Der Sojabohne ein Gesicht geben
Martin MierschBeruf:
Agraringenieur
Position:
Leiter des Landwirtschaftlichen Zentrums für Sojaanbau und Entwicklung der Life Food GmbH / Taifun-Tofuprodukte
Beruf:
Agraringenieur
Position:
Leiter des Landwirtschaftlichen Zentrums für Sojaanbau und Entwicklung der Life Food GmbH / Taifun-Tofuprodukte
Martin Miersch will den Sojaanbau in Deutschland vorantreiben. Beim Bio-Tofu-Hersteller Taifun ist der Agraringenieur auf der Suche nach der optimalen Tofu-Bohne.
Für Vegetarier und Veganer ist die Sojabohne seit langem eine Alternative zu eiweißhaltigen Tierprodukten. Ob als frische Kost oder verarbeitet zu Sojamilch und Tofu – die Jahrtausende alte Nutzpflanze hat inzwischen ihren festen Platz im Supermarkt gefunden. Doch bis heute ist die aus Ostasien stammende Hülsenfrucht hierzulande ein Nischenprodukt auf dem Acker. Das Gros der Sojapflanzen aus Deutschland wird zu Tierfutter verarbeitet. Sojaexperte Martin Miersch ist überzeugt: „Wenn wir über nachhaltige Welternährung sprechen, dürfen wir Sojapflanzen nicht nur an die Tiere verfüttern.“ Der Agraringenieur hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, der Sojabohne in Deutschland „ein Gesicht“ zu geben und hierzulande Biolandwirte für den Anbau zu gewinnen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hat der Entwicklungsleiter beim Sojahersteller Taifun ein Züchtungsvorhaben der besonderen Art aufgesetzt, in dem Unternehmensexperten, Pflanzenforscher und Bürger Hand in Hand zusammenarbeiten: das „1000-Gärten-Projekt“.
Schon als Jugendlicher überraschte der Wolfsburger seine Eltern mit der Begeisterung für den heimischen Garten und nahm beim Schülerpraktikum gezielt Landwirtschaftsbetriebe ins Visier. „Der Ökolandbau kam gerade auf. Bücher von John Seymour haben mich fasziniert und inspiriert“, erinnert sich Miersch. Doch als Sohn eines Ingenieurs, der beim Automobilkonzern Volkswagen gearbeitet hat, fühlte er sich zunächst der Familientradition verpflichtet und studierte vier Semester Physik in Braunschweig, bevor er sich der „alten wahren Liebe, der Landwirtschaft“, wie er sagt, zuwandte. Nach einer zweijährigen Ausbildung zum Landwirt auf Biobetrieben studierte Miersch schließlich Anfang der 90er Jahre vier Jahre Agrarwissenschaften an der Universität Kiel.
Faszination des Unbekannten
Seine erste praktische Erfahrung sammelte der Berufsanfänger im Anschluss beim damaligen Institut für umweltgerechte Landbewirtschaftung in Müllheim/Baden. Hier untersuchte er, wie durch ökologische Landwirtschaft das Trinkwasser geschützt werden kann. Er arbeitete eng mit Biolandwirten zusammen und kam erstmals mit Sojaversuchen in Kontakt. „Ich hatte als junger Agraringenieur plötzlich mit einer Kultur zu tun, die in Deutschland noch nicht etabliert war, aber etabliert werden könnte. Das war natürlich viel spannender, als den Weizen- und Gerstenanbau weiter zu optimieren“, erinnert sich Miersch. Seine Begeisterung für die Leguminosen wurde geweckt und ließ ihn nicht mehr los. Er wurde Mitglied im Deutschen Sojaförderring und trat als Berater auf, um Biolandwirte beim heimischen Sojaanbau zu begleiten und neue Partner zu gewinnen. 1997 wurde so der Bio-Tofu-Hersteller Taifun auf den engagierten Soja-Experten aufmerksam. Fast drei Jahre war er für das Freiburger Unternehmen als externer Berater tätig. Dann wechselte er direkt in die Firma. Seit 2000 leitet Martin Miersch das Soja-Entwicklungszentrum der Life Food GmbH/Taifun Tofuprodukte.
Neue Regionen für den Sojaanbau erschließen
An Arbeit mangelt es hier nicht: Zwar gibt es in Deutschland bereits seit Jahren Landwirte, die nachhaltiges Soja anbauen. Im Jahr 2015 wurden über 17.000 Hektar bundesweit mit Soja bewirtschaftet. Vor allem in den südlichen Regionen wie am Rhein gedeiht die Hülsenfrucht sehr gut. Doch die Nachfrage ist viel größer als das hiesige Angebot hergeben würde. 99% des bundesweiten Sojabedarfs werden noch immer importiert. Ein Großteil stammt dabei aus Südamerika, wo die Pflanze in riesigen Monokulturen und zulasten von Regenwäldern kultiviert wird. Miersch: „Wir wollen auch abseits der Sojaregionen wachsen und die Pflanze beispielsweise in Norddeutschland bei kälteren Temperaturen anbauen. Bisher fehlten dafür aber entsprechend angepasste Sorten.“
Sojaanbau in "1000-Gärten"
Als Leiter des Landwirtschaftlichen Zentrums für Sojaanbau und Entwicklung sucht Miersch seit nunmehr 16 Jahren nach der optimalen Tofu-Bohne. „In meinen Garten stehen schon lange die vielversprechendsten Kreuzungen“, berichtet der Forscher. Doch um herauszufinden, welche Sorte in welcher Region am besten wächst und gedeiht, hat der Tofu-Hersteller Taifun unter Leitung von Miersch gemeinsam mit Pflanzenzüchtern der Universität Hohenheim das „1000-Gärten-Projekt“ aufgesetzt. Es ist ein Großversuch, den es so in Deutschland noch nicht gegeben hat (siehe Kasten) 2.400 Hobbygärtner, Profigärtner und Landwirte von der Nordsee bis zum Alpenrand haben sich 2016 daran beteiligt, um im eigenen Garten Soja anzubauen. Insgesamt 1.700 Sojastämme standen für das Experiment zur Verfügung, wobei jeder Gärtner jeweils zwölf verschiedene Sojastämme zur Aussaat bekam.
Große Resonanz auf Sojaexperiment
Dabei sollten sie die Entwicklung der Pflanzen vom Anbau bis zur Ernte beobachten und ihre Ergebnisse an Miersch und seine Projektpartner von der Universität Hohenheim melden. Es ist eine Züchtungsforschung, die ohne gentechnische Veränderungen im Labor auskommt: Über die phänotypische Beobachtung der Merkmale sollen die besten Stämme gefunden werden, die dann wiederum als Basis für die weitere Züchtungsarbeit dienen können. „Die Resonanz hat uns überwältigt. Es gab Leute, die Teile ihres Zierrasens umgebrochen haben, weil sie das Projekt wichtig fanden. Das war schon berührend“, berichtet Miersch, dessen eigene Familie bei diesem Soja-Experiment natürlich auch mit an Bord war.
1000 Gärten
Mit Hilfe von Hobbygärtnern, Profi-Gärtnern und Landwirten werden unterschiedliche Soja-Stämme und -Sorten an möglichst vielen verschiedenen Standorten angebaut und die Ergebnisse anschließend wissenschaftlich ausgewertet. Das Projekt "1000 Gärten" wird gemeinsam vom Tofu-Hersteller Taifun sowie der Universität Hohenheim durchgeführt.
Die ideale Tofu-Sojabohne finden
Die Ziele des „1000-Gärten-Projekts“ sind hoch gesteckt: Die Hoffnung ist, solche Sorten zu finden, die nicht nur kältetolerant sind und früher reifen, sondern auch den hohen Anforderungen der Tofuhersteller genügen. „Die ideale Sojabohne sollte zwischen 43-45% Rohprotein in der Trockensubstanz haben. Aus ihr sollte sich viel Tofu mit einer gewissen Festigkeit und ohne bohnigen Geschmack produzieren lassen“, zählt Miersch die wünschenswerten Eigenschaften der idealen Sojasorte auf.
Sojaanbau in Deutschland klappt
Inzwischen wurde die Ernte der Hobbygärtner in den Laboren der Universität Hohenheim analysiert. Obwohl das Projekt noch nicht beendet ist, steht schon jetzt fest: „Der Sojaanbau in Deutschland funktioniert in fast allen Regionen – bis auf Gebiete in extremen Höhenlagen. Wir haben für jede Region in Deutschland passende Sojakreuzungen gefunden“, so Miersch. Ob sich die Sojastämme für die Tofu-Produktion eignen, müssen nun allerdings noch weitere Tests zeigen. „Die vielversprechendsten Kreuzungen werden zunächst im Tofulabor geprüft und anschließend von der Uni nochmals angebaut, um zu schauen, ob sie auch halten, was sie versprechen.“
Interesse für Soja wächst
Bis dabei die optimale Sojabohne gefunden ist, wird noch etwas Zeit vergehen. Gleichzeitig glaubt Miersch, dass es noch weiterer Mitstreiter bedarf, um den Sojaanbau in Deutschland auch auf breiter Basis zu etablieren. „Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Firmen dazu bekennen, Soja aus der Region zu beziehen und dass man sich zusammentut, um dieses zarte Pflänzchen ‚Sojaanbau in Deutschland’ stärker zu forcieren“. Der Soja-Experte ist jedoch zuversichtlich, nach Abschluss des „1000-Gärten-Projektes“ den Vertragsanbau mit Soja hierzulande massiv ausbauen zu können. „Wir bekommen bei Taifun beinah täglich Anfragen. Das Interesse der Landwirte ist da.“
Autorin: Beatrix Boldt