Mit Hefen Wirkstoffe speichern und schützen

Mit Hefen Wirkstoffe speichern und schützen

Das Berliner Biotechnologie-Unternehmen Organobalance hat ein Verfahren entwickelt, das Wirkstoffe wie Vitamine, Spurenelemente und Fettsäuren mit einem natürlichen Mantel aus Hefen schützt.

Brutstätte für Hefestämme: In diesem Fermenter werden die Hefen unter stets gleichen Temperatur- und Druckverhältnissen gehalten.

Vitamine sind das A und O einer gesunden Ernährung. Doch meist wird nur ein Bruchteil ihres Potenzials vom Körper tatsächlich aufgenommen. Denn ein Großteil der gesunden Moleküle geht bei Nahrungsaufnahme verloren. Das Berliner Biotechnologie-Unternehmen Organobalance hat nun ein Verfahren entwickelt, dass Wirkstoffe wie Vitamine, Spurenelemente und Fettsäuren auf sehr natürliche Weise speichert und schützt – und zwar mit einem Mantel aus ausgewählten Hefestämmen. Dieser natürliche Wirkstoffschutz könnte eine Alternative zur herkömmlichen Vitamin- oder Arzneikapsel sein und deren Produktion nachhaltiger gestalten. Die Arbeiten wurden im Rahmen der KMU-Innovativ-Förderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über drei Jahre mit rund 260.000 Euro gefördert.

Dem Bäcker und Bierbrauer dienen sie seit Jahrhunderten als Werkzeug – die Saccharomyces-Hefen. Doch die Bäckerhefen können weit mehr als nur den Gärungsprozess bei der Bierherstellung ankurbeln oder den Kuchenteig zum Quellen bringen. Das Berliner Biotechnologie-Unternehmen Organobalance weiß um das vielfältige Potenzial der Mikroorganismen: in einer Sammlung beherbergt die Firma  mehrere tausend unterschiedliche Hefe- und Bakterienstämme, alle mit anderen interessanten Eigenschaften.  Mithilfe eines besonderen Screeningverfahrens können für Kunden aus der Industrie – sei es im Pharma-, Chemie- oder Lebensmittelbereich – die jeweils für den konkreten Bedarf geeigneten Mikroorganismen selektiert werden.

Hefezellen als Schutzhülle

Wenn es darum geht, gesunde Lebensmittel herzustellen, können die Winzlinge zum Beispiel eine wichtige Schutzfunktion übernehmen. Im Visier der Forscher: Vitamine, Spurenelemente und Fettsäuren. Denn diese wertvollen Substanzen gehen bei der Nahrungsaufnahme meist viel zu schnell verloren, bevor sie ihre Wirkung im Körper entfalten können. Lebensmittelexperten versuchen daher schon lange, einen Weg zu finden, wie sich diese Nährstoffe auf natürliche Weise vor Oxidation, Hitze oder Feuchtigkeit schützen lassen. Im BMBF geförderten Projekt „Effiziente Hefebeladung mit bioaktiven Wirkstoffen für die Ernährung“ wollten die Wissenschaftler nun herausfinden, welche Hefen für diese Aufgabe geeignet sind. „Unser Ziel war es, ein Anreicherungsverfahren zu entwickeln, das Bäckerhefen mit funktionellen Wirkstoffen anreichert, so dass vermehrt Wirkstoffe aufgenommen werden“, erklärt Klaus Pellengahr von Organobalance und ergänzt: „Die Hefezelle ist quasi eine Schutzhülle, die verhindert, dass diese wertvollen Wirkstoffe Schaden nehmen“.

Auf der Suche nach den geeigneten Hefestämmen müssen die Forscher bei Organobalance zahlreiche Tests durchführen.

Mit speziellen Zellextrakten Zellmauer durchbrechen

In einem ersten Schritt mussten die Forscher aus der umfangreichen Stammsammlung die für diese Aufgabe geeignetsten Hefestämme finden. Drei Kandidaten machten hier das Rennen, mit ihnen wollten die Wissenschaftler die Wirkstoffbeladung testen. Dabei handelt es sich jeweils um Wildtyp-Hefe-Stämme, deren Zellwand von Natur aus nur schwer zu knacken ist. Daher galt es in einem nächsten Schritt auch natürliche Extrakte zu identifizieren, um die Zellmauer zu durchbrechen. „Beim Transfer von draußen in die Zelle bietet die Zellwand eine große Barriere. Das kann man auflösen, indem man unsere Extrakte nutzt“, erklärt Pellengahr. Die Substanzen mussten jedoch das Talent haben, an die Hefen zu binden und die Wirkstoffaufnahme in den Zellen zu "pushen". Eine spezielle Technologie-Plattform der Organobalance machte die Wirkstoffbeladung dennoch möglich. „Mit diesem speziellen Tool  wird der Transport über die Membran erleichtert“, so Pellengahr. Am Ende wurden schließlich 1.000 Zellextrakte von 1.000 verschiedenen Mikroorganismen hergestellt, die Extrakte mit den Hefen inkubiert und dann die förderliche Wirkung auf die Endozytose getestet – also bei der Aufnahme von Wirkstoffen der Bäckerhefe.

Aus 1000 Extrakten drei Kandidaten gefunden

Das Ergebnis: Unter den 1.000 im Labor hergestellten Zellextrakten fanden die Organobalance-Forscher insgesamt 38 Substanzen mit Endozytose-fördernden Eigenschaften. Eine weitere Charakterisierung brachte am Ende drei Kandidaten hervor, die für eine Produktentwicklung geeignet sind. Alle drei sind in der Lage, den Transport der Vitamine, Spurenelemente und Fettsäuren in die Hefezellen so zu unterstützen, dass die empfindlichen Nährstoffe vor äußeren Einflüssen geschützt sind. Aber nicht nur das. „Die Zellextrakte ermöglichen eine Aufnahme der Wirkstoffe, so dass sie in den Hefezellen mit deutlich erhöhter Konzentration angereichert werden. Die Hefezelle selbst würde nicht soviel reinlassen“, betont Pellengahr die Vorteile des neuen Hefebeladungsverfahrens.

Information

ORGANOBALANCE GmbH

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Wegen ihrer Größe von nur einigen Mikrometern sind Hefestämme damit eine natürliche Alternative zu den viel größeren, aber gängigen Kapselverpackungen bei Vitaminpräparaten oder Arzneimitteln. Die Winzlinge könnten damit diese Herstellungsprozesse nachhaltiger gestalten, weil weniger fossile Ressourcen verbraucht werden. „Es ist eine sehr natürliche Variante, Vitamine zu speichern und zu schützen“, bilanziert Klaus Pellengahr. Nun arbeiten die Forscher daran, die Effizienz der Hefebeladung weiter zu steigern. Ihr Ziel: in den Hefezellen noch größere Mengen von Wirkstoffen zu speichern.

Autorin: Beatrix Boldt