Bau

Bau

Ob als Baumaterial und Werkstoff, zur Dämmung oder beim Innenausbau: Nachwachsende Rohstoffe können mit guten Materialeigenschaften punkten, verbessern die Umweltbilanz und sind oftmals gesundheitsverträglicher. Vor diesem Hintergrund sind Naturbaustoffe nicht nur für Neubauten, sondern auch für die Sanierung zunehmend interessant. Aber auch für konventionelle Produkte der Baubranche – wie Beton oder Asphalt – gibt es inzwischen biobasierte Strategien für mehr Nachhaltigkeit. Ein konstruktiver Beitrag zur Bioökonomie. 

DATEN & FAKTEN

Unternehmen:
327.000 (2017)

Mitarbeiter:
1,97 Mio. (2017)

Umsatz:
250 Mrd. Euro (2017)


(Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung(BBSR))

   

Beispiele aus der Bioökonomie:
Holzbau, naturfaserverstärkte Verbundwerkstoffe, Biodübel

Branche: Bau

Seitdem Menschen Behausungen bauen, kommen nachwachsende Rohstoffe wie Holz oder Stroh als Werk- und Baustoffe zum Einsatz. Da es auch in der Baubranche immer mehr auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz ankommt, steigt die Akzeptanz biobasierter Materialien wieder. So wird Holz verstärkt im konstruktiven Hausbau eingesetzt. Noch in der Erprobung befinden sich biobasierte Bindemittel. Um die Wertschöpfung der heimischen Land- und Forstwirtschaft zu erhöhen, wird zudem versucht, die Palette an natürlichen Ausgangsstoffen für Baumaterialien zu verbreitern. Neue Wege gibt es auch im Hoch- und Tiefbau – etwa wenn es darum geht, erdölbasierte Verfahren der Bauchemie bei der Herstellung von Beton klimafreundlicher zu gestalten. Damit ist die Baubranche mit ihren über 300.000 Betrieben und 1,9 Mio. Beschäftigten in Deutschland für den Aufbau der Bioökonomie von großer Bedeutung.

  

Holzbau auf dem Vormarsch

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben Baumaterialien aus Holz im Jahr 2011 einen Produktionswert von rund 14 Mrd. Euro erreicht. Bei Holz, das gesägt und gehobelt wird, dem sogenannten Schnittholz, und bei den Holzwerkstoffen belief sich dieser Wert jeweils auf rund 4 Mrd. Euro. Beim Schnittholz machen Nadelhölzer aufgrund ihrer überlegenen Holzeigenschaften den Löwenanteil aus, 2011 waren es 21,6 Mio. Kubikmeter Nadelschnittholz. Für die Produktion von Holzwerkstoffen werden Holzspäne miteinander verleimt und in Form von Platten gepresst. Spanplatten, das wichtigste Produkt der Holzwerkstoffindustrie, erreichten 2011 einen Produktionswert von 1,5 Mrd. Euro, rund 5,7 Mio. Kubikmeter wurden hergestellt.

Aufgrund seiner bauphysikalischen Eigenschaften ist Holz der wichtigste nachwachsende Bau- und Werkstoff: Es ist nicht nur flexibel, leicht und gut zu bearbeiten, sondern auch tragfähig, druckstabil und in verarbeiteter Form äußerst biegefest. Hinzu kommt der Nachhaltigkeitsaspekt: Holz speichert Kohlenstoff, die Herstellung von Holzprodukten für den Bau kommt mit weniger Energie als herkömmliche Bauprodukte aus und beim Rückbau hinterlassen sie keine Altlasten.

Als Bindemittel oder Klebstoffe werden in der Holzindustrie aber noch hauptsächlich auf Erdölbasis gewonnene Chemikalien eingesetzt. Dabei gibt es bereits biobasierte Alternativen, deren Praxistauglichkeit derzeit erprobt wird: Bindemittel auf Weizenprotein- und Kartoffelstärke-, Lignin- oder Tanninbasis. Entsprechende Forschungs- und Entwicklungsvorhaben stehen im Zentrum eines Förderschwerpunktes, den das BMEL im Jahr 2014 aufgelegt hat. Ein Blick auf die bei Neubauten eingesetzten Materialien zeigt: Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sind Leitthemen der Baubranche. Der Einsatz von Naturmaterialien nimmt zu, schon 16% der Neubauten in Deutschland sind heutzutage Holzhäuser. Immer öfter wird Holz von Architekten auch als tragendes Gerüst verbaut. Mit dem vom BMEL ausgelobten Bundeswettbewerb HolzbauPlus werden besondere Glanzstücke dieser Bauweise ausgezeichnet. In Berlin sind zum Beispiel mehrere fünf- bis siebenstöckige Wohnhäuser ganz aus Holz errichtet worden.

Werkstoff Holz

Durch die Möglichkeiten moderner Holztechnologien ist das natürliche Material aus Sicht von Fachleuten zu noch viel Höherem berufen: etwa für den Bau von mehr als 100 Meter hohen Türmen von Windkrafträdern. Die auf Laubhölzer spezialisierte Sägefirma Pollmeier Massivbau aus Thüringen plant für solche Konstruktionen den Einsatz von Baubuche. Für diesen neuartigen Werkstoff wird Holz vom Buchenstamm geschält und dann lagenweise übereinandergeleimt. So entsteht ein Hightech-Material, das sich für den konstruktiven Holzbau einsetzen lässt. Pollmeier ist Partner im Cluster „BioEconomy“ in Mitteldeutschland, der vom BMBF 2012 im Rahmen des Spitzencluster-Wettbewerbs ausgezeichnet wurde. Das Netzwerk konzentriert sich auf die maximale Wertschöpfung und möglichst vollständige Verwertung von Buchenholz.

Holz statt Stahl

In modernen Holzwerkstoffen steckt nicht nur Potential, um extreme Höhen zu erreichen: Forscher an der TU Chemnitz erproben in einem vom BMEL geförderten Projekt, ob Holzwerkstoffe tragende Materialien wie Stahl oder Aluminiumstreben in der sogenannten vertikalen Fördertechnik ersetzen können. Fördertechnische Anlagen sind ein wesentlicher Teil industrieller Produktionsprozesse und spielen auch bei Lager- und Materialflusssystemen eine wichtige Rolle. Entsprechend der Beschaffenheit des Fördergutes kommen unterschiedliche Fördersysteme zum Einsatz. Vertikale Systeme sind vor allem dann erforderlich, wenn es sich um komplexe Produktionssysteme handelt, um bestimmte Güter innerhalb verschiedener Ebenen hin- und herzubewegen.

Auf Holz als Rohstoffquelle setzen zunehmend auch Hersteller von Faserverbundwerkstoffen. In den vergangenen Jahren hat sich dieser Markt rasant entwickelt, mit teilweise zweistelligen Wachstumsraten. Der größte Einsatzbereich naturfaserverstärkter Faserverbundwerkstoffe ist die Automobilbranche (vgl. Automobil), aber auch mit Blick auf das konstruktive Bauen werden Ansätze erprobt.

Holz-Anhydrit-Verbundsystem entwickelt an der Bauhaus-Universität Weimar

Holz-Anhydrit-Verbundsystem

Holz statt Beton

Für mehr Nachhaltigkeit im mehrgeschossigen Hochbau sorgen zudem sogenannte Holz-Anhydrit-Verbundsysteme, die an der Bauhaus-Universität in Weimar entwickelt werden. Anhydrit ist ein in der Natur vorkommendes gipsähnliches Mineral, auch unter der chemischen Bezeichnung Calciumsulfat bekannt. Im Vergleich zu Beton kann es ohne großen Energieaufwand gewonnen und verarbeitet werden. Der Clou: Die Weimarer Ingenieure tragen einen Estrich aus Anhydrit direkt auf Holzelemente auf. Die entstehenden Kombi-Bauteile sind massiv und bestechen nicht nur durch hohe Tragfähigkeit, sondern schaffen auch ein angenehmes und gesundes Raumklima. In dem vom BMEL geförderten Projekt arbeiten die Forscher mit örtlichen KMU und der Maxit Baustoffwerke GmbH zusammen, die das Mineral in Thüringen abbaut. Damit ist auch für eine regionale Wertschöpfung gesorgt.

Nachwachsende Rohstoffe für den Innenausbau

In einer Ära des energieeffizienten Bauens und Sanierens gewinnen Naturdämmstoffe ebenfalls an Bedeutung – ihre Herstellung braucht weniger Energie und sie haben mit Blick auf die Gesundheit einen positiven Einfluss auf das Wohnklima. Im Sommer dämmen die Naturmaterialien gut gegen Hitze. Sie können zudem große Mengen an Feuchtigkeit aufnehmen und sind vielfach allergikerfreundlich. Schon heute liegt der Marktanteil von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen bei ca. 7%. Aufgrund der Fasereigenschaften werden für die Produktion von Holzfaserdämmstoffen bevorzugt Nadelhölzer eingesetzt. Forschungsbemühungen in der Forstwirtschaft zielen darauf ab, den Rohstoff Nadelholz effizienter einzusetzen (vgl. Land- und Forstwirtschaft). Auch Cellulose aus zerfasertem Altpapier dient als Ausgangsmaterial für Dämmstoffe. Hinzu kommen Hanf, Flachs, Wiesengras und Stroh sowie Schafwolle. Durch Markteinführungsprogramme des BMEL, die inzwischen abgeschlossen sind, wurde der Einsatz der Naturfaserdämmstoffe in Deutschland gezielt vorangetrieben: Insgesamt 17.000 Haus- oder Wohnungseigentümern hatten zwischen 2002 und 2008 von einer Förderung profitiert.

Natürliche Farbenpracht

Von der Bundesregierung gefördert wird auch das Wissen um den Einsatz von Naturfarben, deren Marktanteil derzeit bei nur 3% liegt. Dabei können sie viele Vorteile aufweisen: Eine mit Naturölen gepflegte Holzfläche kann weiterhin „atmen“. Eine Wand mit einer Kasein-Naturharz-Farbe gestrichen verbessert das Raumklima. Ein Naturharz-Latex-Kleber gibt keine giftigen Gase ab. Anders als konventionelle chemische Produkte wie Acryl- und Alkyd-Produkte, Reaktionslacke, Nitro- oder Polyurethanlacke werden Naturfarben aus natürlichen mineralischen und nachwachsenden pflanzlichen Quellen hergestellt und kommen mit weit weniger Lösungsmittel aus. Unter den mehr als 100 Naturfarben-Produkten zählen Wandfarben, Holzlasuren, Naturharzlacke, Öle und Wachse zu den wichtigsten.

Wichtige Rolle bei Bodenbelägen

Eine größere, auch kommerzielle Rolle spielen nachwachsende Rohstoffe bei Bodenbelägen. Sie liefern die Basis für Holzfußböden wie Parkett, Dielen oder Laminat, aber auch für Kork- und Sisalböden. Linoleum besteht hauptsächlich aus Leinöl, Kork- und Holzmehl, Kalksteinmehl und Pigmenten sowie einem Jutegewebe als Trägerschicht. Aktuelle Anstrengungen in der Branche zielen darauf ab, die Nutzung heimischer Hölzer zu steigern. So hat die Timura Holzmanufaktur GmbH aus dem Holzcluster Rottleberode im Südharz – ein zentraler Rohstofflieferant des mitteldeutschen Spitzenclusters „BioEconomy“ – zum Beispiel ein thermisches Verfahren entwickelt, mit dem sich heimische Hölzer so veredeln lassen, dass sie Eigenschaften von Tropenholz aufweisen. Die mit speziellen Heizplatten behandelten Dielen sind haltbarer als herkömmliche Hölzer, geruchsarm und lassen sich in zahlreichen Farbnuancen erzeugen

Vom Bioabfall zum Betonverflüssiger

Am wenigsten nachhaltig zeigt sich die Baubranche derzeit in der Bauchemie – etwa bei der Herstellung von Beton, der wichtigsten Grundlage für modernen Hoch- und Tiefbau. Sein bindender Grundstoff, der Zement, benötigt bei der Herstellung viele Ressourcen, unter anderem Wasser. Doch auch hier gibt es neue Ansätze. Mit Unterstützung des BMBF hat sich eine Allianz unter Federführung des Düsseldorfer Biotechnologie-Unternehmens evocatal zum Ziel gesetzt, einen biobasierten Betonverflüssiger zu entwickeln, der noch mehr Wasser spart als bisherige Produkte.

Schon heute reduzieren Betonverflüssiger den Wasserverbrauch beim Verarbeiten von Beton etwa um 15%. Sie sorgen auch dafür, dass er lange fließfähig bleibt und nach dem Abbinden extrem belastbar ist. Bislang werden diese Hochleistungsverflüssiger allerdings noch aus Erdöl hergestellt. Für die Herstellung der biobasierten Variante setzt evocatal auf neuartige Enzyme. Diese können Abfallprodukte aus Zellstofffabriken in verwertbare Produkte umwandeln. So fallen in der Papierherstellung derzeit weltweit pro Jahr etwa 50 Mio. Tonnen des Holzstoffs Lignin an. Mit Hilfe von speziellen Enzymen lässt sich das Lignin zu einem interessanten Beton-Zusatzstoff verwandeln. Zusammen mit den Partnern des Konsortiums haben die Biotechnologen bereits Enzym-Kandidaten aufgespürt, die aus dem Naturstoff ein robustes und innovatives Industrieprodukt herstellen können.

Sparsam und schnell mit pflanzlicher Stärke

Ein anderes Biopolymer, das sich als Beton-Zusatz eignet, ist pflanzliche Stärke. Hier lässt sich das Kohlenhydrat zum Beispiel beim Spritzbeton zugeben, der im Tunnelbau eingesetzt wird. Dem Gemisch aus Sand und Zement wird ein aus Mais gewonnener Stärkeether zugesetzt. Der Spritzbeton haftet damit besser an den Wänden und der Material- und Energieaufwand beim Auskleiden von Tunnelwänden kann gesenkt werden. Forscher der Unternehmensgruppe Südzucker haben dazu in einem BMEL-geförderten Projekt mit Stärkemolekülen experimentiert, die noch zusätzlich mit chemischen Anhängseln versehen sind. Im Prüfstand an der Ruhr-Universität in Bochum sorgte der Maisstärke-Zusatz besonders für eine rasche Frühfestigkeit des Spritzbetons – eine bei Tunnelbauern sehr gefragte Eigenschaft.

Asphalt aus Bratöl

Für den Straßenbau experimentieren Forscher zudem mit biobasiertem Asphalt. Das klebrige Bitumen als Bindemittel lässt sich aus Bioabfällen gewinnen, zum Beispiel Speiseöl, das beim Frittieren und Braten in der Gastronomie anfällt. Zusammen mit Flugasche, einem Abfallprodukt aus Kohlekraftwerken, lässt sich ein Asphalt herstellen, der in ersten Tests bereits interessante Eigenschaften gezeigt hat. Ob der Bioasphalt aber tatsächlich als robuster und langlebiger Straßenbelag bestehen kann, muss sich erst noch zeigen.