Forschungsförderung für eine nachhaltige Bioökonomie

Forschungsförderung für eine nachhaltige Bioökonomie

Forschung und Entwicklung sind wichtiger Treiber, um das Potenzial der Bioökonomie für eine nachhaltige Wirtschaft zu identifizieren, zu erschließen und zu nutzen. Dieses Dossier stellt die im Rahmen der Nationalen Bioökonomiestrategie geplanten Aktivitäten zur Forschungsförderung im Wortlaut dar.

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, den Wandel von einer überweigend auf fossilen Rohstoffen basierenden Wirtschaft hin zu einer an natürlichen Stoffkreisläufen orientierten, nachhaltigen biobasierten Wirtschaftsweise zu unterstützen. Mit der im Januar 2020 veröffentlichten Nationalen Bioökonomiestrategie legt die Bundesregierung die Leitlinien und Ziele ihrer Bioökonomie-Politik fest und stellt damit die Weichen für einen biobasierten Wandel von Industrie und Gesellschaft.

Es werden sechs strategische Ziele formuliert:

  • Bioökonomische Lösungen für die Nachhaltigkeits­agenda entwickeln
  • Potenziale der Bioökonomie innerhalb ökologischer Grenzen erkennen und erschließen
  • Biologisches Wissen erweitern und anwenden
  • Ressourcenbasis der Wirtschaft nachhaltig ausrichten
  • Deutschland zum führenden Innovationsstandort der Bioökonomie ausbauen
  • Gesellschaft einbinden, nationale und internationale Kooperationen intensivieren

Für die strategischen Ziele werden konkrete Umsetzungsziele in der Forschungsförderung, der Gestaltung von Rahmenbedingungen und bei übergreifenden Instrumenten festgelegt.
Der folgende Text ist ein Auszug aus der langen Fassung der Nationalen Bioökonomiestrategie: Es handelt sich um das Kapitel 3, in dem die Forschungsförderung dargestellt wird.

Einleitung

Forschung ist ein wichtiger Schlüssel, um die Potenziale der Bioökonomie zu identifizieren, zu erschließen und zu nutzen. Forschung zur Bioökonomie erstreckt sich auf die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme, um die wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, nachhaltige Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitstellen zu können. Unter biologischen Ressourcen werden in der Bioökonomie dabei nicht nur biogene Rohstoffe wie Pflanzen, Algen, Pilze, Insekten, Mikroorganismen oder Biomoleküle, sondern insbesondere auch das Wissen über biologische und ökologische Prozesse und Systeme verstanden. Wichtig ist dabei auch, die Leistungsfähigkeit und Belastungsgrenzen dieser Systeme zu erfassen. Bioökonomische Forschungsansätze haben das Ziel, die Entfaltung der bioökonomischen Potenziale zu ermöglichen. Das Verständnis biologischer Systeme bildet die Grundlage für die Entwicklung innovativer Produkte und Verfahren. Damit diese im Sinne der Nachhaltigkeitsagenda wirken, müssen sowohl bei der Herstellung der biogenen Rohstoffe als auch beim Einsatz biotechnologischer Verfahren übergreifende Zusammenhänge verstanden und damit verbundene Chancen und Risiken bedacht werden.

Durch die Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 wurden in den letzten Jahren wesentliche Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel zurückgelegt. Auf diesen Erfolgen und den gewonnenen Erkenntnissen baut die Forschungsförderung der neuen Strategie auf.

Das biologische Wissen soll kontinuierlich erweitert und noch mehr als bisher über alle biologischen Ebenen – von den grundlegenden molekularen Prinzipien bis hin zum komplexen Zusammenspiel in Ökosystemen – zusammengebracht werden. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei, die Bioökonomie als integrativen Forschungsbereich zu verstehen, in dem interdisziplinäre Forschung und systemische Lösungsansätze gestärkt und die Erkenntnisse über die Teilgebiete der Biowissenschaften hinaus mit anderen konvergierenden Wissenschafts- und Technologiebereichen zusammengeführt werden.

Ermöglicht wird dieser Wissensaufbau unter anderem durch eine Verknüpfung von bestehenden Verfahren und auch traditionellem Wissen mit der Nutzung und Weiterentwicklung von Spitzentechnologien (Smart- und Hightech). Um auch vollkommen neuartige Zukunftstechnologien oder Sprunginnovationen zu generieren, muss Wissenschaft den Freiraum haben, auch ungewohnte Pfade einzuschlagen. Daher unterstützt die Bundesregierung noch stärker als bisher eine exzellente, technologieoffene Forschung, schafft Anreize und Freiräume für ganzheitliche Ansätze und intelligente Innovationsprozesse und setzt den Rahmen für eine verantwortungsbewusste Umsetzung unter Beachtung des Vorsorgeprinzips.

Erst auf dieser Basis – dem ständig wachsenden Wissen sowie technischen, gesellschaftlichen und systemischen Innovationen – kann das volle Potenzial der Bioökonomie erschlossen werden. Entscheidend für den Erfolg ist, fossile Rohstoffe nicht nur zu ersetzen, sondern insbesondere auch die Entwicklung neuartiger biobasierter Produkte und Verfahren voranzubringen und damit den Rohstoff- und Energiebedarf insgesamt zu reduzieren. Maßgeschneiderte bioökonomische Innovationen mit hoher Wertschöpfung und neuartigen Eigenschaften und Funktionalitäten ermöglichen es, neue Geschäftsfelder für Zukunfts- beziehungsweise Wachstumsmärkte zu begründen. Mit dieser Ausrichtung bildet die Bioökonomiestrategie einen wichtigen Pfeiler der von der Bundesregierung initiierten Agenda „Von der Biologie zur Innovation“.

Die Forschung trägt so dazu bei, den notwendigen Transformationsprozess in Richtung eines nachhaltigen Wirtschaftssystems voranzutreiben. Dies wird Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie in einer Volkswirtschaft produziert und gearbeitet wird. Diesen gesellschaftlichen Wandel mit all seinen Konsequenzen zu begreifen, ist daher ein wichtiger Teil der Forschung zur Bioökonomie. Dabei ist es unerlässlich, dass Forschungsförderung transparent ist und Formen der Partizipation einschließt, insbesondere wenn es um die Definition von Problemen und Wissenslücken, aber auch um die Entwicklung von Handlungsvorschlägen zu deren Beseitigung geht. Die Forschung schafft die Voraussetzungen dafür, den stattfindenden Wandel zu einer Bioökonomie den gesellschaftlichen Anforderungen und den Nachhaltigkeitszielen entsprechend zu gestalten.

3.1 Ausrichtung der Forschungsförderung

Die Forschungsförderung zur Bioökonomie folgt den eingangs dargelegten Leitlinien. Sie ist darauf gerichtet, die strategischen Ziele der Nationalen Bioökonomiestrategie zu erreichen.

Durch Forschung biologisches Wissen erweitern

Das Fundament der Bioökonomie ist das Wissen über biologische Prinzipien, Systeme und Verfahren. Die Bundesregierung will daher Forschung und Entwicklung konsequent vorantreiben und den kontinuierlichen Erkenntnisgewinn in den Biowissenschaften weiter stärken. Das betrifft alle Ebenen biologischer Systeme, vom Molekül über ein- und vielzellige Organismen bis hin zu ihren Wechselwirkungen in Ökosystemen und mit der Umwelt. Für ein umfassendes Verständnis biologischer Systeme reicht es aber nicht aus, die verschiedenen Stufen einzeln zu betrachten. Erst durch das Zusammenspiel verschiedener Elemente und Ebenen bilden sich neue systemische Eigenschaften heraus. Um das Verständnis für diese komplexen Zusammenhänge weiter auszubauen, muss der Austausch zwischen den Biowissenschaften und konvergierenden Wissenschafts- und Technologiebereichen intensiviert werden.

Durch biologisches Wissen biobasierte Innovationen schaffen

Der Ausbau und die intelligente Nutzung und Vernetzung des biologischen Wissens bildet die Basis für Invention und Innovation in der Bioökonomie. Erst mit einem tieferen Verständnis grundlegender Mechanismen des Lebens erschließt sich das enorme Potenzial biologischen Wissens für bioökonomische Innovationen. Dazu muss die Forschung von den Grundlagen über anwendungsorientierte Ansätze bis hin zu Pilotanlagen und Demonstratoren technologieoffen intensiviert werden. Kreative und mutige Ideen sollen dabei besonderen Freiraum erhalten.

Fortschritte beispielsweise in der Nanotechnologie, den Informationstechnologien sowie den Kognitions-, Material- und Ingenieurwissenschaften führen zu neuen Anwendungsfeldern in der Bioökonomie, während neues biologisches Wissen im Gegenzug diese Wissenschafts- und Technologiezweige inspiriert. Die sich daraus ergebenden Synergien bergen das Potenzial für nachhaltige wettbewerbsfähige Innovationen und die Entwicklung von neuartigen Schlüssel- und Zukunftstechnologien mit hohem wirtschaftlichem Wert. Beispiele für bioökonomische Innovationen sind passgenaue biologische Prozesse in der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion, innovative Produkte mit neuartigen smarten Funktionalitäten sowie weitgehend geschlossene Stoffkreisläufe.

Die Digitalisierung übernimmt auch bei der Generierung biobasierter Innovationen eine Schlüsselfunktion und ist damit für den gesamten Innovationsprozess von entscheidender Bedeutung. Erst durch sie wird es möglich, die enormen Datenmengen über biologische Systeme nicht nur zu erfassen, sondern intelligent zu vernetzen und damit die Innovationskraft integrierter Systeme zu nutzen.

Durch biobasierte Innovationen natürliche Ressourcen schonen

Bei der Umsetzung von biobasierten Innovationen muss die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen innerhalb ökologischer Grenzen berücksichtigt werden. Der Schutz und die nachhaltige und verantwortungsvolle Nutzung von Ökosystemen und ihren Leistungen für die Gesellschaft, wie beispielsweise der Erhalt der Biodiversität, die Bereitstellung von sauberem Wasser und gesunden Böden sowie die Klimaregulation, sind unverzichtbar.

Ziel der Forschungsförderung ist es, den derzeit noch hohen Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen, wie fossile Energieträger und mineralische Rohstoffe, bedeutend zu minimieren. Biogene Ressourcen müssen effizient und nachhaltig produziert und genutzt werden. Zielkonflikte, etwa im Bereich der Land- und Ressourcennutzung, müssen dabei stets mitgedacht werden. Dies gilt sowohl für bioökonomische Innovationen in der Urproduktion (Land-, Forst-, Meereswirtschaft, Aquakultur) als auch in der Industrie.

Durch Ressourcenschonung Ökologie und Ökonomie verbinden

Die Bioökonomie bietet die Chance, Ökologie und Ökonomie miteinander zu verbinden. Um wirtschaftliche Pros­perität und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, müssen alle Ressourcen effizient und nachhaltig genutzt und Energie- und Stoffströme im Sinne einer Kreislaufwirtschaft weitestgehend geschlossen werden. Den Ressourcendruck zu mindern, ist ökonomisch profitabel und ökologisch wertvoll.

Im Mittelpunkt bioökonomischer Forschung steht daher die ganzheitliche Betrachtung biobasierter Prozesse – von der Erzeugung des Rohstoffs über die Prozessierung und Konversion bis hin zum Produkt und dessen Verwendung nach der Nutzung. Die Rückgewinnung von Ressourcen wird ebenso adressiert wie die Wieder- oder Neuverwertung von Neben-, Rest- und Abfallströmen. Forschungsergebnisse sollen es ermöglichen, Wertschöpfungsketten über Sektoren hinweg zu möglichst ressourceneffizienten, ökologisch vorteilhaften und ertragreichen Wertschöpfungsnetzen zu verknüpfen.

Ansätze zur Koppel- und Kaskadennutzung tragen dazu bei, dass innovative Bereiche der Bioökonomie weiter mit bereits etablierten Wertschöpfungsketten zusammenwachsen. Der Aufbau solcher Wertschöpfungsnetze kann auch den Anschluss zu neuen Wirtschaftszweigen herstellen und so die Voraussetzung für eine nachhaltige Transformation zu einer leistungsstarken biobasierten Wirtschaft schaffen.

Durch bioökonomische Lösungen Nachhaltigkeit sichern

Das übergeordnete Ziel bei der Entwicklung einer biobasierten Wirtschaft ist Nachhaltigkeit. Die Komplexität der Bioökonomie macht es erforderlich, bei der Suche nach tragfähigen Lösungen die Zusammenhänge zwischen technischen, ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Faktoren zu berücksichtigen. Sobald die Nachhaltigkeitsziele in konkrete Maßnahmen übersetzt werden, entstehen häufig Zielkonflikte innerhalb und zwischen diesen Dimensionen. Damit solche Zielkonflikte frühzeitig erkannt und negative Effekte verhindert werden können, muss bioökonomische Forschung inter- und transdisziplinär sein und globale Entwicklungen fest im Blick behalten. Ganzheitliche Sichtweisen erfordern die Einbeziehung sowohl natur- und technikwissenschaftlicher als auch sozialwissenschaftlicher und ethischer Fragestellungen. Nur auf dieser Grundlage wird es gelingen, durch die Bioökonomie Nachhaltigkeit zu sichern.

 

3.2 Bausteine zur Umsetzung der Forschungsförderung

Die Ziele der Forschungsförderung zur Bioökonomie adressieren komplexe Fragestellungen und Herausforderungen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, in systemischen Ansätzen zu arbeiten, die verschiedene Wissenschaftszweige und Wissensbereiche integrieren und zusammenführen. Die bioökonomische Forschung umfasst dabei sowohl Natur- und Technik- als auch Sozialwissenschaften und reicht von der Grundlagenforschung über angewandte Forschung bis zur experimentellen Entwicklung. Zudem entwickeln sich das biologische Wissen und die für die Bioökonomie relevanten Spitzentechnologien nicht immer kontinuierlich in Form von inkrementellen Innovationen, sondern nicht selten auch sprunghaft in Form disruptiver Innovationen weiter.

Die Struktur der Forschungsförderung muss diesen Anforderungen gerecht werden. Für die Umsetzung werden daher modulare Bausteine definiert, die die verschiedenen Aspekte der Bioökonomie abdecken. Sie konkretisieren Forschungsschwerpunkte und schaffen konstruktive Spielräume für Förderrichtlinien, mit denen spezifische Förderbedarfe in thematischer, methodischer oder konzeptioneller Hinsicht aufgegriffen werden. Sie ermöglichen es zudem, neue Erkenntnisse und aktuelle Entwicklungen aufzugreifen. Mit den ineinandergreifenden Bausteinen können die forschungspolitischen Ziele flexibel umgesetzt werden.

Die Bausteine der Bioökonomie-Forschungsförderung im Überblick.

Bausteine der Bioökonomie-Forschungsförderung

3.2.1 Biologisches Wissen als Schlüssel der Bioökonomie

Biologisches Wissen bildet die Grundlage für die Entwicklung von Schlüsseltechnologien und ermöglicht passgenaue bioökonomische Innovationen sowohl für etablierte Industrien als auch für neue Einsatzfelder und Branchen. Biologisches Wissen schafft die Voraussetzungen für nachhaltige Lösungen der Zukunft. Nachhaltigkeit bedeutet, dass die Lösungen ökologisch tragfähig, wirtschaftlich vorteilhaft und gesellschaftlich erwünscht sind. Um diesem umfassenden Nachhaltigkeitsanspruch gerecht zu werden, muss biologisches Wissen mit Wissen über ökosystemare, ökonomische und soziale Zusammenhänge verknüpft werden.

Eine zentrale Herausforderung der Forschung zur Bioökonomie besteht darin, das Wissen über biologische Prozesse, ihre Regulation und weitere Wechselwirkungen zu vertiefen und zu integrieren. Die Notwendigkeit, ein umfassendes Systemverständnis zu entwickeln, betrifft alle Ebenen von elementaren biomolekularen Vorgängen bis hin zu ganzen Ökosystemen und globalen Kreisläufen. Erst auf dieser Basis kann ein ganzheitliches Verständnis der vielfältigen und dynamischen Prozesse in biologischen Systemen und ihrer Interaktion mit der Umwelt entwickelt werden. Die Darstellung des Bausteins „Biologisches Wissen als Schlüssel der Bioökonomie“ folgt dieser Logik von der Erforschung grundlegender biologischer Prozesse bis hin zu planetaren Perspektiven.

Biologische Systeme verstehen und modellieren

Systembiologische Ansätze und die Zusammenführung der in den verschiedenen Teilbereichen wie Genomik, Epigenomik, Proteomik oder Metabolomik (englisch zusammenfassend als „omics“ bezeichnet) gewonnenen Daten über neuartige bioinformatische Instrumente und geeignete Infrastrukturen sollen verstärkt gefördert werden. Modellierungs- und Simulationsansätze können auf dieser Basis die zugrunde liegenden biologischen und ökologischen Systeme abbilden und so in ihrer Komplexität zugänglich machen. Durch die Entwicklung neuer integrativer Ansätze soll das modulare Wissen aus den Omics-Bereichen auf den verschiedenen hierarchischen Ebenen biologischer Systeme vernetzt werden. Systemeigenschaften, also Eigenschaften, die sich nicht aus den einzelnen System­elementen heraus erklären oder ableiten lassen, werden auf diese Weise erfassbar. Das Ziel ist, die System­biologie nicht nur als Schlüssel für künftige Technologien

der Biowissenschaften, sondern auch der Bioökonomie insgesamt auszubauen. Besondere Bedeutung kommt hier beispielsweise der Erschließung des Epigenoms von Pflanzen, des Mikrobioms der pflanzlichen Wurzel oder der Stoffwechselnetzwerke von Mikroorganismen zu. Modelle, die imstande sind, verlässliche Aussagen darüber zu treffen, wie Regulationsmechanismen in lebenden Zellen und Wechselwirkungen zwischen biologischen Systemen und der Umwelt funktionieren, können auch relevante Erkenntnisse für neue nachhaltige Lösungen generieren.

Neuartige Produktionsorganismen für Primärproduktion und Industrie

Eine der Grundbedingungen der Bioökonomie ist die nachhaltige Erzeugung von biogenen Rohstoffen und Produkten sowohl im Agrar- als auch im industriellen Bereich. Um diesem Anspruch gerecht zu werden und effizient und ressourcenschonend produzieren zu können, ist es eventuell notwendig, die Produktionsorganismen, also insbesondere Nutzpflanzen, aber zum Beispiel auch Insekten, Algen, Pilze oder Mikroorganismen, gezielt an die jeweiligen Umwelt-, Klima- und Produktionsbedingungen anzupassen. Dabei soll die Forschung methoden- und technologieoffen sein und in geschlossenen Systemen auch moderne molekularbiologische Ansätze mit einbeziehen.

Ertragsoptimierung, optimale Nährstoffnutzung, Resistenz oder Toleranz gegenüber Überschwemmungen, Hitze, Trockenheit oder Pflanzenkrankheiten/-schädlingen, Anpassung an die Bodenqualität sowie der Erhalt der genetischen Vielfalt sind wichtige Ziele der Züchtung für eine nachhaltige Pflanzenproduktion. Neben Kulturpflanzen kommt aber auch Insekten, Pilzen, Mikroorganismen und aquatischen Lebensformen wie Algen zunehmend Bedeutung in der modernen Bioökonomie zu. Von der Bundesregierung wird dies durch entsprechende Fördermaßnahmen unterstützt.

Die Erschließung neuer Organismen spielt eine wichtige Rolle in der industriellen Produktion und erweitert das Portfolio der klassischen Biotechnologie. Die Eigenschaften von industriell genutzten Mikroorganismen, wie Bakterien, Pilzen und Mikroalgen, können durch innovative Methoden des Metabolic Engineering oder der Synthetischen Biologie gezielt an spezifische Produktionsbedingungen angepasst werden. Neben der Entwicklung resilienter und effizienter Produktionsstämme steht hier insbesondere auch eine Erweiterung des Produktspektrums im Fokus der Forschung. Forschungsansätze zur Entwicklung neuer Materialien und Produkte mit maßgeschneiderten, das heißt auf einen spezifischen Bedarf oder eine neue Funktion optimal zugeschnittenen Eigenschaften, wie beispielsweise vollständig kreislauffähige Biopolymere, neuartige Biopharmazeutika gegen Antibiotikaresistenzen oder umweltverträgliche Chemikalien, sollen gefördert werden. Damit soll eine optimale Anpassung an die Anforderungen des Marktes und der Umwelt ermöglicht werden. Um das Potenzial der Vielfalt mikrobieller Spezies und ihrer vielgestaltigen metabolischen Eigenschaften nutzbar zu machen, sollen bislang nicht genutzte, aber für die industrielle Produktion geeignete Mikroorganismen identifiziert und zu Plattformorganismen für die Biotechnologie weiterentwickelt werden.

Neben der Verwendung von maßgeschneiderten Mikroorganismen in der industriellen Produktion eröffnet die biotechnologische Forschung darüber hinaus Möglichkeiten, künstliche oder zellfreie Produktionssysteme für die Bioökonomie bereitzustellen. Solche Produktionssysteme erlauben zum Beispiel die Produktion von komplexen Antikörpern für spezifische medizinische Anwendungen oder von Wirkstoffen, die für Zellen toxisch sind. Artifizielle Produktionssysteme stellen daher Ansätze dar, die das Anwendungspotenzial biobasierter Produktionsverfahren erheblich erweitern.

Innovative biotechnologische Verfahrenskonzepte für biobasierte Produktionssysteme

Im Sinne der Nachhaltigkeit müssen neben den für die biotechnologische Produktion verwendeten Organismen auch die Verfahren, in denen sie eingesetzt werden, ganzheitlich ausgelegt oder auch gänzlich neu gedacht werden. Die Entwicklung innovativer, effizienter und modularer Bioverfahrenskonzepte soll vorangetrieben werden, um so eine flexible Anpassung an verschiedene Standorte, Rohstoffe und Produkte zu ermöglichen.

Um Biomasse effizient aufschließen, aufbereiten und bedarfsgerecht für nachgelagerte Produktionsprozesse bereitstellen zu können, sind erhebliche Forschungsanstrengungen notwendig. Neuartige biotechnologische Verfahren sind die Voraussetzung dafür, die Nutzung biogener Reststoffe weiter zu optimieren und Neben- und Reststoffströme in werthaltige Produkte zu überführen. Neue Konzepte zur Koppel- und Kaskadennutzung müssen hierzu entwickelt und Bioraffinerie-Konzepte ganzheitlich optimiert werden.

In geschlossenen Reaktionsprozessen können Abfallströme, die heute noch nicht stofflich verwertet werden oder nicht genutzte Wertschöpfungspotenziale aufweisen, als ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Rohstoffquelle für die Industrie und den Agrarbereich dienen. Hierzu zählen sowohl organische Abfälle als auch kommunale oder industrielle Abwässer oder industrielle Abgase. Die direkte Nutzung beispielsweise von Kohlendioxid oder dem in der Industrie anfallenden Synthesegas als Kohlenstoffquelle in industriellen Bioprozessen kann zukünftig einen Beitrag dazu leisten, eine weitgehende Treibhausgasneutralität in der industriellen Produktion zu erreichen. Darüber hinaus können wichtige Ressourcen wie seltene Metalle oder Phosphor durch maßgeschneiderte Biokatalysatoren rückgewonnen und Kunststoffe in ihre Grundbausteine zerlegt werden. Die Entwicklung von innovativen Methoden und Verfahren zur effizienten Aufarbeitung und Kreislaufnutzung dieser oft komplexen und toxischen Ausgangsstoffe soll gezielt vorangetrieben werden.

Biogene Ressourcen nachhaltig erzeugen

Die Land- und Forstwirtschaft ist ein zentraler Pfeiler einer biobasierten Wirtschaft. Gleichzeitig ist sie gefordert, den Ressourcen- und Flächenbedarf sowie Treibhausgasemissionen und den Verlust der biologischen Vielfalt zu reduzieren, wie aktuell die Berichte des Weltklimarates und des Weltbiodiversitätsrates zeigen . Außerdem steht sie selbst durch die Auswirkungen des Klimawandels sowie Zielkonflikte wie beispielsweise Flächennutzungskonkurrenzen vor weiteren großen Herausforderungen.

Landwirtschaft ist lebensnotwendig, und sie wird eine weiter wachsende Weltbevölkerung ernähren müssen. Aber die agrarische Produktion ist auch ein gewichtiger Faktor für die Veränderung der Umwelt durch den Menschen. Das betrifft Landnutzung, Biodiversität, Wasserhaushalt, Nährstoffkreisläufe und den globalen Klimahaushalt. Das Bewusstsein ist gewachsen, dass man den Agrarsektor selbst als ökologisches System betrachten muss. Agrarische Produktion ist auf Ökosystemleistungen angewiesen und muss selbst zur Wahrung dieser Ökosystemleistungen beitragen. Es ist erforderlich, Land- und Forstwirtschaft in einem ganzheitlichen Sinn als agrarökologische Systeme zu betrachten und durch Forschung das Verständnis ökosystemarer Zusammenhänge immer weiter auszubauen. Besonders gefragt sind ganzheitliche Sichtweisen, die agrarische Produktionssysteme nicht nur nach ihrem Ertrag, sondern auch nach ihren ökologischen Leistungen bewerten.

Letztlich geht es aber nicht nur um den Agrar- und Forstsektor. Große Teile terrestrischer und maritimer Ökosysteme sind durch menschliches Eingreifen grundlegend verändert worden. Es ist unverzichtbar, menschliche Eingriffe sowohl in spezifische Ökosysteme wie in globale Stoff- und Energiekreisläufe bei allen Überlegungen zu zukünftigen Technologien und Ressourcennutzungen zu berücksichtigen. Die Bioökonomie kann ein entscheidender Hebel sein, um sowohl in der Produktion von biogenen Rohstoffen als auch in industriellen Produktionsprozessen zu mehr Nachhaltigkeit zu gelangen. Dazu gehört auch, über gänzlich neue Formen der Erzeugung von biogenen Rohstoffen für stoffliche und energetische Zwecke nachzudenken.

Um die Land- und Forstwirtschaft innovativ und nachhaltig für die Zukunft aufzustellen, ist neben einer sub­stanziellen, breit ausgerichteten Grundlagenforschung zum Verständnis der zugrunde liegenden biologischen und (agrar-)ökologischen Systeme auch die Entwicklung geeigneter, anwendungsorientierter Ansätze notwendig. Diese können auf Spitzen- und Schlüsseltechnologien beruhen, aber auch auf Konzepten, die vorhandene landwirtschaftliche Techniken und ökologische Anforderungen neu zusammenbringen.

Die agrarische Produktion kann außerdem durch die Entwicklung geeigneter nachhaltiger Anbau- oder Produktionssysteme, beispielsweise mit Hilfe neuartiger Smart-Farming-Ansätze, flexibel an regionale und standortspezifische Bedingungen angepasst werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei, den Erhalt der Biodiversität und der Qualität von Böden und Wasser als Voraussetzung für Ökosystemleistungen anzuerkennen und in die Wertstellung biobasierter Produkte einzubeziehen.

Damit können die Weichen gestellt werden, um ressourceneffiziente, wettbewerbsfähige und gegenüber wechselnden Klima- und Umweltbedingungen resiliente innovative und nachhaltige Agrar- und Waldsysteme zu erhalten, die kontinuierlich eine ausreichende Versorgung mit biogenen Ressourcen sicherstellen. Die Forschungsförderung unterstützt insbesondere die Entwicklung von neuartigen kreislauforientierten und inputreduzierten Anbau- und Produktionssystemen, auch im Bereich des Ökolandbaus. Dies können regional angepasste agrarische, forstliche oder auch aquatische Produktionssysteme in der Fläche sein, die eine geschlossene Stoffstromführung anstreben. Für versiegelte Flächen in urbanen oder periurbanen Bereichen sind auch alternative Produktionsformen denkbar, wie beispielsweise (modulare) hochtechnisierte Produktionssysteme, die in kontrollierter Umgebung mit einem geringen Flächen- und Energiebedarf und weitgehend geschlossenen Kreislaufsystemen, wie beim Vertical Farming, funktionieren.

Langfristig muss die Forschung vielfältige Anpassungsstrategien und Schlüsselinnovationen auf den Weg bringen, integrierte Lösungen identifizieren und Ressourcen bündeln, um damit Synergien zum Vorteil von Mensch und Umwelt zu schaffen und „Trade-offs“ zu reduzieren. Diese integrierten Lösungen vereinen technologische Ansätze mit standortangepassten Verfahren zu alternativen Konzepten im Sinne der Nachhaltigkeit.

3.2.2 Konvergierende Technologien und disziplinübergreifende Zusammenarbeit

Aussichtsreiche Ansatzpunkte für bioökonomische Innovationen finden sich besonders in systemischen sowie in inter- und transdisziplinären Ansätzen, die biologisches Wissen mit konvergierenden Technologien verbinden. Von großer Bedeutung für die Bioökonomie sind beispielsweise konvergierende Wissensgebiete und Technologien wie Nanotechnologie, Miniaturisierung, Digitalisierung, Automatisierung und Künstliche Intelligenz.

Die Nutzung von Synergien und Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Fachdisziplinen soll gerade im Hinblick auf die Erforschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien weiter vorangetrieben werden. Für eine stärkere Vernetzung der Akteure und eine Etablierung disziplinübergreifender Zusammenarbeit sind geeignete Instrumente, wie beispielsweise virtuelle interdisziplinäre Zentren oder neue multidisziplinäre und sektorenübergreifende Förderkonzepte, zu entwickeln.

Die Digitalisierung hat für die Generierung und die Nutzung biologischen Wissens und bei der Vernetzung verschiedener Technologien eine wichtige Querschnittsfunktion. Mithilfe neuester Werkzeuge der Informatik und der Entwicklung computergestützter mathematischer Modelle können die in den modernen Biowissenschaften auf verschiedenen Skalierungsebenen rasant entstehenden großen Datenmengen intelligent ausgewertet werden. Damit können wertvolle Einsichten in die Funktionsweise biologischer Systeme gewonnen werden, die neue Dimensionen für die Nutzung des biologischen Wissens eröffnen. Voraussetzung für die effiziente und erfolgreiche Nutzung digitaler Daten ist dabei neben einer Harmonisierung der Daten auch die Unterstützung von effizienten Datenmanagementsystemen, die Weiterentwicklung von Schnittstellenkonzepten sowie die Entwicklung und Nutzung von Standards. Auch im Bereich der Simulation und Modellierung hat die Digitalisierung ein hohes Innovationspotenzial für die Bioökonomie. Modelle können nicht nur zur Beschreibung biologischer Prozesse und Systeme dienen, sondern sollen vermehrt auch zur Folgenabschätzung, Voraussage und zum gezielten Design von effizienten und passgenauen biobasierten Verfahren genutzt werden.

Für eine schnellere Entwicklung und eine bessere Überwachung und Steuerung biotechnologischer Produktionsverfahren wird der technologische Fortschritt in den Bereichen Smart Sensorik, Künstliche Intelligenz, Automatisierung, Miniaturisierung und Parallelisierung von Verfahrensprozessen sowie Hochdurchsatzanalysen unterstützt. Auch im Agrarbereich können entsprechende Technologieentwicklungen verstärkt eingesetzt werden, um beispielsweise die Interaktion von Böden, Mikroorganismen, Pflanzen und Umwelt zu analysieren oder um das Erscheinungsbild von Organismen schnell, genau und zerstörungsfrei zu erfassen.

3.2.3 Grenzen und Potenziale

Der Mensch hat schon immer in die Natur eingegriffen und seine Umwelt verändert. Seit der Industrialisierung tut er das in einem immer stärkeren Ausmaß, sodass natürliche Systeme aus dem Gleichgewicht geraten sind. Klimawandel, Artenverlust und bedrohte Ökosysteme sind die Folgen. Die Fortsetzung, Ausweitung und Beschleunigung der derzeitigen Produktion und Verwertung von Rohstoffen wird vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der Berichte des Weltklimarates und des Weltbiodiversitätsrates von 2019 zu weiteren Umweltschäden, Biodiversitätsverlusten und zur Erhöhung der Treibhausgasemissionen führen. Die ökologischen Grenzen des Planeten werden zunehmend gefährdet und sind teilweise bereits überschritten.

Für die Bioökonomie bedeutet dies, dass sie einen Beitrag zur Einhaltung dieser Grenzen leisten muss. Von zentraler Bedeutung ist es daher, die Belastungsgrenzen der Ökosysteme zu kennen, die für die Bioökonomie wichtig sind. Die Potenziale der Bioökonomie zu erkennen und zu erschließen, setzt voraus, ihre Umwelt zu verstehen. Um sicherzustellen, dass die Bioökonomie innerhalb der ökologischen Grenzen agiert und den Ressourcendruck nicht weiter erhöht, muss Wissen über ökosystemare Effekte und planetare Kreisläufe erweitert und verknüpft werden.

Quantifizierung der Bioökonomie

Ein wichtiges Instrument zur nachhaltigen Gestaltung der Bioökonomie ist die Messung und Beurteilung der genauen ökonomischen, ökologischen und sozialen Effekte biobasierten Wirtschaftens. Es werden Daten und Berechnungsmethoden benötigt, um feststellen zu können, welche Treibhausgasemissionen und welcher Verbrauch von Material, Energie, Wasser und Flächen verschiedener Qualitäten mit bestimmten Produktionsformen einhergehen, einschließlich der Auswirkungen auf die Biodiversität durch intensivierte Nutzung. Eine wichtige Rolle spielt die Bewertung der Verfügbarkeit von Biomasse – räumlich, zeitlich und nach der ökologischen Bedeutung differenziert – auf der einen und des Bedarfs an Biomasse auf der anderen Seite. Zu berücksichtigen ist hierbei der Biomassebedarf, der einer Nutzung entzogen ist, unter anderem für die CO2-Fixierung und für den Biodiversitätsschutz. Es ist daher wichtig, Biomasseströme und -kreisläufe nachvollziehen und mit geeigneten Methoden abschätzen zu können.

Nur durch eine ganzheitliche Betrachtung unter Einschluss möglicher Alternativen können bestmögliche Lösungen im Sinne einer umfassend verstandenen Nachhaltigkeit gefunden werden. Bisher stehen die dafür nötigen Instrumente erst teilweise zur Verfügung. Mithilfe der Forschung sollen diese Lücken in den nächsten Jahren geschlossen werden. Dazu ist zunächst eine Indikatorentwicklung notwendig, die es erlaubt, alle Dimensionen der Bioökonomie zu erfassen und mit entsprechenden Kriterien zu hinterlegen. Bestehende und neu zu erschließende Daten müssen identifiziert und zusammengeführt werden. Nur wenn der Einsatz von Biomasse über den gesamten Lebenszyklus von der Produktion bis zur Wiederverwendung und die Anwendung bioökonomischer Verfahren mit all ihren Wirkungen und Rückkopplungseffekten gemessen oder präzise geschätzt werden können, ist eine ganzheitliche Bilanzierung möglich. Auf dieser Basis können auch umfassende und belastbare Folgenabschätzungen zu technischen, ökonomischen und ökologischen Entwicklungen in der Bioökonomie vorgenommen werden.

Um die wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine solche Quantifizierung der Bioökonomie zu schaffen, wurde eine Pilotphase für ein umfassendes Monitoring gestartet. Diese Arbeiten sollen als übergreifendes Instrument der Bioökonomiestrategie fortgesetzt und ausgebaut werden. Das Monitoring der Bioökonomie soll es ermöglichen, die Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie nachzuvollziehen. Es soll als Grundlage dienen, die politische Steuerung und Priorisierung zu überprüfen.

3.2.4 Transfer in die Anwendung

Es genügt nicht, biologisches Wissen zu erwerben und nachhaltige Technologien zu entwickeln. Nur wenn diese erfolgreich als Produkte und Prozesse in den Markt kommen, werden ihre positiven Effekte für Umwelt und Gesellschaft auch realisiert. Die Erfahrung zeigt: Nicht jede gute Idee setzt sich durch. Oftmals erscheinen die Risiken zu hoch oder es mangelt an Finanzierungsmöglichkeiten für die wesentlichen Schritte zwischen Idee und Markteinführung. Die Bundesregierung will verhindern, dass aussichtsreiche, bioökonomische Innovationen an diesen Hürden scheitern. Daher unterstützt sie erfolgversprechende Innovationen bis hin zur Anwendung. Entscheidend ist, Schnittstellen zwischen Forschung und Anwendung zu schaffen und auszubauen und eine enge Verzahnung der Akteure im Innovationsprozess zu erreichen. Dazu werden Instrumente bereitgestellt, die die Validierung von Forschungsergebnissen für einen erfolgreichen Transfer in die Anwendung unterstützen. Auch die unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie neu gegründete Agentur für Sprunginnovationen unterstützt bahnbrechende Ideen auf dem Weg in die Anwendung und steht auch für bioökonomische Innovationen offen.

Neue Wertschöpfungsnetze etablieren

Zentral für den Transfer in die Anwendung ist eine engere Vernetzung der Akteure sowohl zwischen Forschung und Wirtschaft als auch zwischen verschiedenen Wirtschaftszweigen. Die Bundesregierung unterstützt eine frühe und transparente Einbindung von Unternehmen und Wirtschaftsexpertise in den Forschungs- und Entwicklungsprozess, denn diese gewährleistet eine ausreichende Orientierung an den Erfordernissen des Marktes. Ein entsprechendes Instrument sind Sondierungsphasen, welche dem eigentlichen Forschungsvorhaben vorgeschaltet werden. Es ist davon auszugehen, dass der zunehmende Einsatz biobasierter Verfahren und Produkte bestehende Wertschöpfungsketten verändert. In diesem Zuge entstehen häufig neue Wertschöpfungsnetze, da durch die komplexen Stoffgemische von Biomasse neben dem gewünschten Produkt oftmals Stoffnebenströme entstehen, die ihrerseits als Rohstoff für einen anderen Prozess dienen können. Um sowohl die Effizienz als auch die Wertschöpfung zu erhöhen, müssen alternative Nutzungswege für einzelne Bestandteile oder Nebenprodukte erforscht und erprobt werden. Das ist nur möglich, wenn Akteure zusammenarbeiten und Expertise aus verschiedenen Disziplinen gebündelt wird. Dasselbe gilt für die Kreislaufwirtschaft. Idealerweise wird bereits beim Produktdesign berücksichtigt, wie das Produkt nach Ende seines Nutzungszyklus weiterverarbeitet oder recycelt werden kann. Die Bundesregierung unterstützt eine entsprechende Vernetzung zwischen den Produzenten und Nutzern in einem Wertschöpfungsnetz beispielsweise durch die Förderung geeigneter Verbundprojekte oder die Etablierung von Clustern.

Förderung von Start-ups sowie von kleinen, mittleren (KMU) und mittelständischen Unternehmen

Start-ups und junge Unternehmen sind ebenso wie kleine, mittlere (KMU) und mittelständische Unternehmen wichtige Innovationstreiber und Innovationsträger für die Bioökonomie. Sie verfügen jedoch häufig über zu geringe Finanzierungsmöglichkeiten. Aufgrund der überdurchschnittlich langen Entwicklungszeiten und Innovationszyklen, die lebenswissenschaftliche Produktentwicklungen oft mit sich bringen, bedürfen sie einer gezielten Förderung, die über die Bedürfnisse in vielen anderen Branchen hinausgeht. Daher werden entsprechende Maßnahmen zur Förderung von kleinen, mittleren und mittelständischen Unternehmen sowie von Start-ups und Neugründungen weiterentwickelt. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist ebenfalls offen für Innovationen der Bioökonomie.

Infrastrukturen für Forschung und Technologietransfer

Eine erfolgreiche Überführung wissenschaftlicher Erkenntnisse in wettbewerbsfähige Produkte und Verfahren ist nur dann möglich, wenn die Anforderungen des Marktes und der Industrie, wie Rohstoffverfügbarkeit, technische Voraussetzungen, regulatorische Herausforderungen oder kostenrelevante Faktoren, frühzeitig im Forschungs- und Entwicklungsprozess bedacht werden. Es ist daher von hoher Bedeutung, Infrastrukturen für die bioökonomische Forschung zu schaffen, die noch effizienter als bisher eine anwendungsorientierte Zusammenarbeit auch über Disziplingrenzen hinweg ermöglichen. In den letzten Jahren konnten in dieser Hinsicht bereits wichtige Akzente gesetzt werden.

Zudem gilt es, Räume zu schaffen, die die gezielte Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu markt- und wettbewerbsfähigen Anwendungen ermöglichen. Demonstrations- und Reallabore bieten die Chance, Innovationen integriert in bereits etablierten Prozessen zu testen. Um das hohe Investitionsrisiko bei der Markteinführung biobasierter Produkte und Prozesse zu minimieren, sollte darüber hinaus die Möglichkeit geschaffen werden, Innovationen auch in größerem Maßstab in Pilotanlagen zu testen.

Nachwuchs und Qualifikation

Die komplexen und über Disziplingrenzen hinausgehenden bioökonomischen Fragestellungen brauchen eine neue Qualität des systemischen Denkens und Handelns. Dazu werden hochqualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten benötigt, die über ihr Fachwissen hinaus die Fähigkeit zu inter- und transdisziplinärer Zusammenarbeit bereits in Ausbildung und Studium erwerben. Aber auch begleitend im Beruf müssen Weiterqualifizierungsmaßnahmen angeboten werden. Unternehmerische Grundkenntnisse sollen früher als bisher vermittelt werden. Durch spezielle Preise und Fördermodule werden im Rahmen der Forschungsförderung Anreize für eine bioökonomische Karriereplanung in Wissenschaft oder Industrie geschaffen.

3.2.5 Bioökonomie und Gesellschaft

Der Klimawandel, die demographische Entwicklung,  die Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln und Rohstoffen, die Begrenztheit der planetaren Ressourcen und der Schutz der Biosphäre einschließlich der biologischen Vielfalt sind die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Die Bewältigung dieser Herausforderungen wird nicht allein technisch gelingen, denn technologische Innovationen führen nicht immer zu den Lösungen, für die sie gedacht waren. Ein grundlegendes Verständnis für systemische Zusammenhänge und den globalen Wandel ist deshalb Voraussetzung für Lösungsstrategien, in die technologische Innovationen sinnvoll und erfolgreich eingebettet sind. Um diese gesellschaftlichen Transformationsprozesse und den sozio-technischen Wandel zu verstehen, bedarf es vermehrter sozial-, politik- und wirtschaftswissenschaftlicher Forschung.

Wechselwirkungen und Zielkonflikte erforschen

Mit der Bioökonomiestrategie übernimmt die Bundesregierung Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung. Bioökonomie muss zum Erreichen der übergreifenden politischen Ziele des Klimaschutzes und der nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, zu denen sich die Bundesregierung verpflichtet hat, beitragen. Einzelne Ziele dürfen nicht auf Kosten anderer Ziele erreicht werden. Dies ist nur möglich, wenn wir unser Verständnis systemischer Zusammenhänge ständig erweitern – von Stoffkreisläufen in einzelnen Anbausystemen über die Funktionsweise von Ökosystemen bis hin zu planetaren Grenzen, die auch die aktuelle europäische Bioökonomiestrategie betont.

Für ein solches Wissen ist die Interdisziplinarität der Bioökonomie-Forschung von großer Bedeutung. Dies betrifft sowohl die Natur- und Technikwissenschaften als auch die Sozial-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften gleichermaßen. Nur disziplinübergreifend können reale Probleme in ihrer Komplexität erfasst, Zusammenhänge und Zielkonflikte analysiert und nachhaltige Lösungen gefunden werden, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen und Erwartungen entsprechen.

Die Nachhaltigkeit der gefundenen Lösungen hängt dabei nicht zuletzt von Wechselwirkungen zwischen den technischen Möglichkeiten und wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Faktoren ab. Zu diesen Wechselwirkungen gehören auch Zielkonflikte, etwa im Bereich der Land- und Ressourcennutzung. Bei der Bioökonomie-Forschung geht es um eine neue, technologieoffene Form von Forschung und Entwicklung. Neue Technologien, auch Biotechnologien, können die bestehende Konkurrenz zwischen Schutz-, Nutzungs- und Vermarktungsinteressen weiter verschärfen. Daher ist es notwendig, aus einer übergreifenden Perspektive der Frage nachzugehen, welche Chancen und Risiken die Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien haben können. Hierbei sind auch Themen wie der Wert von Ökosystemleistungen und Natur, der Zugang zu Ressourcen, Verteilungsgerechtigkeit und Suffizienz wichtig. Damit verknüpft sind in vielen Ländern der Erde ganz grundsätzliche Fragen zum Verhältnis von Menschenrechten, Demokratie und Naturschutz. Diese Themengebiete enthalten eine starke ethische Komponente. Ethische Prinzipien können dazu beitragen, Zielkonflikte in der Bioökonomie zu erkennen und Lösungen aufzuzeigen. Im Kontext der globalen Herausforderungen (Ernährung sichern, Klimawandel bekämpfen, Biodiversitätsverlust stoppen, Naturräume schützen) stehen vor allem Land und Boden, biologische Vielfalt und Wasser im Fokus des weltweiten Wettlaufs um den Zugang zu natürlichen Ressourcen. Je dynamischer der Ausbau der Bioökonomie verläuft, umso dringender müssen diese Fragen zum Gegenstand eigenständiger Forschung der Sozial-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften gemacht werden, um zu nachhaltigen Lösungen zu gelangen.

Die Ergebnisse der Forschung sollen wichtige Beiträge zur Abschätzung der Potenziale der Bioökonomie, zu ihrer praktischen Ausgestaltung, zu ihren Folgewirkungen mit Blick auf verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit und damit auch hinsichtlich verfügbarer Handlungsoptionen liefern.

Vergleichende Nachhaltigkeitsbilanzen und Zertifizierungssysteme

Um zu optimalen Lösungen zu kommen, müssen vergleichende Nachhaltigkeitsbilanzen auf Basis umfassender Lebenszyklusanalysen erstellt werden, die zeigen, unter welchen Bedingungen biobasierte Produkte und entsprechende Verfahren anderen Lösungen überlegen sind. Das schließt sowohl konventionell-fossile Alternativen ein als auch solche, die auf dem Einsatz anderer erneuerbarer Rohstoffe beruhen. Entsprechende Forschungsvorhaben liefern unverzichtbare Entscheidungsgrundlagen für die fortlaufende Weiterentwicklung der Bioökonomie.

Die Entwicklung aussagekräftiger zusammenfassender Indikatoren kann außerdem als Grundlage für mögliche Zertifizierungssysteme dienen, die den Zusatznutzen und die Nachhaltigkeit biobasierter Produkte verdeutlichen und dadurch ihre Marktposition stärken. Auf dieser Basis können auch politische Entscheidungen zur Steuerung der Biomasseproduktion getroffen werden.

3.2.6 Globale Forschungskooperationen

Der Wissensaustausch über Ländergrenzen hinweg setzt Synergieeffekte frei, sowohl für die beteiligten Kooperationspartner als auch für die Bioökonomie als Ganzes. Die Bundesregierung wird die Voraussetzungen weiter verbessern, um international voneinander zu lernen und miteinander zu forschen. Das Ziel ist, Nachhaltigkeit und Bioökonomie global zu denken und umzusetzen. Hiervon kann Deutschland als Wissenschafts-, Technologie- und Innovationsstandort profitieren. Eine Ausweitung und Verstetigung der internationalen Zusammenarbeit trägt der globalen Verantwortung Deutschlands Rechnung.

Die Grundlagen für diese Kooperationen sind gelegt. Die Bundesregierung hat den Aufbau von transnationalen Forschungsnetzwerken in den letzten Jahren intensiv gefördert und mit ihren Maßnahmen dazu beigetragen, dass deutsche Forschungseinrichtungen weltweit einen hervorragenden Ruf genießen. Als einschlägige Plattform für den Austausch mit internationalen Expertinnen und Experten auch jenseits der Forschung hat sich der Global Bioeconomy Summit etabliert. Auf Initiative des 2012 bis 2019 amtierenden Bioökonomierates und gefördert von der Bundesregierung hat sich dieses hochrangig besetzte Gipfeltreffen zu einer Institution entwickelt, die wichtige Impulse für die Weiterentwicklung und Koordinierung verschiedener Bioökonomie-Ansätze liefert.

Zusammenarbeit in Europa

Die Bundesregierung wird die Kooperation im Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation zur Bioökonomie im europäischen Umfeld weiterführen und sich für ihre Stärkung einsetzen. Der intensive Austausch mit EU-Staaten in entsprechenden Arbeitsgruppen – darunter dem Standing Committee on Agricultural Research (SCAR) und der States Representative Group der Bio-Based Industries Joint Undertaking (BBI JU) – ist ein zentraler Pfeiler dieses Engagements. Insgesamt wird die Bundesregierung die Entwicklung der Bioökonomie auf EU-Ebene im konstruktiven Dialog mit den Partnern aktiv begleiten und sich für eine erfolgreiche Umsetzung der europäischen Bioökonomiestrategie einsetzen.

Zusammenarbeit mit außereuropäischen Partnern

Über die Grenzen Europas hinaus wird auch die Zusammenarbeit mit außereuropäischen Kompetenzträgern weitergeführt und ausgebaut werden. Durch gezielte bilaterale Forschungskooperationen mit ausgewählten Ländern werden Schwerpunkte gesetzt. Ebenso wird es internationale Maßnahmen geben, die grundsätzlich offen sind für Kooperationen deutscher Partner mit Partnern aus anderen Nationen. Die Bundesregierung ist überzeugt, dass jedes Land und jede Region einen individuellen Beitrag zur globalen Bioökonomie leisten kann, durch eine eigene Mischung aus Rohstoffen, Technologien, Wissen und Ideen. Durch Kooperationen können der Aufbau einer biobasierten Wirtschaft unterstützt und die individuellen Ansätze bestmöglich miteinander verzahnt werden.