In Chile gibt es verschiedene politische Initiativen, die Bioökonomie-relevante Themen aufgreifen. Eine dezidierte nationale Bioökonomiepolitikstrategie, die diese Initiativen bündelt, gibt es bisher jedoch nicht.
Im Jahr 2009 unterzeichnete Chile die OECD-Erklärung über grünes Wachstum. Damit bekannte sich das Land dazu, politische Reformen einzuleiten und zukünftig Praktiken zu vermeiden, die grünes Wachstum behindern könnten, wie zum Beispiel die weitere Subventionierung fossiler Brennstoffe. Vier Jahre später verabschiedete die chilenische Regierung eine Nationale Strategie für grünes Wachstum, mit dem Ziel, die Entwicklung eines Marktes für Umweltgüter und -dienstleistungen voranzutreiben sowie umweltfreundliche Innovationen und grüne Arbeitsplätze zu fördern.
Traditionell ist die chilenische Wissenschafts- und Technologiepolitik vor allem durch die Entwicklung, Einrichtung und Koordination von Fonds und Programmen zur Innovationsförderung gekennzeichnet. Erst mit der Neuausrichtung 2005 wurde damit begonnen, thematische Bereiche zu definieren und vermehrt auch politische Strategien auszuarbeiten. Seither wurden drei nationale Innovationsstrategien ausgearbeitet (2008, 2012, 2020).
Im Jahr 2017 wurde die Agentur für Nachhaltigkeit und Klimawandel (ASCC) gegründet, um die wirtschaftliche Umstrukturierung Chiles hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft mit höherer Ressourceneffizienz und besseren Anpassungsfähigkeiten an neue Umweltbedingungen zu fördern. Die Agentur arbeitet an verschiedenen Bioökonomie-relevanten Themen. Das Arbeitsprogramm sieht bis 2030 unter anderem die Schwerpunkte Forst- und Landwirtschaft, Aquakultur, Verkehr, Wasserressourcen, Abfall und Städte vor.
Mit dem unter der Regierung Piñera eingeführten Reformprozesses des chilenischen Forschungs- und Innovationssystems liegt die Verantwortung seit 2018 bei dem neu gegründeten Ministerium für Wissenschaft, Technologie, Wissen und Innovation (CTCI) und der Nationalen Agentur für Forschung und Entwicklung (ANID). Zusammen mit ANID ist die chilenische Wirtschaftsförderbehörde CORFO (Corporación de Fomento de la Producción) der Treiber für Bioökonomie-relevante Entwicklungen im Land. Ihr stehen verschiedene Fonds zur Verfügung, um Innovationen, Entrepreneurship und technologische Entwicklungen im Bereich der naturbasierten Lösungen zu fördern, etwa das ökologische Bauen.
Biotechnologie
Im Jahr 2015 rief die chilenische Regierung die strategische Entwicklungsinitiative für die Biotechnologie ins Leben. Die öffentlich-private Partnerschaft mündete in die von CORFO 2018 vorgestellte Biotechnologiestrategie 2030, deren Hauptziel es ist, Chile als Drehscheibe für die Entwicklung der angewandten Biotechnologie zu positionieren. Die Strategie sieht vor, günstige Rahmenbedingungen für die Biotechnologie-Entwicklung im Land zu schaffen, entsprechend Infrastrukturen und Humankapital bereitzustellen sowie Innovationen und Investitionen in Biotech-Unternehmen zu fördern.
Auch die zuletzt veröffentlichte Nationale Strategie für Wissenschaft, Technologie, Wissen und Innovation (2020) hebt die Biotechnologie als Treiber für eine technologiegestützte Entwicklung des Landes hervor.
Mit dem Startup Ciencia Programm zielen das chilenische Wissenschaftsministerium, CORFO und ANID darauf ab, die wissensbasierte Wirtschaft in Chile zu stärken, indem junge wissens- und technologiebasierte Unternehmen gefördert werden. Finanzierungs-, Mentoring- und Netzwerkmöglichkeiten sollen dazu beitragen, ein entsprechendes Innovationssystem aufzubauen. 2022 eröffnete das Programm die Ausschreibungsrunde mit einem Fördervolumen von 7,35 Mio. US-Dollar. Gefördert werden unter anderem Start-ups in den Bereichen Biotechnologie, Künstliche Intelligenz, Energie, Werkstoffe und neue Materialien sowie biomedizinische und pharmazeutische Technologien.
Holzbau
Eine Schlüsselrolle in der chilenischen Bioökonomie-Entwicklung spielt auch der Holzbau. In einem strategischen Arbeitsprogramm weist CORFO 2018 auf die Rolle des Holzbaus für mehr Nachhaltigkeit in der Fertigung hin. Vor allem aus der Verbindung mit neuen Technologien wie der 3D-Modellierung, der Robotik und der VR-Technologie würden sich neue Geschäftsmöglichkeiten für chilenische Unternehmen ergeben.
Kreislaufwirtschaft
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft hat in den vergangenen Jahren verstärkt in der chilenischen Politik Eingang gefunden. Mit dem vom Umweltministerium initiierten Fahrplan zur Kreislaufwirtschaft 2040 soll der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft gestaltet werden. Ziel ist eine nachhaltige und gerechte, partizipative Entwicklung des Landes, in der natürliche Ressourcen verantwortungsvoll und effizient genutzt sowie nachhaltige Produktionsweisen und Konsummuster gefördert werden. Im Papier wird deutlich gemacht, dass die Vision der Kreislaufwirtschaft für Chile weit über das „einfache“ Recycling hinausgeht. Stattdessen wird der gesamte Lebenszyklus von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen systemisch betrachtet, um nachhaltigere Produktions- und Ressourcenmanagement-Systeme zu etablieren. Im Fokus stehen dabei auch der Schutz biologischer Kreisläufe und damit verbundene Regenerationsstrategien, um die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen zu stärken.
In diesem Jahr tritt das bereits 2016 erlassene Gesetz zur erweiterten Produzentenverantwortung (LeyREP) in Kraft. Es zielt darauf ab, die Abfallerzeugung zu verringern und die Wiederverwendung im Land zu fördern. Dabei geht es der chilenischen Regierung um die Veränderung des Konsumverhaltens generell und die Verinnerlichung des Prinzips, Reststoffe im Kreislauf weiterzuführen. Nach dem Verursacherprinzip legt das Gesetz fest, dass ein Unternehmen, das Abfälle erzeugt, für diese verantwortlich ist und die mit der Abfallbewirtschaftung verbundenen Kosten und negativen externen Effekte internalisieren muss.
Grüner Wasserstoff
Chile unternimmt auf politischer Ebene zudem wesentliche Schritte, um eine führende Rolle in der globalen Wasserstoffindustrie einzunehmen und sich als Vorreiter in Lateinamerika und der Welt zu positionieren. Als strategische Leitplanke veröffentlichte die Regierung dafür im Jahr 2020 eine grüne Wasserstoffstrategie. Mit dem Ausbau der im Land reichlich vorhandenen erneuerbaren Energien – vor allem Wind- und Sonne – soll es gelingen, bis 2030 den weltweit günstigsten grünen Wasserstoff zu erzeugen und so das Exportgeschäft drastisch zu stärken. Bis 2050 soll Chile zu den drei weltgrößten Exporteuren für grünen Wasserstoff gehören. Nach einer ersten internationalen Ausschreibungsrunde für staatlich geförderte Wasserstoffprojekte gab die Regierung sechs Projekte bekannt, die gemeinsam einen Investitionswert von 1 Mrd. US-Dollar haben und bis Ende 2025 in Betrieb genommen werden sollen. Im Zusammenhang mit der forcierten Wasserstoffproduktion soll auch der Ausbau von Folgeprodukten gefördert werden. Die Regierung sieht dabei vor, dass sich Chile auch als Zulieferer etabliert, zum Beispiel von grünem Ammoniak für die internationale Düngemittelproduktion.
Regionale Bioökonomieentwicklung
Auch in Chiles Regionen gewinnt die Bioökonomie immer mehr an Bedeutung. Unter der Schirmherrschaft der Europäischen Kommission diskutierten Ende Januar 2022 zum Beispiel regionale und internationale Experten bei der Veranstaltung "Circular Economy Meeting Bioeconomy: a strategy for green and circular growth for the Los Lagos Region" über die Chancen und Herausforderungen für die Umsetzung der Bioökonomie in der Region Los Lagos. Auch die Region Los Rios will eine Innovationsstrategie entwickeln, um die regionale Bioökonomie weiterzuentwickeln.
Internationale Zusammenarbeit
Die chilenische Regierung fördert gezielt die internationale Zusammenarbeit im Bereich Bioökonomie. 2016 unterzeichnete sie dazu eine Absichtserklärung mit Finnland, um den Wissens- und Informationsaustausch zur nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen zu fördern, die Zusammenarbeit im Forstbereich zu stärken und die Handelsbeziehungen der beiden Länder weiter auszubauen.
Bilaterale Forschungskooperationen bestehen auch zwischen dem chilenischen Forschungsrat CONICYT und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Schwerpunkte der Bekanntmachung von 2015 lagen unter anderem auf der nachhaltigen Nutzung von Naturressourcen; Biotechnologie und Bioökonomie. Im Bereich der Bioökonomie konzentrierte sich die Förderung auf die nachhaltige Gestaltung der Agrarproduktion, die Produktion gesunder und sicherer Lebensmittel und die industrielle Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Auch im Rahmen der BMBF-Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ wurden Forschungsverbünde zur Bioökonomie in Chile gefördert.
Eine neue Regierung mit ambitionierten Zielen
2019 gingen 1,5 Millionen Menschen in Chile auf die Straßen, um gegen die sozialen Ungleichheiten im Land und für das Ende der neoliberalen Agenda zu protestieren, die auf die noch gültige Magna Charta aus der Zeit der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet zurückzuführen ist. Nach monatelangen Protesten stimmte die chilenische Bevölkerung schließlich im Oktober 2020 bei einem Referendum mit großer Mehrheit über eine neu auszuarbeitende Verfassung ab. Nur selten bekommen ein Land und seine Bevölkerung die Chance, ihre Ideale als Nation zu formulieren und eine neue Verfassung auszuarbeiten.
Nachdem 154 gewählte Mitglieder des Verfassungskonvents damit beauftragt wurden, eine neue Magna Charta auszuarbeiten, wurde Mitte Mai 2022 ein Entwurf mit 499 Artikeln vorgelegt. Die Nation wird Anfang September 2022 über diesen Verfassungsentwurf abstimmen. Neben verschärften Umweltschutzmaßnahmen erkennt der Entwurf auch die Klimakrise als eine Folge menschlichen Handelns an und verpflichtet die Regierung, Maßnahmen zur Anpassung und Bewältigung des Klimawandels zu fördern. Im Mai 2022 unterzeichnete der chilenische Präsident Gabriel Boric zudem ein neues Klimagesetz, in dem die Notwendigkeit der Emissionsreduzierung und das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 festgeschrieben sind.
Die chilenische Wirtschaft profitiert seit vielen Jahren vom enormen Reichtum des Landes an natürlichen Ressourcen. Chile beherbergt die größten Kupferreserven der Welt und verfügt über beträchtliche Wald- und Fischereiressourcen. Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen Chiles gehören daher der Bergbau, die Fischereiwirtschaft (einschließlich Aquakultur), die Forst- und die Landwirtschaft. Letztere umfasst vor allem die Sonderkulturen Obst- und Wein sowie die traditionelle Acker- und Viehwirtschaft.
Land- und Forstwirtschaft
Die guten geografischen und klimatischen Bedingungen des Landes sowie die liberale Handelspolitik der Regierung haben dazu beigetragen, dass Chile zu einem weltweit bedeutenden Erzeuger von Agrar- und Lebensmittelprodukten wie Obst, Gemüse, Milchprodukten, Geflügel, Schweinefleisch und Wein geworden ist. Chile gehört außerdem mit einer Anbaufläche von 25.000 Hektar zu den weltgrößten Lupinenerzeugern. Zudem zählt das Land zu den größten Saatgutproduzenten der Welt. Für die Erzeugung von Saatgut darf gentechnisch verändertes Pflanzenmaterial verwendet werden, ansonsten ist dies in Chile untersagt.
Die ökologische Landwirtschaft in Chile hat sich seit dem Jahr 2000 dynamisch entwickelt. Diverse Handelsabkommen eröffnen die Möglichkeit für schnelle Zertifizierungen, beispielsweise für Bioprodukte, und begünstigen den schnellen Transport ins Ausland. Die wichtigste Nutzungsform beim Ökolandbau ist der Obstanbau mit einem Anteil von 63 % an der gesamten zertifizierten Anbaufläche. Chile ist der größte Fruchtexporteur der Südhalbkugel. Als Antwort auf die gestiegenen Anforderungen in den Zielmärkten der chilenischen Fruchtexporte beschäftigen sich Unternehmen und Universitäten zunehmend mit der Erforschung und Entwicklung biobasierter und biologisch abbaubarer Verpackungsmaterialien.
Ein weiteres wichtiges Standbein der chilenischen Wirtschaft ist die Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche von 756.000 Quadratkilometern, was in etwa der doppelten Fläche Deutschlands entspricht, sind etwa 20 % bewaldet. Die chilenische Forstwirtschaft ist außerordentlich exportorientiert. Zu ihren wichtigsten Exportprodukten zählt Cellulose. Aber auch verarbeitetes Holz, Schnittholz und Hackschnitzel sind für den Export von Bedeutung.
Kreislaufwirtschaft
Im Rahmen der politischen Entwicklung haben sich in den vergangenen Jahren auch immer mehr Unternehmen der Kreislaufwirtschaft angenommen. So sind diverse Unternehmensgründungen in diesem Wirtschaftsbereich zu verzeichnen. Eines der bereits etablierteren Unternehmen ist Aguas Andinas. Das staatliche Unternehmen ist für die Trink- und Abwasserversorgung des größten Teils der Stadt Santiago de Chile verantwortlich und entwickelte in den vergangenen Jahren ein groß angelegtes Verfahren zur Umwandlung von Kläranlagen in sogenannte Biofabriken (biofactorias). Ziel sei es, keine CO2-Emissionen mehr zu verursachen, keine fossilen Energien mehr zu verbrauchen und die Umwelt nicht weiter zu belasten. Die Entwicklung der Biofabriken beinhaltet die Umsetzung von verschiedenen Projekten. Dazu zählen beispielsweise die Methanisierung von Biogas für die Verwendung in privaten Haushalten oder Fahrzeugen und die Rückgewinnung von Nährstoffen (zum Beispiel Phosphor) aus Klärschlamm, die als Düngemittel für landwirtschaftliche Zwecke wiederverwendet werden können.
Biotechnologie – ein aufstrebender Markt
Neben diesen Wirtschaftssektoren ist der Biotechnologie-Sektor ein aufstrebender Markt in Chile. Nach Angaben des chilenischen Verbands für Biotechnologie (ASEMBIO) wächst der Sektor jährlich um rund 30 %. Attraktiv machen den Sektor vor allem die diversen Unterstützungsangebote der chilenischen Regierung, die etwa mit steuerlichen Anreizen für F&E-Prozesse die Entwicklung biotechnologischer Unternehmen in Chile fördert.
Die Biotech-Branche in Chile besteht vor allem aus kleinen und mittleren Unternehmen und Start-ups, die Dienstleistungen für verschiedene Wirtschaftssektoren anbieten, wie den Gesundheitssektor, die Land- und Fischwirtschaft, die Lebensmittelwirtschaft oder den Bergbau. Ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich Biomining ist die BioSigma S.A. Das Unternehmen bringt Fortschritte in der Biotechnologie (Genomik, Proteomik und Bioinformatik) in den Bergbau ein, mit dem Ziel, den Bergbau-Betrieb durch ökologisch nachhaltige Technologien aufzuwerten. Biosigma wurde im Rahmen des Genoma Chile-Programms gegründet, welches 2001 durch FONDEF und CORFO mit dem Ziel aufgesetzt wurde, Chile durch die Förderung öffentlich-privater Partnerschaften systematisch in die weltweite Marktentwicklung der Genomik, Proteomik und Bioinformatik einzubinden.
Zu den Start-ups, die sich mithilfe der StartupChile- und StartupCencia-Programme zu namenhaften chilenischen Unternehmungen entwickelt haben, zählt Protera. Das KI-Start-up hat es sich zur Aufgabe gemacht Lebensmittel länger haltbar zu machen, Lebensmittelverschwendungen zu verringern und die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen. Dazu hat das Unternehmen eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, Millionen von Aminosäure-Kombinationen zu prüfen und Proteinmuster in Sekundenschnelle zu simulieren. Das Unternehmen kann daher mit hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit Proteine entwerfen, die als gesunde und nachhaltige Zutaten dienen.
Auch NotCo – The Not Company widmet sich der Zukunft der Ernährung. NotCo entwickelt und produziert vegane Alternativen zu bereits bestehenden Lebensmitteln und Getränken. Die Firma zog in jüngster Zeit viel Aufmerksamkeit auf sich: wegen ihrer Expansion nach Argentinien, Gerüchten über die Entwicklung eines veganen Fleischimitats, der exklusiven Partnerschaft mit der brasilianischen Supermarktkette Grupo Pão de Açúcar und nicht zuletzt der 30 Mio. US-Dollar-Investitionen durch Bezos Expenditions . Der Erfolg des Unternehmens ist vor allem auf seinen Algorithmus „Giuseppe" zurückzuführen. Die KI-Technologie identifiziert die molekulare Struktur bestimmter Lebensmittel durch maschinelles Lernen. Mit seinem Algorithmus ist das Start-up in der Lage, pflanzliche Alternativen zu tierischen Zutaten zu identifizieren. Zur bisherigen Produktpalette gehören die NotMayo, die NotMilk und NotIceCreme.
Das im Süden Chiles ansässige Biotechnologieunternehmen Kura Biotech wurde ursprünglich gegründet, um innovative Lösungen für die Verwertung der in der Lachsproduktion anfallenden Reststoffe und Abfälle zu finden. Dafür hat es sich auf Biokatalyse spezialisiert. Heute gehört das Unternehmen zu einem der größten Hersteller für Enzymreagenzien zum Nachweis von Arzneimitteln. Seit Pandemiebeginn nutzte Kura sein wissenschaftliches Know-how und entwickelte Kits für den Nachweis und die Diagnose von COVID-19.
Der Förderung der Biotechnologie und der Bioökonomie in Lateinamerika widmet sich die gemeinnützige Organisation ALLBIOTECH. Sie bringt junge Führungskräfte und Akteure der Branchen zusammen. Erstmals gelang das 2017, als mit der Unterstützung von CORFO und FIA Chile der erste Gipfel der Initiative in Chile stattfand.
Wichtige Forschungsstandorte in Chile sind neben der Hauptstadt Santiago die Städte Concepción und Temucu in Zentralchile. Im Bereich der angewandten Forschung und Entwicklung gibt es zahlreiche Initiativen in den verschiedenen Anwendungsgebieten der Bioökonomie.
Das Zentrum für Technologieentwicklung (UDT) der Universität von Concepción (UdeC) ist eines von 16 nationalen Exzellenzforschungszentren in Chile. Es arbeitet schwerpunktmäßig an bioökonomischen Themen und entwickelt zum Beispiel Technologien zur Verwertung von Reststoffen und Nebenprodukten aus der Land- und Forstwirtschaft, um biobasierte Materialien, Biokraftstoffe, Biokunststoffe, Bioklebstoffe, industrielle Zusatzstoffe und Feinchemikalien herzustellen. Charakteristisch für die Arbeit des Zentrums ist seine Nähe zu Unternehmen, welche es ermöglicht, Projektergebnisse aus dem Labor zu Pilot- und Demonstrationsanlagen bis hin zur industriellen Anwendung zu skalieren. Das UDT arbeitet mit rund 50 Partnerunternehmen zusammen, die damit begonnen haben, für die aus Biomasse hergestellten Produkte Tests unter realen Einsatzbedingungen durchzuführen und die Machbarkeit ihrer Markteinführung zu bewerten. Zu diesen Produkten gehören zum Beispiel biologisch abbaubare und bioaktive Produkte auf der Grundlage von Algen, Mikro- und Nanofibrillen aus Zellulose sowie Fasern aus Kiefernrinde.
Ein Schwerpunkt der Universität von Frontera (UFRO) liegt auf der Erforschung biobasierter Produkte und neuer Materialien. Die Universität beherbergt zudem das Zentrum für die Entwicklung und Förderung von Bioressourcen (BIOREN-URFO). Die Einrichtung verbindet die Fakultäten für Medizin, Ingenieur- und Naturwissenschaften sowie Agrar- und Forstwissenschaften und bringt diese in verschiedenen, multidisziplinären Forschungszentren im Bereich der Lebensmittelproduktion, der ökologischen Nachhaltigkeit und der menschlichen Gesundheit zusammen.
Um den gegenwärtigen industriellen Herausforderungen zu begegnen, verfolgt das Zentrum für Systembiotechnologie (CSB-UNAB) einen systemischen Ansatz in der angewandten Biotechnologie-Forschung. So soll die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionssektors mit Blick auf Nachhaltigkeit und technologische Innovationen gesteigert werden. Das Zentrum wurde im Januar 2022 in die naturwissenschaftliche Fakultät der privaten Universität Andrés Bello (UNAB) integriert, nachdem es mehr als zehn Jahre lang als internationales Exzellenzzentrum bei Fraunhofer Chile bestanden hatte. Es arbeitet auf den Gebieten Landwirtschaft, Inhaltsstoffe und Lebensmittel, Aquakultur und industrielle Nachhaltigkeit.
Mit dem Nationalen Exzellenzzentrum für die Holzindustrie (CENAMAD) wurde 2021 im Rahmen eines Förderwettbewerbs der Nationalen Agentur für Forschung und Entwicklung (ANID) ein Forschungszentrum gegründet, das wissenschaftliche Spitzenleistungen im Bereich Forsttechnik, Holzbau und der Entwicklung von biobasierten Materialien fördern soll. Hier werden akademische, öffentliche und private Einrichtungen zusammengebracht, um die Spitzenforschung in der holz-basierten Bioökonomie weiter auszubauen und deren Transfer zu forcieren. Neben fünf Universitäten (Katholische Universität von Chile, Universität von Concepción, Universität von Biobío, Universität von Talca und Universität von La Frontera) ist auch Leitat Chile, ein gemeinnütziges Technologiezentrum, beteiligt. Der öffentliche Sektor ist durch das Ministerium für Wohnungsbau und Stadtentwicklung und das Forstinstitut Infor vertreten, während seitens des Privatsektors die chilenische Holzgemeinschaft Corma und Unternehmen wie Arauco, Cmpc, Lonza Quimetal und Simpson Strong-Tie sowie Patagual Home und Tecnopanel vertreten sind.
Ein anderer wichtiger Akteur in der Holzforschung ist das UC-Corma Zentrum für Holzinnovationen, welches 2014 als eine Einrichtung der Pontificia Universidad Católica de Chile gegründet wurde. Das Zentrum hat es sich zur Aufgabe gemacht, Chiles Potenzial in der Forstwirtschaft auszuschöpfen und den Einsatz von Holz als vielseitiges, ökologisches und langlebiges Material zu stärken. Das Corma-Zentrum hat sich auf den Holzhochbau spezialisiert. Es entwickelt energieeffiziente Konstruktionslösungen, die einen hohen Nachhaltigkeitsstandard verfolgen.
Internationale Zusammenarbeit
Um die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich Bioökonomie zu fördern und die internationale und multidisziplinäre Bildung und Weiterbildung zu stärken, haben sieben chilenische und finnische Universitäten ein Kooperationsnetzwerk gegründet. Beteiligt haben sich die Universidad Católica del Maule de Chile, die Universidad Austral de Chile, die Universität Talca, die Universidad de Concepción, die University of Eastern Finland, die Karelia University of Applied Sciences und die Savonia University of Applied Sciences. Schwerpunkt ist vor allem der Austausch zu Erfahrungen in der Bioökonomielehre und der Fachkräfteausbildung.
Autorin: Christin Boldt