Bauen mit Pilzen
Dirk HebelBeruf
Architekt
Position
Professor für Nachhaltiges Bauen an der Fakultät Architektur am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Beruf
Architekt
Position
Professor für Nachhaltiges Bauen an der Fakultät Architektur am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Dirk Hebel nutzt ungewöhnliche Baumaterialien wie Pilzfäden, Bambus oder Abfall. Erst kürzlich führte ihn seine Arbeit wieder nach Deutschland, wo er sich für ein Umdenken in der Baubranche einsetzt.
Die Gebäude der Zukunft sollen nicht nur standhaft und äußerlich ansprechend sein, sondern auch aus möglichst nachhaltigen Materialien errichtet werden, die anschließend nicht als Abfall enden, sondern in einem Stoffkreislauf weiterverwertet werden können. Das ist zumindest der Anspruch und Ansporn des Karlsruher Architekten Dirk Hebel, der an der Züricher ETH und der Princeton University in den USA studiert hat. In Afrika hat er das „Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction and City Development“ mitgegründet und lehrt mittlerweile am KIT. Seine Spezialität sind kultivierte, also gezüchtete und biobasierte Baumaterialien wie Pilzmycel oder Bambus.
Wie kam es dazu, dass Sie statt mit herkömmlichen Baumaterialien mit Pilzmycel, Bambus oder Abfall arbeiten?
Unsere Gesellschaft steht vor einem enormen Umbruch. Wollen wir allen jetzigen und zukünftigen Menschen auf diesem Planeten die gleichen Lebensbedingungen und Chancen bereitstellen, müssen wir einen Paradigmenwechsel einleiten. Die Bauindustrie des 19. und 20. Jahrhunderts beruhte zu großen Teilen auf der Ausbeutung von mineralischen und metallischen Verbindungen in unserer Erdkruste. Diese Ressourcen gehen jedoch rapide zur Neige, darum brauchen wir regenerative, nachwachsende Alternativen. Der Begriff „Abfall“ ist eine Erfindung der Industrialisierung und unseres gesellschaftlichen Modells. Auch Gebrauchsgegenstände können regenerativ sein, in dem wir sie aus einem linearen Modell an dessen Ende das Wegwerfen steht, in einen Kreislauf bringen, der Material nie als Abfall, sondern immer als Ressource sieht. Die Stadt der Zukunft benutzt sich vielleicht schon bald selbst als Material und Energiequelle.
Welche Eigenschaften müssen „alternative Materialien“ unbedingt mitbringen, damit sie als Baumaterialien geeignet sind?
Verschiedene Materialien haben verschiedene Eigenschaften. Das besondere und faszinierende an kultivierten Baumaterialien ist jedoch die Möglichkeit ihre Eigenschaften je nach Kultivierungsbedingungen so einzustellen und wachsen zu lassen, dass ganz unterschiedliche Anwendungen möglich sind. So kann ein Myceliummaterial entweder als Isolation oder als Baustein dienen, je nachdem wie es kultiviert wurde.
Sie konnten auch schon international viele Erfahrungen sammeln. Wie weit ist die internationale Entwicklung bereits gekommen?
Sicherlich haben hier sich entwickelnde Regionen einen großen Vorteil: sie können ganze technologische Entwicklungsstadien überspringen. So gab es in Afrika nie ein ausgeprägtes Telefonfestnetz, sondern man sprang sofort zur Mobilfunktechnologie, die mittlerweile auch dezentrale Energieversorgungen nach sich zieht. Dies ist extrem interessant und auch für die Ressourcenfrage anwendbar. So können beispielsweise kultivierte Baumaterialien auch in kleinen dezentralen Manufakturen produziert werden.
Wie ließe sich in Deutschland ein Umdenken hin zu einer insgesamt nachhaltigeren Bauweise/ Bauindustrie antreiben?
Wir sollten vielmehr den ganzen Lebenszyklus unserer Gebäude betrachten: wie stehen mir die Materialien nach der Nutzung wieder sortenrein zur Verfügung, welche Konstruktionsmethoden müssen dafür zur Anwendung kommen? Zusammen mit Werner Sobek haben wir gerade erst das Pilotprojekt „Urban Mining and Recycling“ in der Schweiz eröffnet, bei dem wir eine komplette Wohneinheit nach dieser Prämisse geplant und gebaut haben. Es braucht ein Umdenken, etwas mehr Planung und Sensibilität für Materialien und vor allem eine kritische Hinterfragung: ist das Material wiederverwendbar oder wiederverwertbar? Wie kann ich dies gewährleisten? Wir haben daher keine Kleber, Schäume, Lackierungen, chemische Veredelungen oder Kompositmaterialien benutzt, da diese die Sortenreinheit zu Nichte machen und die Materialien dem Kreislauf anschließend nicht mehr zur Verfügung stünden. Dies versuchen wir auch in der Lehre zu platzieren und dieses vorrausschauende Planen in den Köpfen junger Architekten und Ingenieure zu verankern.
Haben Sie ein Lieblingsmaterial und wenn ja, warum gerade dieses?
Mein Herz schlägt im Moment in der Tat für Mycelium gebundene Materialien, da hier auch in Verbindung mit digitalen Fabrikationstechniken ein unglaubliches Potenzial vorhanden ist. Allgemein sehe ich den Ansatz für eine Industrie 4.0 unbedingt auch in Verbindung mit biologischen Prozessen und nicht nur rein digitaltechnisch.
Mit welchem Bauprojekt beschäftigen Sie sich gerade?
Im Moment arbeiten wir gerade an einem Pavillon für die Bundesgartenschau in Heilbronn 2019. Hier zeigen wir, wie nachhaltige und kreislaufgerechte Architektur vor allem eines sein kann: spektakulär und schön.
Interview: Judith Reichel