Lachsfarmen belasten Chiles Flüsse

Lachsfarmen belasten Chiles Flüsse

In Chile werden Flüsse durch gelöstes organisches Material aus Lachs-Aquakulturen stark verunreinigt. Ein internationales Team mit Leipziger Umweltforschern hat nachgemessen.

Eine Lachs-Aquakultur für Jungtiere in Chile. Die Abwässer werden durch ein Rohr in den Fluss geleitet.

Der Lachs gehört ohne Zweifel zu den beliebtesten Speisefischen. Immer neue und immer größere Zuchtbetriebe und Aquakulturen entstehen, um die riesige Nachfrage zu bedienen. Mit Konsequenzen für die Umwelt. Chile ist weltweit einer der wichtigsten Lachsproduzenten – nur Norwegen produziert mehr. Rund 820.000 Tonnen Lachs pro Jahr stammen aus dem südamerikanischen Land - das bringt bis zu fünf Milliarden US-Dollar ein. Doch wie wirkt sich die Massenproduktion auf die Umwelt aus? Deutsche und chilenische Wissenschaftler haben nun zusammen unter der Leitung des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ die Verschmutzungen der Gewässer durch gelöste organische Stoffe aus Lachsfarmen genauer untersucht. Die Forscher warnen im Fachjournal "Scientific Reports" davor, dass die Ökosysteme durch die Lachszucht massiv belastet und beeinträchtigt werden.

Chiles Lachse ziehen mehrmals um

In der Natur legen Lachse im Laufe ihres Lebens lange Wegstrecken zurück. Die Eiablage findet nahe den Quellgebieten von Flüssen statt, wo der Nachwuchs auch schlüpft und anfangs lebt. Im Laufe ihrer Entwicklung wandern die Fische dann in Richtung Meer, um zur Fortpflanzung abermals zu den Oberläufen der Flüsse zurückzukehren. Die Zuchtfarmen müssen diese unterschiedlichen Lebensräume entsprechend abbilden. Daher gibt es in den klaren chilenischen Oberflüssen einige hundert Aufzucht-Stationen für die Eier und die jüngsten Tiere, größere Lachse leben hingegen in Käfigen in den Seen des Landes, während die ausgewachsenen Tiere in Käfigen vor der Küste im Meer untergebracht sind.

Antibiotika im Quellwasser

Doch diese Lachs-Massenproduktion bleibt nicht ohne Folgen für die Umwelt: Aus den Käfigen für die mittelgroßen und großen Fische rieseln Kot, Futterreste und andere Substanzen in die Seen und Küstengewässer des Landes. Außerdem wird oftmals aus den sauberen und naturbelassenen Flüssen der Anden Wasser für die Aufzuchtstationen abgeleitet, welches flussabwärts verschmutzt wieder eingeleitet wird. UFZ-Biologe Norbert Kamjunke: "Es darf inzwischen zwar kein völlig trübes Wasser mehr eingeleitet werden, dennoch ist es eine Belastung für die Anwohner und die Umwelt gleichermaßen". Die Partikelmenge im wieder eingeleiteten Wasser muss unter bestimmten Grenzwerten bleiben, doch für gelöste Substanzen gibt es solche Vorschriften noch nicht. Tatsächlich haben Kamjunke und Kollegen in einer früheren Studie herausgefunden, dass pro 50 Tonnen gezüchtetem Lachs rund 40 Tonnen gelöstes organisches Material in den Flüssen landen. Zu diesen Substanzen, mit dem Kürzel DOM (Dissolved Organic Matter), gehören die flüssigen Ausscheidungen der Lachse sowie aufgelöste Reste von Futter, aber auch Desinfektionsmittel und Antibiotika.

Organische Stoffe beeinträchtigen Ökosystem

Das Forscherteam hat Wasserproben oberhalb und unterhalb von vier chilenischen Aquakulturen entnommen, und die gelösten Stoffe genauestens analysiert. Generell ist in den naturnahen Flussabschnitten wenig organisches Material gelöst, sodass dort sehr nährstoffarme Bedingungen vorliegen. Durch die Einleitung der Aquakultur-Abwässer gelangen jedoch große Mengen von leicht abbaubaren Verbindungen in die Gewässer. Vor allem Kohlenhydrate, Proteine und Lipide finden sich unterhalb der Anlagen in viel höheren Konzentrationen als oberhalb. „Dadurch verändert sich das ganze Ökosystem", erläutert Kamjunke. Die Bakterien die unterhalb der Anlagen das gelöste organische Material abbauen verbrauchen außerdem sehr viel Sauerstoff, was für viele an saubere und sauerstoffreiche Fließgewässer angepasste Arten lebensbedrohlich ist.

Grenzwerte könnten Gewässer schützen

Eine frühere Studie der Magdeburger Forscher konnte außerdem zeigen, dass selbst bei bakterien-optimalen Bedingungen wie hohen Temperaturen und langsamen Fließgeschwindigkeiten die Belastungen erst etwa 2,7 Kilometer unterhalb der Anlage wieder abgebaut sind. Laut den Forschern spräche demnach vieles für festgelegte Grenzwerte für die eingeleiteten DOM-Konzentrationen. Die Forscher plädieren zudem dafür, an den chilenischen Flüssen keine weiteren Aquakulturen mehr einzurichten. Für neue Lachsfarmen in den Seen haben die Behörden bereits einen Genehmigungsstopp verhängt. Daher gibt es bei den Betreibern nun Überlegungen, auch die Haltung der mittelgroßen Lachse von den Seen in die Flüsse zu verlegen. „Das könnte theoretisch durchaus klappen", so Norbert Kamjunke, „ökologisch gesehen aber wäre es überhaupt keine gute Idee".

jmr