes zehntausendste Kind geboren. Unbehandelt führt sie zu schweren geistigen Entwicklungsstörungen. Ursache dafür ist ein Überschuss der Aminosäure Phenylalanin, der entsteht, weil der Körper der Betroffenen das in vielen Eiweißmolekülen enthaltenenen Baustein nicht abbauen kann. Letztlich gelangt das überschüssige Phenylalanin über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn und richtet dort Schaden an.

Nur Obst, Gemüse und Aminosäuremischungen

Bislang gibt es eine ebenso einfache wie unbequeme Therapie: lebenslange Einschränkungen bei der Ernährung. Betroffene müssen es vermeiden, Phenylalanin zu sich zu nehmen, also auf alle Arten von natürlichem Eiweiß weitgehend oder im Einzelfall sogar ganz verzichten und sich im Wesentlichen von Obst und Gemüse ernähren. Die so zu einer gesunden Ernährung fehlenden Eiweiße werden in Form von Phenylalanin-freien Aminosäuremischungen supplementiert. Einen besseren Weg will das Forschungsprojekt „Phe-frei3“ entwickeln, das vom Bundesforschungsministerium im Programm „KMU-innovativ: Biotechnologie-BioChance“ von März 2019 bis Februar 2022 mit rund 915.000 Euro gefördert wird. Phe-frei3 steht dabei für die „Biotechnologische Herstellung des Phenylalanin-freien Proteins GSP105 zur Verbesserung des Diät-Managements bei Phenylketonurie“.

Für das Projekt haben sich die metaX Institut für Diätetik GmbH und ein Team des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME) zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, ein Protein herzustellen, das kein Phenylalanin enthält, wohl aber alle anderen wichtigen Aminosäuren. „Gut schmeckende Lebensmittel für PKU-Patienten“ beschreibt metaX-Geschäftsführer Bernhard Hoffmann die Vision und nennt als Beispiel Pasta und Veggieburger. „Aminosäuremischungen und hier besonders die unentbehrlichen Aminosäuren sind sehr bitter“, erläutert Yvonne Mücke, die bei metaX die Forschung im Projekt koordiniert. Außerdem lassen sich Aminosäuremischungen nicht stark erwärmen oder anderweitig in Lebensmitteln verarbeiten, wie das mit Proteinen möglich ist. Bislang gibt es daher lediglich Tabletten, Pulver, Drinks und immerhin auch Riegel mit Aminosäuremischungen. Deren Geschmack lässt aber trotz verbesserter Rezepturen noch immer zu wünschen übrig.

Suche nach Proteinen ohne Phenylalanin

Die Forschungspartner haben sich deshalb in Datenbanken auf die Suche nach einem Protein gemacht, das von Natur aus nur wenig Phenylalanin enthält. Mit gentechnischen Methoden wollten sie dann diese Phenylalanin-Reste gegen andere unentbehrliche Aminosäuren austauschen. „Wir haben jedoch schnell gemerkt, dass das Protein sich nicht mehr richtig faltet, wenn wir mehr als zwei oder drei Aminosäuren ersetzen“, erinnert sich IME-Forscher Stefan Rasche. Also verschärfte das Team die Suchkriterien weiter. Maximal ein Phenylalanin durfte nun noch vorhanden sein, außerdem mussten Nährwertparameter und Größe stimmen – und natürlich durfte das Zielprotein nicht toxisch für den Menschen sein. „Wir haben 831.000 Sequenzen gescreent und erhielten nur 15 Treffer“, berichtet Rasche. Komplett frei von Phenylalanin war nur ein einziger dieser Kandidaten.

Die Entscheidung fiel jedoch für ein Protein, das insgesamt attraktiver erschien – und der Austausch einer einzigen Aminosäure erwies sich als problemlos. Das neue Protein ist wie erhofft geschmacksneutral, gut löslich, chemisch stabil und auch tolerant gegenüber erhöhter Temperatur – ideal also für eine Weiterverarbeitung. Außerdem ist das Protein anfällig gegenüber Enzymen aus der Gruppe der Proteasen, was für eine gute Verdaulichkeit spricht. Zugleich bedeutet das aber auch, dass als Produktionsorganismus nur solche in Frage kommen, die eine geringe Proteaseaktivität aufweisen, damit das Protein nicht schon bei der Herstellung wieder zerstört wird. „Wir haben das Protein in verschiedenen Mikroorganismen exprimiert und auch in einem Hochleistungsstamm“, berichtet Rasche von der erfolgreichen Suche.

Ein Berliner Unternehmen hat sich der Problematik angenommen und nachhaltige Kleidung aus biologischen Fasern auf Cellulose-Basis entwickelt, die die Haut schützen und pflegen soll.

Stoff aus Meeresalgen

VitadylanTM heißt der Stoff, der die Haut beim Tragen pflegt. Basis bilden Meeresalgen von den isländischen Fjorden, die ressourcenschonend zweijährig und nur in festgeschriebener Menge geerntet werden. Die folgende Verarbeitung findet ausschließlich in Deutschland statt: Getrocknet und gemahlen werden die Algen unter anderem mit Zinkoxid-Fasern angereichert und in einem patentierten Verarbeitungsprozess, der die Vitamine und Mineralstoffe der Alge erhält, zu Stoff gewebt. Statt Baumwolle ist Modal, also Buchenholzfaser, weiterer Bestandteil. Das führt dazu, dass die Produktion eines herkömmlichen Shirts aus VitadylanTM um die 70 Liter Frischwasser verbraucht, während die Produktion eines vergleichbaren Baumwoll-Shirts bis zu 2.700 Liter an Wasser benötigt – das entspricht einem um 97% reduzierten Wasserverbrauch. 

Hautpflege inklusive

Die Wahl der natürlichen Rohstoffe erlaubt neben der nachhaltigen und wassersparenden Herstellung auch pflegende Effekte für die Haut. Von allen Naturprodukten enthalten Meeresalgen einen der höchsten Anteile an den Vitaminen A, C und E, an Mineralien und Spurenelementen. Des Weiteren hat Zinkoxid eine antibakterielle und geruchsmindernde Wirkung und ist essentiell für Immunsystem, Sinnesfunktionen und den Stoffwechsel. 

Marktreife

Graue Lang- sowie Kurzarmshirts und sportliche Unterwäsche sind erhältlich unter greyfashion.de.

A Berlin-based company has taken on the problem and developed sustainable clothing made of organic cellulose-based fibres to protect and care for the skin.

Fabric from seaweed

VitadylanTM is the name of the substance that cares for the skin when worn. It is based on seaweed from the Icelandic fjords, which is harvested biennially in a resource-conserving manner and only in fixed quantities. The following processing takes place exclusively in Germany: Dried and ground, the algae are enriched with zinc oxide fibres, among other things, and woven into fabric in a patented processing procedure that preserves the algae's vitamins and minerals. Instead of cotton, Modal, i.e. beech wood fibre, is another component. As a result, the production of a conventional shirt made of VitadylanTM uses around 70 litres of fresh water, while the production of a comparable cotton shirt requires up to 2,700 litres of water - this corresponds to a 97% reduction in water consumption. 

Skin care included

The choice of natural raw materials allows not only sustainable and water-saving production but also caring effects for the skin. Of all natural products, seaweed contains one of the highest proportions of vitamins A, C and E, minerals and trace elements. Furthermore, zinc oxide has an antibacterial and odour-reducing effect and is essential for the immune system, sensory functions and metabolism. 

Market readiness

Grey long and short-sleeved shirts and sporty underwear are available at greyfashion.com.

Der Countdown läuft: Am 9. Juli werden die Gewinner der REGIOSTARS Awards von der Europäischen Kommission bekannt gegeben. Der Preis wird alljährlich im Rahmen eines Wettbewerbes an innovative regionale Förderprojekte der EU vergeben. Zu den diesjährigen Nominierten gehört auch das INTERREG V A-Vorhaben „Bioökonomie - Grüne Chemie“ der Ems-Dollart-Region (EDR). Das Team wetteifert mit mehr als 50 Bewerbern in der Kategorie „Kreislaufwirtschaft für ein grünes Europa“ um den Sieg. Der Preis wird in insgesamt fünf Kategorien vergeben.

Von Naturfasern und Biopolymeren

Im Projekt „Bioökonomie - Grüne Chemie“ arbeiten deutsche und niederländische Unternehmer und Wissenschaftler der Grenzregion seit Jahren in sieben verschiedenen Projekten zusammen. Im Fokus steht die Entwicklung biobasierter Materialien, aber auch eine effizientere Nutzung natürlicher Restströme aus Landwirtschaft und Gartenbau. Das Vorhaben wird von der EU im Rahmen der Initiative zur Förderung grenzüberschreitender Projekte INTERREG vom europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

Im Einzelnen beschäftigen sich die deutsch-niederländischen Teams mit der Herstellung neuer Produkte aus sogenannten Paludikulturen wie Rohrkolben, Schilf oder Torfmoos und der damit verbundenen Erntetechnik. Auch neue Naturfasern, die zu 3D-Druckdrähten verarbeitet werden können, und neue Anwendungen für Garne und Bänder aus recyceltem PET oder Biopolymeren werden anvisiert.

The countdown has started: On July 9th the winners of the REGIOSTARS Awards will be announced by the European Commission. The prize is awarded annually as part of a competition to innovative EU regional funding projects. This year's nominees include the INTERREG V A-project "Bioeconomy-Green Chemistry" of the Ems-Dollart-Region (EDR). The team is competing with more than 50 applicants in the category "Circular economy for a green Europe" for the victory. The prize is awarded in a total of five categories.

Natural fibres and biopolymers

In the project "Bioeconomy - Green Chemistry" German and Dutch entrepreneurs and scientists from the border region have been working together for years in seven different projects. The focus is on the development of biobased materials, but also on a more efficient use of natural residual flows from agriculture and horticulture. The project is funded by the EU under the INTERREG initiative for cross-border projects from the European Regional Development Fund (ERDF).

In detail, the German-Dutch teams deal with the production of new products from so-called paludiculture such as cattail, reeds or peat moss and the associated harvesting technology. New natural fibers that can be processed into 3D pressurewires and new applications for yarns and ribbons made from recycled PET or biopolymers are also being targeted.

Ausprobieren, entdecken, staunen: Unter diesem Motto begibt sich die MS Wissenschaft bald wieder auf große Tour. In diesem Jahr steht das Thema Bioökonomie im Rampenlicht der Ausstellung. Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird das umgebaute Frachtschiff von Juli bis Oktober zunächst über Rhein, Main und Donau schippern, um die vielseitigen Facetten der Bioökonomie einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen.

Bioökonomie erlebbar machen

An Bord des Schiffes befinden sich zahlreiche Exponate, die von Hochschulen, Forschungsinstituten und anderen Einrichtungen bereitgestellt wurden und Einblicke in die bioökonomische Forschung geben. Die von Wissenschaft im Dialog organisierte Ausstellung will erlebbar machen, was die Bioökonomie leisten kann. Zu sehen sind T-Shirts aus Holz, Strümpfe aus Chicorée, Fleisch aus Reagenzgläsern oder biobasierte Kunststoffe aus Pflanzenstärke. Pilze, Moose oder Russischer Löwenzahn werden als Alternative zu fossilen Rohstoffen ins Rampenlicht gestellt. So können sich Besucher auch informieren, wie beispielsweise aus Pilzen Waschmittel, Medikamente und Kosmetika entstehen, oder Pflanzen wie Bambus und gepuffter Mais zu Bodenplatten verarbeitet werden. 

30 Interaktive Exponate an Bord

Rund 30 interaktive Exponate laden an Bord der MS Wissenschaft zum Mitmachen ein. Die einzelnen Themen wurden von Forschern hierfür so aufbereitet, dass sie für Kinder und Erwachsene gleichermaßen verständlich sind. Die Ausstellung greift aber auch ethische und politische Fragen auf, die mit dem Wandel hin zu einer biobasierten und nachhaltigen Wirtschaft einhergehen sind. Beleuchtet werden Fragen zur Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen, den Chancen und Risiken neuen Pflanzenzüchtungsmethoden aber auch zur Ernährung der Weltbevölkerung.

Tour startet Ende Juli in Münster

Die Tour der MS Wissenschaft startet am 30. Juli in Münster und endet Mitte Oktober in Straubing. In dieser Zeit macht das Ausstellungsschiff in 18 verschiedenen Städten halt, darunter in Bonn, Frankfurt am Main, Köln, Heidelberg. Da der Tourenstart auf Grund der Corona-Pandemie verschoben werden musste, wird das Ausstellungsschiff erst 2021 im Norden und Osten Deutschlands vor Anker gehen.

bb

Die Küsten befinden sich sowohl auf der Wasser- als auch der Landseite in einem rasanten Wandel. Die Erderwärmung – und mit ihr die Erwärmung der Ozeane –, steigende Bevölkerungszahlen und weiteres Wirtschaftswachstum verändern die küstennahen Regionen. Fischbestände wandern, der Meeresspiegel steigt und gefährdet damit auch die Landwirtschaft; zunehmende Überflutungen versalzen die Böden. Doch wie wirkt sich das auf die Ernährungssicherheit in Küstenregionen aus? Dazu fehlt es an genauen Modellierungen.

Hier setzt das Forschungsprojekt „FOCUS - Ernährungssicherheit und nachhaltige Existenzgrundlagen in Küstenregionen in der Verbindung von Land- und Ozeanressourcen“ an. „Es geht insbesondere um die Ernährungssicherheit mit einer weltweiten Perspektive und dem Blick auf die nächsten Jahrzehnte“, beschreibt Projektleiter Martin Quaas das Vorhaben. In den Küstenregionen müsse man sowohl die landbasierte als auch die ozeanbasierte Naturnutzung betrachten.

Wie wirkt sich der globale Handel aus?

FOCUS wird nicht nur die aggregierten Effekte des Klimawandels auf Landwirtschaft, Fischerei und Ökosysteme untersuchen, sondern detailliert betrachten, wie die räumlich aufgelösten Verteilungs- und Wohlfahrtsauswirkungen die Versorgung mit Nahrung und Existenzgrundlagen verändern. Eine globale Modellierung ist das Ziel, wobei man den Globus in etwa fünf bis zehn Regionen einteilen wolle, erklärt Quaas, der am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig eine Professur für Biodiversitätsökonomik innehat. Man orientiere sich an den großen Märkten, doch „der globale Handel kann nirgendwo isoliert betrachtet werden“.

Daten sind die zentrale Ressource für Wissenschaft und Wirtschaft. Sie werden in enormen Mengen zum Beispiel von Satelliten, Sensoren und Hochdurchsatztechnologien in den Lebenswissenschaften produziert. Diese Daten auszuwerten, zu verwalten, zu sichern und verfügbar zu machen, stellt große Anforderungen an die IT-Infrastruktur. Bisher dominieren dezentrale Lösungen. Mit dem Aufbau einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) sollen die Datenbestände von Wissenschaft und Forschung nun systematisch erschlossen, nachhaltig gesichert und der Forschungswelt zugänglich gemacht werden. Auch eine nationale und internationale Vernetzung wird anvisiert.

Wichtige Impulse für den wissenschaftlichen Fortschritt 

Die Weichen für den Aufbau dieses neuen Wissensspeichers haben Bund und Länder in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) nun mit der Förderzusage für neun Konsortien gestellt. Anja Karliczek, Bundesforschungsministerin und Vorsitzende der GWK, begrüßte diese Initiative: „Die Digitalisierung von Wissenschaft und Forschung in Deutschland ist ein wichtiger Schritt für die bessere Zusammenarbeit unter Disziplinen und zwischen Einrichtungen. Wir müssen die vielen Datenschätze in den unterschiedlichen Disziplinen heben – davon werden in allen Fächern wichtige Impulse für den wissenschaftlichen Fortschritt und neue Innovationen ausgehen. Bei der Digitalisierung von Wissenschaft und Forschung spielt die Etablierung und Fortentwicklung des Forschungsdatenmanagements eine zentrale Rolle. Es ist daher ein Signal zur richtigen Zeit, dass die ersten neun NFDI-Konsortien nun bald an den Start gehen können.“

Standards im Datenmanagement schaffen

Bis zu 90 Mio. Euro wollen Bund und Länder bis 2028 jährlich in Aufbau und Förderung der NFDI stecken, wobei die Bundesregierung mit 90% das Gros übernimmt. Nutzer von Forschungsdaten und von Infrastruktureinrichtungen werden in den kommenden Jahren den Wissensspeicher im Rahmen von NFDI-Konsortien  gestalten und bei der Entwicklung von Standards im Datenmanagement eng zusammenarbeiten. Ein Schwerpunkt: die Vernetzung alter und neuer Datenbestände, um diese besser nutzen zu können.

Drei NFDI-Konsortien mit Relevanz für die Bioökonomie

Den Grundstein für die NFDI legen die auf Empfehlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom GWK ausgewählten neun Konsortien, darunter auch drei Verbünde, die für die Bioökonomie relevant sind. Ein Überblick:

Im Konsortium DataPlant - Daten in Pflanzen-Grundlagenforschung wird ein Team unter Leitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eine Service- und Dateninfrastruktur entwickeln, mit der die moderne Pflanzenforschung große Datenmengen erfassen und bereitstellen kann. Dabei handelt es sich um Daten, die zu einem besseren Verständnis der molekularen Prinzipien des pflanzlichen Lebens beitragen wie etwa Wachstum, Ernteertrag und Biomasseproduktion. Die Arbeit des Konsortiums wird in den kommenden fünf Jahren mit 11 Mio. Euro von der DFG unterstützt. Projektpartner sind die Universität Tübingen, das Forschungszentrum Jülich und die Technische Universität Kaiserslautern.

Im Konsortium NFDI4BioDiversität - Biodiversität, Ökologie und Umweltdaten wird ein interdisziplinäres Team um das Leibniz-Institut DSMZ - Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH mikrobielle Forschungsdaten einbringen, um eine Cloud-basierte Infrastruktur zu entwickeln. Einfließen wird auch die am DSMZ entwickelte weltweit größte Metadatenbank für Bakterien, BacDive. Durch die Bereitstellung standardisierter Daten soll die Nutzung der Datenbank vereinfacht und die Arbeit der Forscher künftig deutlich verbessert werden. Die DFG fördert den Verbund in den kommenden fünf Jahren mit bis zu 3 Mio. Euro. Daran beteiligt sind neben der DSMZ 15 Mitantragsteller und 37 universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen.

Datenwertschöpfungsketten über chemische Prozesse stehen im Fokus des NFDI-Konsortiums NFDI4Cat - NFDI für Wissenschaften mit Bezug zur Katalyse. Unter der Leitung der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. (Dechema) werden 15 wissenschaftliche Partner mit Unternehmen wie Clariant, BASF und Covestro ihr Wissen zur Katalyseforschung, chemischen Verfahrenstechnik und Prozesstechnologie bündeln, um mithilfe einer entsprechenden Dateninfrastruktur einen grundlegenden Wandel zu bewirken. Dafür sollen verschiedene Disziplinen in der Katalyseforschung und -technologie mit der Unterstützung von Datenwissenschaftlern und Mathematikern zusammengebracht werden. Die Höhe der Fördersumme wird noch bekanntgegeben.

Breite Nutzung der Arbeitsergebnisse

 „Der Aufbau einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur ist ein Meilenstein in der Wissenschaftspolitik“, so der stellvertretende GWK-Vorsitzende, Konrad Wolf und Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz. „Wir rechnen damit, dass die Arbeitsergebnisse der geförderten Konsortien – etwa die Entwicklung von disziplinübergreifenden Metadatenstandards oder die Etablierung von Prozessen zum standardisierten Umgang mit Forschungsdaten – auch Wissenschaftscommunities außerhalb der NFDI-Förderung zugute kommen werden und damit eine Breitenwirkung im gesamten Wissenschaftssystem entfalten werden.“

Der Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur erfolgt in insgesamt drei Stufen. Hierfür werden jeweils in einem wissenschaftsgeleiteten Verfahren neue Konsortien in die NFDI aufgenommen. Bis zu 30 Arbeitsgruppen wollen Bund und Länder bis 2028 fördern.

bb

Data is the central resource for science and business. They are produced in enormous quantities, for example by satellites, sensors and high-throughput technologies in the life sciences. Evaluating, managing, securing and making this data available requires a great effort from the IT infrastructure. Up to now, decentralized solutions have dominated. With the establishment of a National Research Data Infrastructure (NFDI), the data stocks of science and research are now to be systematically indexed, sustainably secured and made accessible to the research community. National and international networking is also envisaged.

Important impulses for scientific progress

In the Joint Science Conference (GWK), the Federal and State Governments have now set the course for the establishment of this new knowledge storage facility by approving funding for nine consortiums. Anja Karliczek, Federal Minister of Research and Chairwoman of the GWK, welcomed this initiative: "The digitalization of science and research in Germany is an important step towards better cooperation among scientific disciplines and between institutions. We must raise the many data treasures in the various disciplines - this will provide important impulses for scientific progress and new innovations in all subjects. The establishment and further development of research data management plays a central role in the digitalization of science and research. It is therefore a signal at the right time that the first nine NFDI consortia can now start soon".

Creating standards in data management

The federal and state governments intend to invest up to 90 million euros annually until 2028 in the development and promotion of the NFDI, with the federal government taking the majority (90%). In the coming years, users of research data and of infrastructure facilities will design the knowledge storage within the framework of NFDI consortia and will cooperate closely in the development of standards in data management. One focus: the networking of old and new data stocks in order to make better use of them.

Three NFDI consortia with relevance for the bioeconomy

The foundation for the NFDI is laid by the nine consortia selected by the GWK on the recommendation of the German Research Foundation, including three consortia that are relevant to the bioeconomy. An overview:

In the consortium DataPlant - Fundamental Plant Research, a team led by the Albert-Ludwigs-University of Freiburg will develop a service and data infrastructure that will enable modern plant research to collect and provide large amounts of data. These are data that contribute to a better understanding of the molecular principles of plant life such as growth, yield and biomass production. The work of the consortium will be funded by the DFG with 11 million euros over the next five years. Project partners are the University of Tübingen, Research Centre Jülich and the Technical University of Kaiserslautern.

In the consortium NFDI4BioDiversity - Biodiversity, Ecology and Environmental Data an interdisciplinary team around the Leibniz Institute DSMZ - Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH will contribute microbial research data to develop a cloud-based infrastructure. The world's largest meta database for bacteria, BacDive, developed at the DSMZ, will also be included. The provision of standardized data should simplify the use of the database and significantly improve the work of researchers in the future. The DFG will fund the network with up to 3 million euros over the next five years. In addition to the DSMZ, 15 co-applicants and 37 university and non-university institutions are involved in this funding.

Data value chains on chemical processes are the focus of the NFDI consortium NFDI4Cat - NFDI for Catalysis-Related Sciences. Under the direction of the Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. (Dechema), 15 scientific partners with companies such as Clariant, BASF and Covestro will pool their knowledge of catalysis research, chemical engineering and process technology in order to bring about fundamental change with the help of an appropriate data infrastructure. For this purpose, different disciplines in catalysis research and technology will be brought together with the support of data scientists and mathematicians. The amount of funding will be announced in due course.

Wide use of the work results

"The establishment of a National Research Data Infrastructure is a milestone in science policy," said GWK Deputy Chairman, Konrad Wolf and Minister for Science, Further Education and Culture of Rhineland-Palatinate. "We expect that the work results of the funded consortia - such as the development of cross-disciplinary metadata standards or the establishment of processes for the standardized handling of research data - will also benefit scientific communities outside NFDI funding and thus develop a broad impact throughout the entire scientific system.

The development of the National Research Data Infrastructure is taking place in a total of three stages. For this purpose, new consortia are admitted to the NFDI in a scientifically guided procedure. The Federal Government and the Federal States intend to fund up to 30 working groups by 2028.

Welche Chancen bietet die Bioökonomie, unsere Zukunft nachhaltiger und unsere Wirtschaft widerstandsfähiger zu gestalten? Welchen Beitrag leisten Wissenschaft und Forschung und wie sieht die konkrete Umsetzung in der Praxis aus? Mit diesen Fragen befasst sich das Talk-Format „Karliczek. Impulse.“, das im Wissenschaftsjahr 2019 – Künstliche Intelligenz ein erfolgreiches Debüt hatte. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek diskutiert diesmal mit Gästen über Ziele, Maßnahmen, Potenziale und Herausforderungen der Bioökonomie vor dem Hintergrund voranschreitender Klima- und Umweltveränderungen.

Virtuelle Diskussionsrunde zur Bioökonomie

Die Diskussionsreihe wird bei jedem Talk ein spannendes Schwerpunktthema der aktuellen Bioökonomie-Forschung behandeln und die Gespräche werden durch Impulse aus der Praxis ergänzt. Die erste Ausgabe widmet sich dem Thema Kreislaufwirtschaft und trägt den Titel „Ist das Innovation – oder kann das weg? Warum Abfälle Einfälle brauchen“. Das Event findet am 20. Juli online statt. Durch eine begleitende Live-Abstimmung und per Chat bekommen die Teilnehmer Gelegenheit, sich mit Fragen und Impulsen in die digitale Debatte einzubringen und somit selbst Teil eines „Kreislaufs“ zu werden.

Pflanzenschädlinge sind für Landwirte von jeher eine Plage. Zu den gefährlichsten Parasiten gehören Brandpilze, die bevorzugt Nahrungspflanzen wie Getreide oder Mais befallen. Sie greifen das Innere der Pfanzenzellen an und blockieren die Abwehrkräfte. Bei der Wahl der Wirtspflanze sind diese Erreger jedoch sehr wählerisch und daher auch schwer zu bekämpfen. Der Jenaer Genetiker Jan Schirawski hat sich auf das Erbgut von Brandpilzen spezialisiert. Er und sein Team wollen herausfinden, warum die einzelnen, genetisch sehr ähnlichen Brandpilz-Stämme bei der Wahl ihrer Wirtspflanze so wählerisch sind. Von seiner Forschung könnte vor allem die Landwirtschaft profitieren.

Plant parasites have always been a plague for farmers. One of the most dangerous parasites are smuts, which preferentially infest food crops such as grain or corn. They attack the inside of plant cells and block the plant's defenses. However, they are very selective when it comes to choosing a host plant and are therefore difficult to control. Jan Schirawski, a geneticist from Jena, has specialized in the genome of smut. He and his team want to find out why the individual, genetically very similar strains of smuts are so choosy when it comes to choosing their host plant. Agriculture in particular could benefit from his research.

 

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen kann sich CureVac über eine millionenschwere Finanzspritze der öffentlichen Hand freuen. Erst im Juni war die Bundesregierung mit 300 Mio. Euro bei dem Tübinger Biotechnologie-Unternehmen als Investor eingestiegen, um die Impfstoffentwicklung gegen den Covid-19-Erreger voranzutreiben. Ein Kredit über 75 Mio. Euro wird nun die InnovFin – Infektionskrankheiten (IDFF) der Europäischen Investitionsbank (EIB) für die Entwicklung und Ausweitung der Impfstoffproduktion zur Verfügung stellen. Die EIB-Finanzierung wird dabei in drei Tranchen von je 25 Mio. Euro ausgezahlt. Weitere Details der Vereinbarung wurden nicht genannt.

Impfstoffentwicklung mit EU-Hilfe

„Wir freuen uns sehr über die EIB-Finanzierung. Damit können wir weiterhin in unsere mRNA-Technologieplattform zur Bekämpfung lebensbedrohlicher Krankheiten investieren", so Pierre Kemula, Chief Financial Officer von CureVac. Er versichert: „Wir arbeiten intensiv an einem sicheren, wirksamen und niedrig dosierten mRNA-Impfstoff gegen SARS-CoV-2."  Im Juni startete CureVac eigenen Angaben zufolge die klinische Phase I-Prüfung des Wirkstoffkandidaten CVnCoV.

Die Tübinger sind auf die Entwicklung von Arzneimitteln und Impfstoffen auf Basis des Nukleinsäuremoleküls Messenger-RNA (mRNA) spezialisiert. Mit dem Geld der EU soll nicht nur die Entwicklung eines Corona-Impfstoffes vorangebracht werden. Einen Teil des Kredits wird CureVac nutzen, um eine vierte, neue Produktionsstätte in Tübingen entsprechend der GMP-Praxis (Good Manufacturing Practice) fertigzustellen. Hier werden künftig Wirkstoffe für zulassungsrelevante klinische Studien und die frühzeitige Markteinführung hergestellt.

Gerüchte um US-Kaufangebot öffentlich dementiert

Auch wenn die Entwicklung eines Corona-Impfstoffes weltweit auf Hochtouren läuft, rechnet die Europäische Zulassungsbehörde EMA frühestens im Herbst 2021 mit einem entsprechenden Vakzin. Gerüchte, wonach die US-Regierung CureVac ein Kaufangebot unterbreitet hat, wurden von Interims-CEO Franz-Werner Haas öffentlich dementiert. CureVac-Hauptaktionär und SAP-Gründer Dietmar Hopp hatte stets betont, Covid-19-Vakzine müssten zur Versorgung aller Menschen dienen.

bb

Omega-3-Fettsäuren sind für den Menschen essenziell. Sie müssen über die Nahrung aufgenommen werden, da der Körper sie nicht in ausreichender Menge produziert. Mikroalgen enthalten wie Fisch große Mengen dieser ungesättigten Fette. In der Lebensmittelindustrie werden sie seit langem als Zusatzstoff eingesetzt. Ein Forscherteam unter Leitung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hat nun untersucht, inwiefern Mikroalgen eine gesunde, aber vor allem umweltfreundlichere Quelle für Omega-3-Fettsäuren sein könnten als Fisch.

Beliebte Fischarten wie Lachs und Forelle werden auch in Deutschland mittlerweile in Aquakulturanlagen gezüchtet, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Vor allem die Aufzucht unter Einsatz von Antibiotika, die damit verbundene Verschmutzung der Gewässer und die Zerstörung von Lebensräumen durch den Bau der Teichanlagen stehen in der Kritik. Mikroalgen hingegen benötigen für die Kultivierung zwar kaum Fläche, jedoch werden viele Algenarten vorwiegend in offenen Teichen in Asien produziert, wo Verunreinigungen ebenfalls ein Risiko darstellen. Aber es gibt auch Mikroalgen, die in geschlossenen Systemen wie in Photobioreaktoren aufgezogen werden können.

Umweltbelastung bei Mikroalgen- und Fischzucht

Doch welche Methode ist umweltfreundlicher? Im Rahmen des Verbundprojekts "Neue Algenarten als nachhaltige Quelle für bioaktive Nährstoffe in der Humanernährung" (NovAL) sind Forscher der MLU mit Partnern dieser Frage nachgegangen. Sie verglichen die Aufzucht von beliebten Speisefischen wie Lachs in Aquakulturanlagen mit der Kultivierung von Mikroalgen in Photobioreaktoren. In der Studie entwickelte das Team ein Modell, um die standortspezifischen Umweltauswirkungen zu bestimmen. "Wir haben so unter anderem die CO2-Bilanz von Nährstoffen aus Mikroalgen und Fisch verglichen. Außerdem haben wir analysiert, wie sehr beide Nahrungsmittelquellen die Versauerung oder zu hohe Nährstoffgehalte in Gewässern begünstigen", erklärt Toni Meier, Leiter des Innovationsbüros nutriCARD an der MLU.

Umwelteffekte bei Mikroalgen geringer

Wie das Team im Fachjournal  Journal of Applied Phycology berichtet, verursachen Mikroalgenzucht und Fischproduktion grundsätzlich vergleichbare Umweltkosten. „Bezieht man jedoch die Umwelteffekte auf die verfügbaren Mengen an Omega-3-Fettsäuren, so schneidet vor allem Fisch aus Aquakultur schlechter ab", so Susann Schade vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU. Lachs und Pangasius, die hierzulande aus Aquakultur stammen, sind demnach mit erheblichen Umweltbelastungen verbunden. Das gleiche gilt für den beliebten Alaska-Seelachs aus Wildfang. Auch er zeige für alle Umweltindikatoren schlechtere Werte als die Mikroalgen.

Das Fazit der Forscher: „Mikroalgen sollen und können Fisch als Nahrungsmittel nicht komplett ersetzen. Aber wenn Mikroalgen sich als Nahrungsmittel etablieren würden, hätten wir eine zusätzliche hervorragende umweltfreundliche Quelle für langkettige Omega-3-Fettsäuren", sagt Meier.

Das Vorhaben NovAL wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. An dem Projekt waren neben der MLU, die Hochschule Anhalt, die Universität Leipzig und die Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt.

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Diese Schritte zeigt das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in einer neuen Studie. Afrika läuft in den allermeisten Entwicklungsindikatoren dem Rest der Welt hinterher. Der Kontinent braucht dringend eigene Ideen, eigene Forschung, eigene Unternehmen, um in möglichst raschen, großen Sprüngen gesellschaftlich und wirtschaftlich voranzukommen. Fortschritte sind insbesondere in drei zentralen Sektoren nötig, die überall auf der Welt die Grundlage für sozioökonomischen Aufstieg waren: Gesundheit, Bildung und Landwirtschaft. Die Studie zeigt Beispiele dafür, dass Regierungen, Initiativen, Sozialunternehmen, kleine und größere Firmen in Afrika längst daran arbeiten, auf diese Weise Wege aus Armut, Perspektivlosigkeit und hohem Bevölkerungswachstum zu finden. „Leapfrogging“ heißt der Fachbegriff für solche Innovationen, die das Leben der Menschen verbessern und dabei ineffiziente, kostspielige und umweltschädliche Zwischenstufen der Entwicklung überspringen. Die Konzepte reichen von einfachen Gesundheitsstationen, die auch in entlegenen Gebieten eine medizinische Basisversorgung bieten, über Online-Lernprogramme für Schüler, die gerade in der Corona-Krise eine enorme Nachfrage erfahren, bis zu Mikroversicherungs-Systemen, die Kleinbauern für wenig Geld gegen wetterbedingte Ernteausfälle absichern.

   

Es ist ein Lichtschalter der besonderen Art, den Biologen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Universität Freiburg gemeinsam mit britischen Partnern für die Pflanzenforschung entwickelt haben: Anders als im Haushalt wird nicht etwa Licht mittels eines Schalters aktiviert, sondern das Licht ist der Schalter, der in Pflanzenzellen bestimmte Gene aktiviert. PULSE heißt die Methode, die die beiden Teams nun im Fachjournal „Nature Methods“ vorgestellt haben.

Lichtbedarf erschwert Optogenetik bei Pflanzen

In der Optogenetik geht es darum, biologische Prozesse mittels Licht zu steuern. Dieses Vorgehen ist in der Forschung bislang vor allem bei Zellen von Säugetieren, Hefen und Bakterien etabliert. Bei Pflanzen ist die Methode bisher selten, weil geeignete optische Schalter fehlen. Der Grund dafür ist einfach: Pflanzen benötigen das Licht für ihr Wachstum, sodass ein lichtabhängiger Schalter permanent eingeschaltet wäre.

Monochromes Rotlicht als Anschalter

Mit den „Plant Usable Light-Switch Elements“ (PULSE) haben die Düsseldorfer und Freiburger Teams nun ein Werkzeug entwickelt, das sich parallel zum natürlichen Tag-Nacht-Zyklus von Pflanzen einsetzen lässt. Es beruht darauf, dass ein sehr schmaler Wellenlängenbereich des roten Lichts als Anschalter dient und das Tageslicht als Ausschalter. Bestrahlen die Forscher die Pflanzenzellen mit dem roten Licht, aktivieren sie ein bestimmtes Gen, das mit dem Schalter gekoppelt wurde. Der blaue Anteil des Tageslichts stoppt die Genaktivität. So lässt sich genau beobachten, wie sich das jeweilige Gen in der Zelle auswirkt.

Biologische Signalnetzwerke verstehen

„PULSE führt die überlegenen Vorteile der Optogenetik in Pflanzen ein“, verspricht Matias Zurbriggen von der Universität Düsseldorf. „Das System ist vollständig reversibel, es erreicht eine hohe Dynamik und zeitliche Auflösung.“ Die Steuerung zellulärer Prozesse mit hoher räumlich-zeitlicher Auflösung helfe, die Dynamik biologischer Signalnetzwerke quantitativ zu verstehen und biotechnologische Anwendungen zu entwickeln.

Stoffwechselprozesse gezielt beeinflussen

Neben Beobachtungen ermöglicht die Methode auch gezielte Eingriffe in den Stoffwechsel der Pflanzen. So ist es den Forschern gelungen, bei der Ackerschmalwand und bei Tabak die Immunantwort der Pflanzen zu verändern. „Das optogenetische Werkzeug erlaubt, die Ausprägung wünschenswerter Eigenschaften bei einer Pflanze quasi zu programmieren“, schildert Rüdiger Simon von der Universität Düsseldorf. Damit könne PULSE das optogenetische Instrumentarium für die Pflanzenforschung erheblich erweitern und es in Zukunft erleichtern, gezielt biologische Prozesse wie Differenzierungs- und Entwicklungsprozesse, Hormonsignalwege und Stressantworten zu untersuchen und zu manipulieren.

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Aufmerksamen Käufern von Pflanzen sind sie in den vergangenen Monaten vielleicht schon aufgefallen, die kleinen Etiketten, die es seit Dezember 2019 gibt: Als Pflanzengesundheitspass sollen sie innerhalb der Europäischen Union die Ausbreitung gefährlicher Schädlinge verhindern und die Rückverfolgbarkeit von Zimmer-, Garten- und Balkonpflanzen, Pflanzenteilen und Saatgut ermöglichen. Für bestimmte Arten ist dieser Pass verpflichtend.

Produzent und Herkunftsland

Sowohl Pflanzen, die den stationären Einzelhandel erreichen, als auch Pflanzen, die über den Versandhandel direkt an Verbraucher geliefert werden, tragen diesen Aufkleber. Zwar richten sich die Informationen darauf an Kontrolleure und Behörden, doch auch Verbraucher können daraus entnehmen, von welchem Produzenten in welchem Herkunftsland das Produkt stammt und wie der botanische Name der Pflanze lautet.

Frei von Schädlingen

Vergeben wird der Pflanzengesundheitspass nur, wenn die jeweilige Pflanze unter pflanzengesundheitlichen Aspekten untersucht und für schädlingsfrei befunden wurde. Insbesondere soll so verhindert werden, dass sich Schädlinge in der Europäischen Union ausbreiten, die hier nicht heimisch sind und entsprechend große Schäden anrichten können. Beispiele dafür sind der Asiatische Laubholzbockkäfer, der gesunde Laubbäume befällt, sowie das Feuerbakterium Xylella fastidiosa, das in Süditalien bereits schwere Schäden im Olivenanbau verursacht.

Schnelle Bekämpfung

Der Pflanzengesundheitspass soll zudem im Falle eine Befalls ermöglichen, weitere Befallsherde schnell zu identifizieren und dadurch frühzeitig zu bekämpfen. Damit ähnelt er dem Pflanzengesundheitszeugnis, das im internationalen Handel zum Einsatz kommt und für Einfuhren in die Europäische Union vorgeschrieben ist.

Schädlinge melden

Wer als Klein- oder Hobbygärtner einen eingeschleppten Schädling entdeckt, sollte dies dem zuständigen Pflanzenschutzdienst seines Bundeslandes melden. Informationen dazu gibt es beim Julius-Kühn-Institut, das außerdem darüber informiert, worauf beim Onlinekauf von Pflanzen zu achten ist. Denn gerade dort werden immer wieder Pflanzen rechtswidrig ohne Pflanzengesundheitszeugnis oder Pflanzengesundheitspass angeboten.

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