Bioökonomie international: Globale Allianzen fördern

Bioökonomie international: Globale Allianzen fördern

Internationale Zusammenarbeit ist auf dem Weg in die Bioökonomie essenziell. Dieses Dossier erläutert Kooperationen auf europäischer und globaler Ebene und stellt insbesondere die Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ vor.

Internationale Zusammenarbeit
Mit der Fördermaßnahme "Bioökonomie International" hat die Bundesregierung die Basis für weitreichende Forschungsverbünde geschaffen.

Klimawandel, knappe Ressourcen und Ernährungssicherheit sind die größten Herausforderungen der Zukunft. Einen Lösungsansatz bietet die Bioökonomie. Sie verbindet neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit der Nutzung biologischer Ressourcen wie Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen und bietet Alternativen zu fossilen und umweltschädlichen Rohstoffen wie Erdöl oder Erdgas. Mit der Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 hat die Bundesregierung den Wandel hin zu einer biobasierten Wirtschaft eingeleitet und Handlungsfelder festgeschrieben. Diese Ziele können allerdings nicht allein mit nationaler Forschung erreicht werden. Eine Querschnittsaufgabe der Forschungsstrategie sind daher internationale Kooperationen. Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, muss die Bioökonomie im globalen Kontext betrachtet werden. Mit der Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2012 die Grundlage für weitreichende internationale Forschungsverbünde auf dem Gebiet der Bioökonomie gelegt.

Bioökonomie als internationales Konzept

Weltweit haben sich Regierungen in den vergangenen Jahren dafür eingesetzt, die Bioökonomie in ihren politischen Strategien zu verankern. Laut einer Studie des Bioökonomierates, einem Beratungsgremium der Bundesregierung, haben bislang 49 Länder entsprechende Programme zur Bioökonomie aufgelegt. Dies zeigt: Regierungen auf der ganzen Welt setzen auf grünes Wachstum, Ressourceneffizienz und eine nachhaltige biobasierte Wirtschaft – mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten. Schwellenländer wie Brasilien investieren in den Aufbau ganzer Industriezweige auf der Basis nachwachsender Rohstoffe. Entwicklungsländern bietet sich die Chance zur Kooperation im Technologietransfer sowie in der wirtschaftlichen Teilhabe im Rahmen eines fairen internationalen Handels. Industrieländer in Europa und Nordamerika sehen in der Bioökonomie die Chance, innovative biobasierte Produkte und Prozesse zu entwickeln und damit neue Märkte zu öffnen.

Denn aus europäischer Perspektive wird die Bioökonomie unter anderem als wichtiger Treiber für Wirtschaftswachstum betrachtet. Nach Angaben der Europäischen Kommission hat die Bioökonomie das Potenzial, bis zum Jahr 2030 eine Million neue „grüne Arbeitsplätze" zu schaffen. Mit einem Jahresumsatz von rund 2 Billionen Euro und rund 18 Millionen Beschäftigten ist die Bioökonomie schon jetzt einer der größten und wichtigsten Sektoren der europäischen Wirtschaft. Sie umfasst dabei nahezu alle Industriebereiche von der Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei, Ernährungswirtschaft bis hin zur Chemie-, Energie-, Bau- und Textilwirtschaft. Vor allem dem ländlichen Raum dürfte die Bioökonomie langfristig Wachstumspotenziale eröffnen, da sie neue Chancen zur Wertschöpfung nachwachsender Rohstoffe bietet. 

Vor mehr als sechs Jahren wurde die erste Bioökonomiestrategie für Europa von der Europäischen Kommission verabschiedet. Bereits damals, im Jahr 2012, hatte die Strategie zum Ziel, die Rahmenbedingungen für die Nutzung erneuerbarer biologischer Ressourcen in einer erdölunabhängigen Industrie voranzutreiben. Mit den Jahren haben sich die Bedingungen und die Prioritäten etwas verschoben, und die Nachhaltigkeit sowie die Kreislaufwirtschaft haben mehr als zuvor an Bedeutung gewonnen.

Mitte Oktober 2018 hat die Europäische Kommission eine neue Bioökonomie-Strategie beschlossen. Sie soll die Aktivitäten der Bioökonomie stärker mit parallel laufenden Themen vernetzen: Kreislaufwirtschaft, Biodiversität, Umwelt- und Naturschutz sowie Nachhaltigkeit werden hier vor allem genannt. Die neue Bioökonomie-Strategie der EU will die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen verbessern und erweitern, um globalen und lokalen Herausforderungen wie dem Klimawandel entgegenzutreten. Sie soll insbesondere dazu beitragen, neue Lösungen zu entwickeln, um die globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen. Die SDGs wurden im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen beschlossen – in Anlehnung an den Entwicklungsprozess der Milleniumsentwicklungsziele. Sie traten am 1. Januar 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren (bis 2030) in Kraft und gelten für alle Staaten.

Aktuell fördert die EU grundlagen- und anwendungsnahe Forschung aus dem Bereich der Bioökonomie in Höhe von 3,85 Mrd. Euro aus dem EU-Rahmenprogramm Horizont 2020. Für den Zeitraum 2021 bis 2027 sind aktuell 10 Mrd. Euro vorgesehen, die im neuen Forschungsrahmenprogramm der EU „Horizon Europe“ für Forschung rund um Nahrungsmittel und natürliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden sollen.

Internationale Forschungspartnerschaften

Deutschland gilt im internationalen Vergleich als einer der Vorreiter der Bioökonomie. Bereits im Jahr 2010 wurde die Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 von der Bundesregierung unter Federführung des BMBF verabschiedet, um Forschung und Entwicklung für den Aufbau einer biobasierten Wirtschaft voranzutreiben. Neben der Sicherung der Welternährung und der Produktion von gesunden und sicheren Lebensmitteln sind die nachhaltige Gestaltung der Agrarproduktion sowie die industrielle und energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe als zentrale Handlungsfelder festgeschrieben.

Im Jahr 2012 wurde die Nationale Politikstrategie Bioökonomie veröffentlicht, um notwendige rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen und die politische Abstimmung zur Bioökonomie innerhalb der verschiedenen Ministerien der Bundesregierung zu verbessern und die Bioökonomie in möglichst vielen politischen Handlungsfeldern auf die Agenda zu setzen.

Mit beiden strategischen Papieren wurde das Ziel festgeschrieben, nationale Aktivitäten zur Bioökonomie mit denen anderer Länder sinnvoll zu verschränken. Dies geschieht sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene. Von Seiten des BMBF werden etwa mit der Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ modellhafte Projekte internationaler F&E-Partnerschaften unterstützt. Dies geschieht dabei über alle Handlungsfelder und Themenbereiche der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ hinweg. Bevorzugte Partnerländer sind Argentinien, Brasilien, Chile, China, Indien, Kanada, Malaysia, Russland und Vietnam. Dabei sind neben den technologisch-wissenschaftlichen Fragestellungen und Entwicklungszielen insbesondere auch sozioökonomische Aspekte von Bedeutung.

Mit der Ausrichtung des Global Bioeconomy Summit (GBS) als internationalen Kongress durch den Bioökonomierat trägt Deutschland dazu bei, die Bioökonomie international zu vernetzen und den globalen Wandel hin zu einer ressourcenschonenden und nachhaltigen Gemeinschaft voranzutreiben. Der GBS hat bereits zweimal in Deutschland stattgefunden: in den Jahren 2015 und 2018. (jeweils Links auf die Webseiten zum GBS 2015 und GBS 2018)

Global Bioeconomy Summit

Der Bioökonomierat hat den Weltgipfel zur Bioökonomie bereits zweimal in Berlin durchgeführt. Zuletzt fand er im April 2018 mit rund 700 Vertretern aus aller Welt statt.

Weitere Grundlagen der internationalen Forschungszusammenarbeit

Neben den Bioökonomie-spezifischen Maßnahmen gibt es im BMBF eine Reihe von Strategien, die den Rahmen für eine erfolgreiche internationale Zusammenarbeit bei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben setzen.

Mit der Strategie zur Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung hat die Bundesregierung unter Federführung des BMBF bereits 2008 die Basis für eine intensiver vernetzte internationale Zusammenarbeit geschaffen. Aus dem „Bericht zur internationalen Kooperation in Bildung, Wissenschaft und Forschung 2014–2016“ geht hervor: Die Zahl der vom BMBF geförderten Forschungsvorhaben mit internationaler Beteiligung hat sich von 2009 bis 2015 mehr als verdoppelt. Allein im Jahr 2015 hat das BMBF hierfür mehr als 800 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Darunter fällt auch die Förderung für Verbundprojekte der Bioökonomie.

Im Jahr 2017 wurde eine Anpassung der Internationalisierungsstrategie vorgenommen, um auf neue Trends zu reagieren. Hierzu gehören die fortschreitende Globalisierung, die Digitalisierung, die Weiterentwicklung des Europäischen Forschungsraums sowie die Herausbildung neuer, globaler Innovationszentren außerhalb der etablierten Wissenschaftsstandorte. „Gemeinsam globale Herausforderungen bewältigen“ ist eines der fünf Zielfelder der Internationalisierungsstrategie und beinhaltet unter anderem die Themenfelder Klimawandel und Ernährungssicherheit.

Für einzelne Regionen der Welt hat das BMBF ferner spezifische Strategien erarbeitet, die sich an spezifischen Bedürfnissen orientieren und korrespondierende F&E-Vorhaben unterstützen. Dies gilt etwa für den afrikanischen Kontinent. So wurde im November 2018 die weiterentwickelte Afrika-Strategie des BMBF veröffentlicht. Unter dem Leitgedanken „Perspektiven schaffen!" sollen bis zu 300 Mio. Euro für deutsch-afrikanische Kooperationen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Verfügung gestellt werden. In mehreren Handlungsfeldern sollen afrikanische und deutsche Akteure gemeinsam Lösungen für den Kontinent erarbeiten – unter anderem in den Themenfeldern Ernährung und Klimawandel. Weitere Details werden in Kapitel 5 dieses Dossiers erläutert.

Die Fördermaßnahme „Bioökonomie International“

Die Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ bildet eine wichtige Grundlage für die Förderung internationaler Forschungsverbünde zur Bioökonomie mit deutscher Beteiligung. Sie adressiert insbesondere die Verknüpfung nationaler Aktivitäten mit denen anderer Länder zu allen relevanten Fragestellungen und Herausforderungen im Kontext der Bioökonomie. Neben einem internationalen Modul werden bilaterale Module mit spezifischen Partnerländern oder Partnerregionen ausgeschrieben. Im Modul „Basis Bioökonomie International“ wird die Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Ländern unterstützt; so etwa mit Indien, Chile, China, Kanada und Malaysia. In bilateralen Modulen werden Partnerschaften mit Russland, Vietnam, Argentinien und regionalen Unterstützern in Brasilien gefördert. Das Spektrum ausländischer Kooperationspartner soll dabei kontinuiertlich anwachsen.



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Entlang der Themenfelder der Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie wird eine große inhaltliche Bandbreite von Projekten gefördert – von Pflanzenzüchtung und -schutz über Lebensmitteltechnologien bis hin zur Entwicklung von Biomaterialien und Reststoffnutzung. Dabei stehen insbesondere solche Vorhaben im Fokus, die auf die Nutzung biologischer Ressourcen und Verfahren setzen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern. Neben der Entwicklung neuer Technologien zum beiderseitigen Nutzen werden auch sozioökologische Aspekte in die Forschungsaktivitäten miteinbezogen. Über die Fördermaßnahme Bioökonomie International wird ausschließlich die Arbeit der deutschen Forschungspartner gefördert. Die Laufzeit der Förderprojekte beträgt bis zu drei Jahre.

Beteiligung verschiedener Länder an "Bioökonomie International"

Grafik: BIOCOM AG

In den ersten vier Ausschreibungsrunden beteiligten sich Partner aus 15 Ländern in 75 Verbundprojekten.

Seit dem Start der Fördermaßnahme im Jahr 2012 wurden fünf Ausschreibungen veröffentlicht. Die Bewerbungsfrist für die aktuelle Runde endete im April 2018. Die Auswahl von Projekten ist noch nicht abgeschlossen. 75 internationale Verbundprojekte mit einem Gesamtfördervolumen von etwa 50 Mio. Euro wurden in den ersten vier Ausschreibungsrunden vom BMBF finanziert. 147 deutsche Verbundpartner kooperieren mit Akteuren aus insgesamt 15 verschiedenen Ländern. Die Liste der internationalen Partnerschaften wird von Brasilien und Vietnam mit aktuell mehr als einem Dutzend Beteiligungen angeführt. Kanada und Russland rangieren mit jeweils neun Vorhaben auf den folgenden Plätzen.

Bioökonomie International – Projekte im Kurzporträt

In diesem Kapitel werden beispielhaft Projekte der Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ vorgestellt. Die Kurzporträts spiegeln dabei die thematische und interdisziplinäre Vielfalt der Projekte und der beteiligten Länder und Kooperationspartner wider.

Nachhaltige Reststoffnutzung

Im Forschungsverbund „BioMatUse“ arbeitet ein deutsch-vietnamesisches Konsortium an neuen Verfahren zur stofflichen Verwertung von Abfall- und Reststoffen. Dabei konzentriert sich das von der TU Bergakademie Freiberg koordinierte Konsortium auf Abfallströme der Zuckerrohr- und Reisverarbeitung. Im Fokus des seit 2015 geförderten Vorhabens steht vor allem die Aufbereitung von Bagasse, Reisstroh und Reisspelzen. Hierfür will das Team sowohl geeignete Maschinen als auch Prozessketten entwickeln, um verschiedene biobasierte Produkte wie Fasermatten, Bodenverbesserungsstoffe und Adsorptionsmittel herzustellen. Diese Produkte könnten wiederum als Erosionsschutz, zur Filterung von Oberflächenwasser, aber auch zur Reinigung schadstoffbelasteter Abwässer sowie zur Ertragssteigerung in der Landwirtschaft genutzt werden. Die bei der Anlagenentwicklung gewonnenen Erkenntnisse sollen in ein Konzept zum Bau einer Pilotanlage in Vietnam einfließen.

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Auf Reststoffe der Reisverarbeitung setzt auch das deutsch-chinesische Projekt „BranLact“. Unter Koordination des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) konzentrieren sich die Partner hierbei auf die in großen Mengen anfallenden Rückstände der Reisschalen, die sogenannte Reiskleie. In dem 2016 gestarteten Dreijahresprojekt soll eine Methode entwickelt werden, um entfettete Reiskleie für die Milchsäurefermentation nutzbar zu machen und sie als Ausgangsstoff für die Herstellung biobasierter Kunststoffe auf Milchsäurebasis zu erschließen.

Eine neuartige und nicht erschlossene Quelle für die Herstellung biobasierter Kunststoffe bieten Tierabfälle. Bisher werden viele Biokunststoffe unter Nutzung von Kulturpflanzen wie Mais produziert; obwohl Mais auch als Nahrungsmittel dient und das Food-First-Prinzip Anwendung finden sollte. Eine Alternative zu pflanzlichen Kunststoffen sind biogene Reststoffe. Im Forschungsverbund „PHABIO APP“ wollen Partner aus Deutschland, Malaysia und den USA daher aus biologischen Fetten tierischer Abfälle Biopolymere für neue biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe entwickeln. Konkret handelt es sich dabei um Polyhydroxyalkanoate (PHA). Die konzipierten Biopolymere sind biologisch abbaubar und stellen eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen dar. Das Projekt zielt darauf ab, eine geschlossene Prozesskette für die Produktion, die Verarbeitung, die Wiederverwertung und die Bioabbaubarkeit der neuartigen PHA-Biopolymere aus biologischen Abfällen zu erstellen. Koordiniert wird das Projekt vom Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK).

Sonnenblumen sind nicht nur eine Zierde im Garten, sondern auch eine wichtige Industriepflanze. Die Lebensmittelbranche verwendet Sonnenblumenkerne für Brote oder als Bestandteil von Müsli. Die größte Menge der Kerne wird aber zu Sonnenblumenöl verarbeitet. Die industrielle Verarbeitung von Sonnenblumenkernen ist jedoch alles andere als effizient und nachhaltig. Fast die Hälfte der Kerne bleibt bisher ungenutzt und landet häufig als Rest in Tierfutter – oder im Müll. Seit 2013 arbeitet das Fraunhofer IVV gemeinsam mit 15 weiteren Partnern im Projekt „SunflowerProtein“ an einer vollständigen Verwertung der Sonnenblumenkerne zu Öl und Proteinmehl. Das Ziel ist es, erstmals hochwertige und dabei kostengünstige Sonnenblumenproteine für den menschlichen Verzehr bereitzustellen. Die wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse sollen dazu genutzt werden, um das Verfahren mit potenziellen Industriepartnern in Deutschland und/oder Brasilien in die Anwendung zu bringen. Inzwischen wurde hierzu erfolgreich das Start-up „Elosun“ ausgegründet.

Neuartige Verpackungsmaterialien

Lebensmittelverpackungen, wie etwa diverse Folien, unterliegen strengen gesetzlichen Regelungen. Sie sollen die Ware vor Licht, Schmutz und Feuchtigkeit schützen und so die Haltbarkeit der Lebensmittel garantieren. Hier setzt das vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) koordinierte Projekt „ImpregPack“ an. Ein deutsch-chilenisches Forscherteam arbeitet seit Ende 2016 an einer Lebensmittelfolie, die mittels Imprägnierung mit pflanzenbasierten Wirkstoffen antimikrobiell wirkt und so die Bildung von Bakterien verhindern und Lebensmittel vor Fäulnis schützen soll. Die Imprägnierung wiederum erfolgt mithilfe von überkritischem Kohlendioxid. Das Projektteam entwickelt nicht nur die dafür notwendigen Pflanzenextrakte, sondern untersucht diese auch auf die antimikrobielle Wirksamkeit, sensorische Eigenschaften und die Eignung zur industriellen Verarbeitung. Zudem wird der Einfluss des neuen Folienmaterials auf Qualität und Haltbarkeit von Produkten überprüft.

Pflanzenzüchtung

Pflanzen liefern den Großteil der verfügbaren Nahrung und Biomasse. Doch Schädlingsbefall und Klimaveränderungen schmälern zunehmend die Erträge und stellen die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen. Nicht umsonst ist die Pflanzenzüchtung daher ein zentrales Forschungsfeld auf internationaler Ebene. Mit ihrer Hilfe sollen neue Nutzpflanzen entstehen, die den Ernährungsbedarf sichern und den Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft ebnen. Im Fokus der Züchtungsforschung stehen unter anderem neue resistente und dennoch ertragreiche Sorten, die extremer Witterung und Schädlingen trotzen und den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft reduzieren helfen.

Hier setzt der Forschungsverbund „ProPlanta“ an. Ein deutsch-brasilianisches Team, koordiniert von der RWTH Aachen, forscht zu antimikrobiell wirkenden Peptiden, die Zitrusfrüchte vor bakteriellem „Krebsbefall“ schützen. In Brasilien werden kontaminierte Bäume bisher zum Schutz mit Pestiziden auf Kupferbasis besprüht. Um den Einsatz von Pestiziden und dem Schwermetall Kupfer in der Landwirtschaft drastisch zu reduzieren, wollen die Forscher zum einen bifunktionale Fusionsproteine mit einem blattbindenden und einem antimikrobiellen Teil entwickeln. Zum anderen sollen biologisch abbaubare Mikro-Gelbehälter entwickelt werden, die spezielle antimikrobielle Wirkstoffe kontrolliert freisetzen und einen langanhaltenden Schutz der Nutzpflanzen erlauben. Bei dem antimikrobiellen Wirkstoff handelt es sich um Alkylgallate, die die bakterielle Zellteilung hemmen. Der zweite Teil des bifunktionalen Proteins ist ein Ankerpeptid, mit dessen Hilfe der Wirkstoff an die Oberfläche der Zitruspflanzenblätter bindet und dort mikrobielles Wachstum verhindert.

Im Projekt „FusResist“ konzentriert sich ein großes Forscherkonsortium aus Deutschland und Kanada unter der Leitung der Universität Hohenheim auf Pilzinfektionen, die Weizen an der Wurzel schädigen und die Ernte durch die Produktion von Mykotoxinen unbrauchbar machen. Der Schimmelpilz Fusarium graminearum gehört zu den gefährlichsten Schädlingen und ist weltweit für enorme Ernteausfälle bei Weizen und anderen Gräsern verantwortlich. Das Ziel des Konsortiums ist die Züchtung neuer Brotweizen-Sorten, die gegen Fusarieninfektionen resistent sind. Mithilfe dieser Sorten soll die weltweite Versorgung mit Lebens- und Futtermitteln gesichert werden. Dafür wollen die Forscher sowohl pilzresistente Weizensorten erforschen als auch die verschiedenen Pilz-Populationen molekularbiologisch charakterisieren.

Nachhaltige Bioraffinerie/Kaskadennutzung

In Bioraffinerien wird pflanzliche Biomasse möglichst effizient sowohl stofflich als auch energetisch genutzt. Dabei besteht ein Ziel immer darin, eine maximale oder sogar vollständige Nutzung der Rohstoffe für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, Chemikalien, Kraftstoffen sowie Strom und Wärme zu gewährleisten. Als Rohstoff für Bioraffinerien dienen meist Holz, Stroh oder andere Abfall- und Reststoffe.

Im Projekt „ABiRe“ wollen deutsche Wissenschaftler mit Partnern aus Russland den Grundstein für eine sogenannte aquatische Bioraffinerie legen. Auf der Basis von Mikroalgen und Wasserlinsen sollen hochwertige Produkte erzeugt und gleichzeitig Reststoffströme zur Abwasserbehandlung und Energieproduktion genutzt werden. Der Vorteil liegt auf der Hand: Im Vergleich zu herkömmlicher Biomasse konkurriert die Nutzung aquatischer Ressorcen nicht mit der Nahrungsmittelproduktion durch terrestristische Nutzpflanzen. Auch eine CO2-neutrale Energiegewinnung ist mittels mariner Substrate möglich. Koordiniert wird der Verbund von Forschern der TU Hamburg-Harburg.

Wasserstoff gilt seit langem als Energieträger der Zukunft. Im Vergleich zu fossilen Energieträgern wie Kohle oder Erdgas ist Wasserstoff als Bestandteil des Wassers in großen Mengen jederzeit verfügbar und kann gespeichert werden. Im Projekt „COUGH“ haben sich Forscher aus Deutschland und Südafrika das Ziel gesetzt, Industrieabgase und Synthesegase als alternative Wasserstoffquelle zu nutzen. Dabei setzt das Team auf Mikroorganismen, mit deren Hilfe Wasserstoff aus industriellen Abgasen gewonnen wird. Im Fokus der von Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) koordinierten Allianz steht das Bakterium Geobacillus thermoglucosidans. Vorversuche haben gezeigt, dass dieses Bakterium das Potenzial hat, unter aeroben Bedingungen, also in Gegenwart von Sauerstoff, Kohlenstoffmonoxid in Wasserstoff umzuwandeln.

Kooperationen auf EU-Ebene

Die Weltbevölkerung wächst und gleichzeitig schwinden die planetaren Ressourcen. Vor diesem Hintergrund sind neue, biobasierte Innovationen gefragter denn je. Mit ihrem Ansatz einer nachhaltigen und effizienten Nutzung von biologischen Ressourcen bietet die Bioökonomie hierzu neue Ansätze und Lösungen. Mit einem Jahresumsatz von rund 2 Billionen Euro und rund 18 Millionen Beschäftigten ist die Bioökonomie schon heute einer der größten und wichtigsten Sektoren der europäischen Wirtschaft, die fast alle Industriebereiche umfasst. Um diese Entwicklung weiter voranzutreiben, hat die Europäische Kommission die Bioökonomie-Strategie aus dem Jahr 2012 aktualisiert. Der im Oktober vorgelegte neue Aktionsplan formuliert 14 Maßnahmen, wie die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen verbessert und erweitert werden kann, um die globalen und lokalen Herausforderungen zu meistern. Über die Forschungsförderung durch das neue EU-Rahmenprogramm „Horizon Europe“ will die Europäische Kommission für den Zeitraum 2021 bis 2027 10 Mrd. Euro bereitstellen – das ist mehr als das Doppelte der aktuellen Fördersumme.

Die Europäische Kommission setzt nachdrücklich auch auf Partnerschaften mit Unternehmen aus der biobasierten Wirtschaft. Zu diesem Zweck wurde 2014 das Public-Private-Partnership „Biobased Industries“ (BBI) ins Leben gerufen. Nahezu 4 Mrd. Euro stehen hier bis 2020 zur Verfügung, um die Kooperation von öffentlichen Forschungseinrichtungen, kleinen und mittleren Unternehmen sowie Industriekonzernen voranzutreiben und auf diese Weise nachhaltige Innovationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zügig auf den Markt zu bringen.

Ein wichtiges europäisches Instrument der Forschungsförderung bietet zudem die European Research Area (ERA)-Net-Initiative. Ziel ist es, die Zusammenarbeit und Koordinierung verschiedener nationaler und regionaler Forschungsprogramme innerhalb von Europa zu verbessern, Doppelförderung zu vermeiden und Synergien sowie unterschiedliche Kompetenzen zu stärken. Verschiedene Bundesministerien, wie etwa das BMBF oder das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), beteiligen sich als Fördermittelgeber für die deutschen Partner in den Verbünden. Es folgen kurze Porträts zu ERA-Net-Verbünden mit Relevanz für die Bioökonomie-Forschung.

ERA-Net Cofund ERA CoBioTech

Die Biotechnologie ist eine wichtige Schlüsseltechnologie, um neue industrielle Prozesse und Verfahren für eine biobasierte und nachhaltige Wirtschaft zu entwickeln. Mithilfe von Mikroorganismen oder Enzymen können nachwachsende Rohstoffe oder Reststoffe als biobasierte Ausgangsstoffe, etwa für neue Materialien, Duftstoffe, Lebensmittelinhaltsstoffe, Plattformchemikalien oder Textilien, genutzt werden.

Um die Potenziale biotechnologischer Verfahren besser zu nutzen, hat die Europäische Kommission 2016 mit verschiedenen Mitgliedsstaaten das European Research Area-Net Cofund on Biotechnologies – kurz ERA CoBioTech – ins Leben gerufen. Ausgestattet mit einem Gesamtbudget von 36 Mio. Euro sollen hier Forschungsansätze aus Biotechnologie, Synthetischer Biologie, Systembiologie sowie Bioinformatik gefördert werden, um die Bandbreite an Verfahren zur Nutzung biologischer Rohstoffe und Bioressourcen noch zu erhöhen.

Gefördert werden interdisziplinäre, innovative und multinationale Verbundprojekte, die Partner aus mindestens drei verschiedenen Ländern an Bord haben. Die jüngste Ausschreibungsrunde im Jahr 2018 richtete sich dabei an akademische Forschungseinrichtungen sowie kleine und mittlere Unternehmen in Europa, die mindestens zwei Ansätze aus den eingangs genannten Technologien (Systembiologie, Synthetische Biologie, Bioinformatik, Biotechnologie) kombinieren, um neue industrielle Prozesse und Produkte zu entwickeln. Dabei stehen vor allem mikrobielle Gemeinschaften, die Ko-Kultivierung von Mikroben sowie neue Kaskadennutzungen im Fokus. Die Ausschreibung ist nicht auf einen bestimmten Industriezweig beschränkt. Auch die Optimierung bestehender Up- und Downstream-Prozesse kann gefördert werden.

ERA-MBT Marine Biotechnologie

Marine Mikroorganismen wie Algen werden seit langem zur industriellen Herstellung von Lebensmittel-, Arznei- oder Kosmetikprodukten genutzt. Das Potenzial der in den Meeren lebenden Organismen ist aber weitaus größer, vielfach jedoch noch unerforscht. Um die Möglichkeiten und Potenziale der aquatischen Welt stärker zu erforschen, wurde im Jahr 2013 das ERA-Net für Marine Biotechnologie – ERA-MBT ins Leben gerufen. Daran waren 19 Förderorganisationen aus 14 Ländern beteiligt, um die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen EU- und assoziierten Staaten auf dem Gebiet der „Blauen Biotechnologie“ zu stärken und das Potenzial der Meeresorganismen für eine biotechnische Nutzung zu erschließen. In 2017 ist die Förderung des ERA-Netzes durch die Europäische Kommission ausgelaufen. Im Rahmen von ERA-MBT gab es drei Ausschreibungsrunden zu den Themen „Entwicklung von Bioraffinerieprozessen für marine Biomaterialien“, „BioDiscovery – Bioaktive Moleküle aus dem Meer“ und „Metagenomische Ansätze für die Wertschöpfung aus dem Meer“.

Die mit ERA-MBT begonnenen Aktivitäten sollen mit einem erweiterten Themenspektrum im Rahmen des neuen ERA-Net Cofund on Blue Bioeconomy (BlueBio) fortgesetzt werden. Dieser Cofund ist Ende 2018 gestartet und bezieht auch das frühere ERA-NET „Cooperation in fisheries, acquaculture and seefood processing (COFASP) mit ein. Insgesamt sind an BlueBio 26 Partner aus 16 Ländern beteiligt. Die erste Ausschreibung wurde im Dezember 2018 gestartet. Die Partner wollen insgesamt bis zu 23,5 Mio. Euro Fördergelder bereitstellen. Zusätzlich zu den 6,5 Mio. Euro der Europäischen Kommission belaufen sich die zur Verfügung gestellten Fördermittel damit auf bis zu 30 Mio. Euro. 

ERA-Net Cofund SusCrop

Innovationen auf dem Gebiet der Pflanzenzüchtung sind von großer Bedeutung, um die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung angesichts von Klimawandel und einer zunehmenden Verknappung natürlicher Ressourcen auch künftig zu sichern. Gleichzeitig gilt es, die Landwirtschaft ingesamt nachhaltiger zu gestalten. Hier setzt die Initiative ERA-Net Cofund „SusCrop“ (Sustainable Crop Production) an. Daran beteiligt sind insgesamt 23 Partner aus 19 Staaten.

Im Rahmen von SusCrop werden Konsortien und Projekte gefördert, die einen Beitrag zur Steigerung von Nachhaltigkeit und Belastbarkeit der europäischen Nutzpflanzen- und Agrarproduktion leisten. Dabei geht es sowohl um die Verbesserung der bestehenden Züchtungstechnologien als auch um die Entwicklung neuer Sorten, die resistent und ertragsstark sind. Auch Innovationen zum ressourcenschonenderen Einsatz von Nutzpflanzen und deren Anbausysteme werden gefördert. Die Vorhaben sollten darüber hinaus auch zu einem besseren Verständnis des Zusammenspiels von Nutzpflanzen mit anderen Organismen beitragen. Im November 2018 wurde das Auswahlverfahren abgeschlossen. Insgesamt 13 Projekte, darunter zwölf mit deutscher Beteiligung, wurden für eine Förderung empfohlen. Die EU-Kommission und die daran beteiligten Länder stellen dafür eine Fördersumme von rund 16 Mio. Euro bereit. Von deutscher Seite ist das BMBF mit etwa 3,5 Mio. Euro und die DFG mit 1 Mio. Euro beteiligt.

ERA-Net SUSFOOD

Die Ernährungssicherung zählt angesichts einer stetig wachsenden Bevölkerung zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Aus diesem Grund wurde bereits 2011 das ERA-Net „SUSFOOD“ (SUStainable FOOD production and consumption) ins Leben gerufen. SUSFOOD fördert Forschungsansätze, welche die Lebensmittelproduktion nachhaltiger und effizienter gestalten. Im Fokus stehen neue umweltschonende Herstellungs- und Verarbeitungstechnologien, die weniger Abfälle und Abwässer erzeugen sowie Vorhaben, die nachhaltige Produkte hervorbringen und neue Ausgangsmaterialien für die Herstellung von Lebensmitteln nutzbar machen. Auch Maßnahmen, die ein nachhaltiges Konsumentenverhalten fördern und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der europäischen Lebensmittelindustrie beitragen, werden unterstützt. Das Verbundprojekt setzt sich aus 26 Partnern aus 15 Ländern zusammen. In der ersten Projektphase (2011 bis 2014, koordiniert durch INRA, Frankreich) wurden 15 Projekte mit insgesamt knapp 15 Mio. Euro gefördert. BMBF und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) waren insgesamt mit mehr als 3,7 Mio. Euro daran beteiligt. 2017 wurde das ERA-Netzwerk zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion offiziell in „Horizon 2020“ integriert und unter dem Namen ERA-Net COFUND „Susfood2“ fortgesetzt. Deutschland koordiniert diese zweite Phase, welche auf 5 Jahre angelegt ist. In eine erste Fördermaßnahme investierten die Europäische Union und nationale Fördergeber  insgesamt 11,5 Mio. Euro (davon 1,4 Mio. Euro Förderung durch BMEL). Eine zweite Ausschreibung wird derzeit erarbeitet. Deutschland ist in SUSFOOD2 durch BMBF, BMEL und deren Projektträger (PtJ und BLE) vertreten.

Weitere internationale Aktivitäten und Ressourcen

Mit der Förderung internationaler Forschungsverbünde stellt sich Deutschland der Herausforderung, die Bioökonomie weltweit voranzutreiben. Dabei geht es nicht nur um technische Innovationen wie biobasierte Materialien, resistente und ertragreiche neue Nutzpflanzen oder Enzyme, um die chemische Industrie nachhaltiger zu machen. Damit der globale Wandel hin zu einer ressorcenschonenden und biobasierten Wirtschaft gelingt, muss ein Dialog auf allen Ebenen geführt werden. Akteure aus Politik, Wirtschaft sowie Fachorganisationen und Umweltverbänden sollen einbezogen werden, um nationale und regionale Besonderheiten zu berücksichtigen. Die Erfahrungen anderer Länder bei der Umsetzung ihrer Bioökonomie-Strategien können dazu beitragen, etablierte Maßnahmen an neue Entwicklungen anzupassen und Strategien gegebenenfalls neu auszurichten. 

Bereits zwei Gipfeltreffen der Bioökonomie

Mit dem Global Bioeconomy Summit (GBS) als mehrtägigem Kongress hat die Bundesregierung eine Plattform für den internationalen Dialog auf breiter Ebene initiiert. Organisiert wird der Weltgipfel der Bioökonomie vom Bioökonomierat, einem unabhängigen Gremium, das die Bundesregierung zu Fragen der Bioökonomie berät. Unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel fand im November 2015 der erste Summit statt. Rund 700 Teilnehmer aus 82 Ländern diskutierten in Berlin darüber, wie auf internationaler Ebene eine bessere Abstimmung zur Bioökonomie gelingen kann. Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe und ihre Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung waren die bestimmenden Themen der Konferenz. Zum Abschluss des zweitägigen Treffens wurde ein Communiqué verabschiedet. Darin wurden fünf Prioritäten einer internationalen politischen Agenda auf dem Weg in die biobasierte Wirtschaft festgeschrieben. Der zweite Weltgipfel fand im April 2018 in Berlin statt und endete mit dem Appell an die internationale Politik, die Bioökonomie noch stärker als bisher global zu denken und dafür ein eigenständiges Forum zu schaffen.

Bioökonomie-Strategien der verschiedenen Länder im Überblick

Dass die Bioökonomie weltweit an Bedeutung gewinnt, zeigt eine Studie des Bioökonomierates zu den weltweiten politischen Bioökonomie-Aktivitäten. Die Studie wurde anlässlich des zweiten Summits vorgestellt. Sie zeigt, dass seit dem ersten Weltkongress der Bioökonomie 2015 immer mehr Länder die Bioökonomie in ihrer politische Agenda verankert und entsprechende Programme aufgelegt haben. Der Studie zufolge verabschiedeten bisher 49 Länder Strategien zur Bioökonomie. Mit Frankreich, Italien, Irland, Lettland, Norwegen Spanien und Thailand kamen in den vergangenen zwei Jahren sieben neue Länder hinzu.

Darüber hinaus sind viele Länder dabei, Bioökonomie-Strategien zu entwickeln. Dazu gehören Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Estland, Island, Irland, Österreich sowie Japan. Staaten wie Namibia, Iran und Kenia bereiten Programme vor, die spezifische Schwerpunkte, wie etwa die Biotechnologie-Entwicklung, in den Fokus nehmen oder Fachausschüsse mit bioökonomierelevanten Entwicklungen beauftragen. Zuletzt hat Großbritannien Anfang Dezember 2018 eine nationale Bioökonomie-Strategie veröffentlicht.

Ernährungssicherung in Afrika im Fokus

Auch in Afrika sind in den vergangenen Jahren viele Initiativen zur Bioökonomie entstanden, auch mit Unterstützung der Bundesregierung. Der Kontinent ist besonders von Hunger und Klimawandel betroffen. Daher fördert die Bundesregierung im Rahmen der Forschungsinitiative „GlobE – Globale Ernährung“ gezielt Kooperationen zwischen deutschen und afrikanischen Wissenschaftlern. Im Fokus stehen innovative und regional angepasste Lösungen für eine effiziente Landwirtschaft in den afrikanischen Ländern. Primär geht es um Lösungen, die zur Ernährungssicherung beitragen und gleichzeitig Ressourcen schonen. Vor allem Kleinbauern sollen Werkzeuge in die Hand bekommen, damit sie von Ackerbau und Viehzucht leben können. Die Initiative zielt auf eine direkte Einbeziehung der Kleinbauern. Die Förderinitiative „GLobE“ wurde 2012 gestartet. Bundesforschungs- und Bundesentwicklungsministerium haben für die Maßnahme rund 45 Mio. Euro. bereitgestellt. Durch die ressortübergreifende Förderung war es möglich, die internationalen Agrarforschungszentren (CGIAR) an der Forschung in den Konsortien zu beteiligen. Zugleich konnte über GlobE erstmals ein neuer Weg gefunden werden, afrikanische Forschungspartner über Unteraufträge in die Verbünde zu integrieren. Die Maßnahme hat zudem jeweils sehr große Konsortien von über 100 Partnern aus Deutschland und Afrika unterstützt und damit einen wertvollen Beitrag zur länderübergreifenden Zusammenarbeit im Bereich der Ernährungssicherung geleistet. Im Dezember 2018 fand die Abschlusskonferenz zu GlobE in Kenia statt.

Dass das BMBF die weitere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Afrika auch in den nächsten Jahren vorantreiben wird, zeigt die im November 2018 veröffentlichte, weiterentwickelte Afrika-Strategie des BMBF. Unter dem Leitgedanken „Perspektiven schaffen!" sollen hier bis zu 300 Mio. Euro für deutsch-afrikanische Kooperationen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Verfügung gestellt werden. In mehreren Handlungsfeldern sollen afrikanische und deutsche Akteure gemeinsam an Lösungen arbeiten – unter anderem auch in den Themenfeldern Ernährung und Klimawandel. Auf diese Weise wird der deutschen Wissenschaft ein verlässlicher Rahmen geboten, um Kontakte und Kooperationen mit afrikanischen Partnerinstitutionen auf- und auszubauen.

Der Wissenstransfer und die Förderung von Innovationen stehen dabei ganz oben auf der Agenda. Darüber hinaus soll die Forschungszusammenarbeit verstärkt zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele beitragen. Daher werden vor allem Vorhaben in jenen Themenfeldern unterstützt, die nachhaltige Lebensgrundlagen für die Menschen vor Ort schaffen und bewahren sowie Resilienz fördern. Ziel ist es, konkrete Verbesserungen der Lebensgrundlagen vor Ort zu bewirken. Aber auch viele andere SDG-relevante Themen wie sauberes Wasser, nachhaltige Landnutzung sowie neue Lösungen in der Klima- und Meeresforschung sollen adressiert werden. Der vom BMBF vergebene Deutsch-Afrikanische Innovationspreis ging 2018 auch an ein Bioökonomie-Projekt: In Kooperation von Wissenschaftlern der Universität in Lagos aus Nigeria haben Ingenieure von der Berliner Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM) Bio-Beton aus pflanzlichen Reststoffen hergestellt. Dazu wurden Maniok-Schalen verwendet, die bisher im Abfall landeten.

Kooperationen Europa – Südostasien

Das BMBF beteiligt sich zudem an einer im Juli 2018 gestarteten EU-Fördermaßnahme im Rahmen des südostasiatisch-europäischen Finanzierungsmechanismus „Southeast Asia-Europe Joint Funding Scheme“. Im Zentrum der Förderung stehen internationale Forschungsverbünde zwischen Südostasien und Europa. Ein Schwerpunkt der Förderung liegt in dieser Ausschreibung auf multilateralen Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur Bioökonomie, die auf erneuerbare biologische Ressourcen setzen, um Nahrungsmittel, Materialien und Energie zu produzieren.

Redaktion: Beatrix Boldt, Sandra Wirsching, Simone Ding (Infografik)