Norwegen

Norwegen

Reiche, natürliche Ressourcen bilden die Grundlage des Wohlstands in Norwegen. Insbesondere die Öl- und die Fischindustrie treiben die Exporteinnahmen in die Höhe, letztere mit dem Aquakultursektor als einer bedeutenden Säule. Zu den tragenden Wirtschaftszweigen des Landes, die für den Aufbau einer Bioökonomie ebenfalls besonders wichtig sind, zählen die Holz- und Papier- sowie die Lebensmittelindustrie. Im Frühjahr 2015 hat die Regierung beschlossen, eine nationale Bioökonomie-Strategie auszuarbeiten. Im Dezember 2016 wurde sie offiziell veröffentlicht.

Rechtliche und politische Grundlagen

Norwegen zählt weltweit zu den bedeutenden Erdöl-exportierenden Nationen. Seinen Elektrizitätsbedarf deckt das Land fast vollständig mit heimischer Wasserkraft. Doch der Forschungsrat des Königreichs bezeichnet biobasierte Industrien für die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Landes als unerlässlich, wodurch auch die Bedeutung der Bioökonomie in Norwegen weiter zunimmt. Bereits im Jahr 2002 wurde vom norwegischen Außenministerium eine nationale Strategie für eine nachhaltige Entwicklung (“National Strategy for Sustainable Development“) vorgelegt. Sie schloss schon damals Bereiche ein, die die heutige Bioökonomie betreffen . Insbesondere Ozeane als Rohstoff-Ressource, Aquakulturen, Biodiversität und den Bereich Böden und Landwirtschaft.

Nationale Bioökonomie-Strategie veröffentlicht

Anfang 2015 gab die Regierung eine Bioökonomie-Strategie in Auftrag, die das Landwirtschaftsministerium, das Handelsministerium und das Fischereiministerium gemeinsam ausarbeiten werden (Mehr Infos (auf norwegisch)). Zudem wird auf gesetzgeberischer Ebene darüber diskutiert, Steuererleichterungen für Produkte einzuführen, die mit biobasierten Verfahren hergestellt wurden. Auch soll Biogas von der Verbrauchssteuer für Fahrzeuge, die über den Kraftstoffpreis miterhoben wird, befreit bleiben. Des Weiteren entstand im Sommer 2015 das dem Landwirtschaftsministerium unterstehende Institute of Bioeconomy Research (NIBIO). Im Dezember 2016 hat die Regierung eine offizielle Regierungsstrategie zur Bioökonomie veröffentlicht. (Mehr Informationen)  

Aquakultur und Biomasse als politische Schwerpunkte

Als wichtiger Faktor für eine biobasierte Wirtschaft gilt die Biotech-Branche. Für deren Weiterentwicklung wurde im Jahr 2011 eine nationale Strategie von Seiten der Regierung veröffentlicht, die den Titel “National Strategy for Biotechnology 2011 – 2020: For the future of value creation, health and the environment” trägt. Vier thematische für das Land wichtige Bereiche wurden identifiziert, von denen insbesondere drei die Bioökonomie berühren: Aquakultur, Nahrungsmittel-/Biomasseproduktion und umweltfreundliche Industrieprozesse, wobei letzterer als unterentwickelt gilt. Beteiligt an der Strategie waren sechs Ministerien, der Forschungsrat und die Innovationsagentur des Landes. Schon im Jahr 2009 wurde die Strategie “Marine bioprospecting – a source of new and sustainable wealth growth” veröffentlicht. Damaliges und heutiges Ziel der Regierung: Nachhaltiger Wohlstand auf Basis biomariner Ressourcen. In der Folge wurden auch die Kommerzialisierungs- und internationalen Kooperationsaktivitäten verstärkt. So unterzeichneten die Innovationsagenturen Norwegens und Großbritanniens 2011 eine Vereinbarung, die die transnationale Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie in den Bereichen Biotechnologie und Bioraffinierung stärken sollte. Im Jahr 2014 wurde auch eine neue Kooperationsstrategie zwischen Deutschland und Norwegen vorgestellt, die unter anderem Schwerpunkt ein den Feldern Umwelt und Klima setzt. (Mehr Informationen)

Eine historisch gewachsene enge Verbindung gibt es zu den anderen skandinavischen Ländern. Dies spiegelt sich auch beim Thema „Grünes Wachstum“ wieder. So  arbeitet der Rat der nordischen Minister in einer gemeinsamen Initiative („Green Growth the Nordic Way“) an Projekten wie der bevorzugten Beschaffung biobasierter Produkte durch öffentliche Stellen, der Nutzung von Abfällen und Demonstrationsanlagen eng zusammen .

Forschungslandschaft

Die Fischerei zählt zu den wichtigsten Säulen der Wirtschaft, darüber hinaus bilden die Wälder eine wichtige biologische Ressource des Landes. So finden sich die Themen Nachhaltigkeit, Biomasse und Meeresforschung auch an den Hochschulen dieses skandinavischen Land wieder.

Bioökonomie-Forschungsinstitut gegründet

Im Juli 2015 nahm eines der größten Forschungsinstitute im Land seine Arbeit auf, das Institute of Bioeconomy Research (NIBIO). Es entstand durch die Fusion des Norwegischen Institute for Agricultural and Environmental Research (Bioforsk), des Forestry and Landscape Institute und des Agricultural Economics Research Institute (NILF), beschäftigt 725 Mitarbeiter und verteilt sich auf 18 Standorte im Land. Formal zugeordnet ist es dem Landwirtschaftsministerium, vergleichbar also einer Einrichtung der deutschen Ressortforschung. Als Jahresbudget sind 680 Millionen Norwegische Kronen vorgesehen. Schwerpunkte sind die Bereiche Nahrungsmittel, Forstwirtschaft, Pflanzengesundheit und Biotechnologie, Umwelt und Klima sowie Kartierung und Statistik. Beispielsweise arbeiten hier Forscher an Enzymen, mit deren Hilfe Holz in seine Bestandteile zerlegt oder biobasierte Chemikalien produziert werden können. Vorgesehen ist ein Herstellungsprozess für die Enzyme mit Tabakpflanzen als einem natürlichen Bioreaktor.

Trondheim als Technologiehauptstadt Norwegens

Trondheim gilt dank seiner Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität (NTNU) und SINTEF, dem größten unabhängigen Forschungsinstitut des Landes, inzwischen als Technologiehauptstadt Norwegens. Insbesondere in den Technologiezweigen Energie/Umwelt, Materialwissenschaften, Meeresforschung sowie Informations- und Kommunikationstechnologie genießt die NTNU, mit 23.000 Studenten zweitgrößte im Land, Ansehen über die Landesgrenzen hinweg. Hier haben Wissenschaftler unter anderem einen Prozess zur Herstellung von Bioethanol aus Hol entwickelt, der gegenüber herkömmlichen Verfahren um ein Vielfaches beschleunigt ist. Daneben konzentrieren sich die Forscher auf neue Anwendungen mariner Biopolymere und auf marine Mikroorganismen.

Als Partner für Forschung und Entwicklung in Unternehmen und von öffentlichen Auftraggebern ist die SINTEF-Gruppe in Norwegen von großer Bedeutung. SINTEF ist die Abkürzung für Foundation for Scientific and Industrial Research at the Norwegian Institute of Technology (NTH) und gilt mit ihren rund 2.100 Mitarbeitern als größte unabhängige Forschungsorganisation in Skandinavien. In der Nähe der NTNU in Trondheim angesiedelt, existiert eine enge, insbesondere personelle, Verzahnung mit dieser Universität. Jedes Jahr unterstützt SINTEF die Entwicklung von 2000 norwegischen und anderen Unternehmen durch ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Eines ihrer acht Forschungsinstitute konzentriert sich auf Fischerei und Aquakultur. In enger Abstimmung mit dem Institut etablierten sich Norwegenweit Bioökonomie-relevante Interessengruppen. Die Gruppe Seetang bindet seit dem Jahr 2014 zahlreiche Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammen. Mikroalgen stehen im Mittelpunkt einer weiteren Gruppe. Die Verwendung von Lignocellulose will eine neue, Anfang 2015 initiierte Gruppe stimulieren. Diese unterstützt auch das Paper and Fibre Institute (PFI), das wiederum eine Tochter der schwedischen INNVENTIA ist. Dieses in Form einer Aktiengesellschaft aufgebaute Forschungsinstitut hat zahlreiche Zellstoff- und Papierfabriken als Anteilseigner und forscht rund um den Rohstoff Holz.

Öffentlich geförderte Exzellenzzentren

Neben den Universitäten spielen öffentlich geförderte Forschungszentren eine große Rolle in Norwegen. Die „Sentre for fremragende forskning (SFF)” – Zentren für exzellente Forschung – helfen Forschergruppen, ehrgeizige wissenschaftliche Ziele über eine langfristig orientierte Förderung zu erreichen. Die „Sentre for forskningsdrevet innovasjon (SFI) – Zentren für forschungsbasierte Innovation“ – stärken dagegen die Verbindungen von universitären Arbeitsgruppen zu forschungsintensiven Firmen. An der NTNU sitzen beispielsweise zwei Bioökonomie-relevante Exzellenzzentren: Das Centre for Biodiversity Dynamics (CBD) und das Centre for Autonomous Marine Operations and Systems (AMOS).

Starke Forschungsstandorte in Bergen und Oslo

Die Universität Bergen mit ihren fast 15.000 Studenten beheimatet wiederum zwei SFI-Zentren. Das Sea Lice Research Centre kümmert sich um Fischkrankheiten, das Centre for Research-based Innovation in Sustainable Fishing and Pre-processing technology (CRISP) bringt die Fischereiindustrie mit universitärer Forschung zusammen. Die Universität Bergen beheimetet zudem den größten biomarinen Schwerpunkt Norwegens in der Abteilung Biologie, dazu zählen die Institute Aquakulturen und Ernährung. Hier setzen die Forscher auf Tunikaten oder auch Manteltiere. Einmalig im Tierreich: Sie bestehen zu einem Teil aus dem Vielfachzucker Cellulose. Ziel ist nun, diese neuartige Rohstoffquelle für die Herstellung von Biokraftstoff und Futtermitteln zu nutzen. Das banachbarte Institut für Meeresforschung (IMR) mit seinem Hauptstandort in Bergen und ungefähr 700 Angestellten gilt als Norwegens größtes Forschungsinstitut dieser Art. Zu seinen Hauptaufgaben gehört insbesondere die Erforschung der Aquakulturen und Ökosysteme der nördlichen Meere und der norwegischen Küste. Das Institut wird daher fast zur Hälfte vom Ministerium für Fischerei finanziert.

Die größte und älteste Universität im Königreich ist allerdings die 1811 gegründete Universität Oslo mit ihren 27.000 Studenten. Das SFF-Centre for Ecological and Evolutionary Synthesis (CEES) ist dort der Abteilung Biowissenschaften angegliedert, im Zentrum stehen Fragen zur Ökologie. Ausgerichtet auf die Grundlagenforschung interessieren sich die Wissenschaftler innerhalb der Biowissenschaften unter anderem für Aquatische Biologie.

Von biomariner Forschung über Ökologie bis hin zu Ernährung

Wenn es um die Kommerzialisierung von Ideen geht, können sich Firmen auf dem Campus der Universität Oslo ansiedeln, im Oslo Science Park. Laut eigenen Angaben, mit 1.900 Menschen das größte Innovationszentrum des Königreichs. Zudem sitzen hier das MarLife-Netzwerk und -Business Centre, die Akteure mit biomarinen Interessen versammeln. An der nahe Oslo gelegenen Universität für Umwelt- und Biowissenschaften (NMBU) studieren 5.000 Studenten in den Bereichen Umwelt, nachhaltige Entwicklung, erneuerbare Energien und Nahrungsmittelerzeugung. Entstanden aus drei Vorgängerinstituten im Jahr 2003 stehen in der Abteilung Chemie, Biotechnologie und Lebensmittelwissenschaften Grundlagen als auch ihre Anwendungen im Mittelpunkt des Interesses. Seine Heimat an der NMBU hat das SFI-Zentrum FOODS – Foods of Norway. Zusammen mit internationalen Partnern und der Industrie sollen im Exzellenztrenum unter anderem Futtermittel aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt werden.

Als weltweit nördlichste Universität beheimatet die Arktische Universität Norwegen fast 12.000 Studenten. 1.700 von ihnen sind an der Fakultät für Biowissenschaften, Fischerei und Wirtschaft eingeschrieben. Auf der Forschungsagenda stehen unter anderem arktische Ökosysteme und ihre Bewohner, Fischgenetik und Impfstoffe gegen Fischkrankheiten. In der Abteilung Chemie suchen Forscher nach kältetoleranten Enzymen aus dem Meer.

Das Forschungsinstitut Nofima gehört mit seinen rund 360 Mitarbeitern zu den größten Einrichtungen Europas, die im Bereich Fischerei, Aquakultur und Lebensmittelforschung anwendungsnah tätig sind. In Teilen vom Forschungsrat und dem Handelsministerium finanziert, zählt die Regierung auch zu seinen Anteilseignern.  Erfolgreich etablierte Nofima das SFI-Zentrum CtrlAQUA – Centre for Closed-containment Aquaculture. Das Bioenergy Innovation Centre (CenBio) gehört dagegen zur Gruppe von 11 norwegischen Forschungszentren für umweltfreundliche Energien (FME – Forskningssentre for miljøvennlig energi). Forschungsaktivitäten mit einem Bezug zur biobasierten Wirtschaft weist auch das IRIS (International Research Institute of Stavanger), im Besitz der lokalen Universität und einer Stiftung, mit seinen 200 Mitarbeitern und Schwerpunkten in industrieller Biotechnologie und Nahrungsmittelversorgung auf.

Bioraffinerien im ganzen Land

Pilotanlagen zur Prozessierung von Biomasse aus unterschiedlichsten Quellen und zahlreiche Bioraffinerie-Forschungsprojekte existieren ebenfalls im ganzen Land. So vereint beispielsweise das im Jahr 2014 initiierte NorBioLab die Expertise des PFI, der NTNU und der NMBU sowie des SINTEF, um Biokraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen . Des Weiteren wird in diesem Feld mit dem schwedischen Bioraffinerie-Konsortium Processum kooperiert, um den gemeinsamen Aufbau von Pilotanlagen weiter voranzutreiben. Hierfür stellen auch regionale Behörden Geld - zum Bespiel in Zentral-Norwegen - zur Verfügung.

Forschungsrat als wichtigster Fördermittelgeber

Der Norwegische Forschungsrat (Norges forskningsråd), finanziert vom Ministerium für Bildung und Forschung und vom Ministerium für Handel und Industrie, gilt als einer der wichtigsten Fördergeber für Wissenschaft und Forschung im Königreich. Mit einem Gesamtbudget von mehr als 7 Milliarden norwegischen Kronen ausgestattet werden Grundlagen- als auch anwendungsnahe Projekte gefördert. Neben dieser zentralen Rolle als Fördergeber unterstützt der Rat die Regierung mit Empfehlungen und Beiträgen zur Forschungspolitik etwa der Identifizierung von national relevanten Forschungsfeldern. Diese Ergebnisse helfen Entscheidungsträgern, den gesamten Bereich besser zu regeln und zu lenken. Als eine der künftigen Prioritäten des Landes sieht der Rat inzwischen Ressourcen-basierte Industrien an. In vorherigen Jahren galt schon der Biotechnologie und mit ihr auch Bioökonomie-relevanten Themen seine Aufmerksamkeit. So sind Biotek2021 („Biotechnology for innovation“, Laufzeit von 2012 bis 2021), und Bionaer („Sustainable Innovation in Food and Bio-based Industries“, Laufzeit von 2012 bis 2021) in diesem Zusammenhang bedeutende Forschungsprogramme. Flankierend wurde 2013 das „Biorefinery Progamme“ zur Förderung der noch jungen Bioökonomie aufgelegt.

300 Mio. Euro Budget für Bionaer-Programm

In Bionaer, im Jahr 2012 aufgelegt, sollen etwa 300 Millionen Euro investiert werden. Im Zentrum steht die Reduzierung der Emissionen klimaschädlicher Gase, Ressourceneffizienz, neue Wertschöpfungsketten und die Entwicklung von Märkten. Hierbei wird festgestellt, dass Forschung und Innovation wichtig sind, um eine biobasierte Wirtschaft zu unterstützen. Kooperationen, auch international, und Interdisziplinarität gelten als unverzichtbar für die Entwicklung. Essentiell für den Erfolg sei, den Nachhaltigkeitsaspekt klar umzusetzen und in geschlossenen Kreisläufen zu denken. Prioritäten des industrie-orientierten Programms liegen auf Landnutzung und Biomasse (vor allem Holz), der Produktion gesunder Lebensmittel (insbesondere aus marinen Quellen). Ausschlaggebend für den Erfolg sei auch die systematische Kooperation und Koordination zwischen weiteren, sich thematisch überlappenden Programmen wie Biotek2021.

Biotek2021: Public-Private Partnerships als Treiber

Die BIOTEK2021-finanzierten Forscher der NMBU sind unter anderem federführend im NorZymeD-Projekt eingebunden. Ziel der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus Wissenschaft und Industrie sind neue Enzyme für die Prozessierung von agrarischen und marinen Rohstoffen. Getestet werden diese in einer Anlage des Unternehmens Borregard. Arbeitsgruppen der Universitäten in Bergen und in Tromso sowie des SINTEF sind ebenfalls an Bord. An der NTNU könnten künftig marine Ressourcen für neuartige bio-basierte Materialien genutzt werden. Zumindest arbeiten die Forscher des Departments of Biotechnology im ebenfalls BIOTEK2021-finanzierten Projekt MarPol an diesem ehrgeizigen Ziel. Wieder in Zusammenarbeit mit weiteren norwegischen Forschungseinrichtungen und Industriepartnern etwa FMC Biopolymer. Das NIFU Nordic Institute for Studies in Innovation, Research and Education leitet unterdessen das Bionaer-Projekt SusValueWaste. Hier werden im Verbund mit weiteren akademischen Partnern Bioökonomie-Wertschöpfungsketten auf den Prüfstand gestellt.

Bedeutend für die Forschungsförderung sind auch die norwegische Innovationsagentur, die einen Schwerpunkt auf die Bioökonomie gelegt hat, und die Gesellschaft für industrielle Entwicklung, Siva. Zudem existieren enge Verbindungen zur EU – obwohl Norwegen kein Mitglied ist. So ist der Forschungsrat als Beobachter am ERA-NET Industrial Biotechnology beteiligt. Darüber hinaus sind norwegische universitäten oder Unternehmen als Partner in europäischen Forschungsprojekten vertreten.

Unternehmenslandschaft

Schlüsselsektor in Norwegen ist die Öl- und Gasindustrie, deren große Firmen vom Staat kontrolliert werden. Mit einem Anteil von knapp einem Viertel am Bruttoinlandsprodukt (BIP) und bis zu 50% am norwegischen Export steht dieser Sektor unangefochten an der Spitze. Zu den bedeutenden Einnahmequellen zählt daneben die Fischerei mit Schwerpunkten in Lachszucht und Fischverarbeitung. Immer mehr an Bedeutung gewonnen hat in diesem Bereich in den letzten Jahren die Aquakultur. So gilt Norwegen als einer der weltweit größten Exporteure von Fisch und Meeresfrüchten und exportierte im Jahr 2014 Meeresdelikatessen im Wert von rund 7,8 Mrd. Euro. Das berichtet das Deutsche Auswärtige Amt in einer Übersicht zu Norwegen (mehr lesen) Dabei stellen Fischexporte ca. 6% aller norwegischen Ausfuhren dar. Einer der größten Abnehmer: Deutschland. Die Holzindustrie hatte 2011 einen Anteil von 0,54 Prozent am BIP.

Aquakultur auf Erfolgskurs

Zu den großen Unternehmen der Bioökonomie zählt das börsennotierte Nahrungsmittelunternehmen Marine Harvest mit Firmensitz in Oslo. Als größter Zuchtlachskonzern der Welt beschäftigt er rund 12.000 Mitarbeiter und betreibt Zuchtfarmen von Norwegen über Schottland und Kanada bis hinunter nach Chile. Zu den führenden Produzenten von atlantischem Lachs zählt hingegen die Lerøy Seafood Gruppe mit ihren mehr als 1.990 Beschäftigten. Als ein Erfolgsfaktor für die norwegische Aquakultur gilt die enge Verbindung der Fischzuchtindustrie, mit den Aufsichtsbehörden und den Forschungseinrichtungen. Diese schafften es ab den 1970er Jahren eine vollkommen neue Industrie mit rund 20.000 direkten und indirekten Arbeitsplätzen zu schaffen.

2011 wurden mehr als eine Million Tonnen an Lachs produziert, was Norwegen den ersten Platz als weltweit größter Lachsproduzent sicherte. Firmen wie AquaGen mit ihren Zucht- und Selektionsprogrammen liefern den Fischfarmen die millionenfach notwendigen Fischeier. Weil das für die Fischzucht notwendige Futter meist aus in Brasilien angebautem Soja stammt, besteht eine gewisse Abhängigkeit. Um diese zu reduzieren, suchen Unternehmen auch aktiv nach neuen biobasierten Futterquellen. Die privat gehaltene Seagarden nutzt arktischen Krill und Abfälle wie Fischhäute als Rohstoff für seine marinen Inhaltsstoffe. Mit diesen beliefert Seagarden Kunden in der Nahrungsmittel- und der Tierfutterindustrie sowie kosmetische oder pharmazeutische Betriebe, die insbesondere Extrakte, Chitin oder Kollagen-Peptide beziehen. Mit Mitteln der Innovation Norway und Innovate UK-Initiative ausgestattet arbeitet Seagarden zusammen mit britischen Partnern auch an neuen Prozessen, um organische Säuren aus marinen Quellen zu extrahieren. Die Firma Nutrimar produziert in ihrer Anlage Proteine, Öle und Fischmehle aus Lachsresten. Hardafor holt mit Spezialschiffen die Abfälle und Reste aus Fischfarmen und Schlachthöfen ab, die entlang der Küste liegen. In seinen Verarbeitungsanlagen entstehen hieraus Futtermittel für norwegische, europäische und asiatische Abnehmer. Öl aus Fischleber und Kollagen aus der Haut eignen sich auch für den menschlichen Gebrauch. Die Calanus setzt dagegen auf Zooplankton. Hieraus extrahiert das Unternehmen Inhaltsstoffe, die als Nahrungsergänzungs- oder Futtermittel vermarktet werden.

Norske Skog spielt dagegen in der ersten Liga der weltweit größten Papierhersteller mit, der auch Standorte in Deutschland hat. Allerdings musste das Unternehmen erst kürzlich bekanntgegeben, seine Fabrik in Duisberg-Walsum zu schließen. Grund hierfür sei die in den vergangenen Jahren eingebrochene Nachfrage nach Papier. Als Reaktion auf das schwache Geschäft setzt der Konzern jetzt auf Biogas. Hierzu sind an seinen  Produktionsstätten Anlagen geplant, die die Abfälle der Herstellung als Ausgangsstoff für die Biogasgewinnung verwenden.

Bioraffinerien zur Vewertung von Holz

Als relevanter Akteur einer biobasierten Wirtschaft und als Leuchtturm der norwegischen Chemieindustrie gilt der Borregard-Konzern. So besteht die Chemieindustrie vornehmlich aus kleinen, national operierenden Nischenproduzenten mit einem Schwerpunkt auf Industriechemikalien. Borregard dagegen ist international tätig, verwertet nachwachsende Rohstoffe, um erdölbasierte zu ersetzen, und nutzt industrielle biotechnologische Verfahren zur Herstellung seiner Produkte. Als Papier- und Zellulosehersteller gegründet, unterhält er inzwischen eine der weltweit größten Bioraffinerien. Für die Herstellung biobasierter Produkte setzt das Unternehmen auf seine patentierte Borregaard Advanced Lignin (BALI)-Technologie. Diese ist die Grundlage, um in seiner Pilotanlage insbesondere aus Holz und landwirtschaftlichen Rohstoffen Bioethanol, Biochemikalien und Lignin herzustellen. Alleinstellungsmerkmal ist eine Sulfit-Vorbehandlung der Biomasse, so dass diese besonders effizient aufgeschlossen werden kann. Enzymatische oder fermentative Verfahren schließen sich an. In der 2012 in Betrieb genommenen „Bioraffinerie Demo“ wird Cellulose-haltige Biomasse in Zucker und Lignin umgewandelt, die zu Biochemikalien und Bioethanol weiterverarbeitet werden können. Anschließend mischt der norwegische Öl- und Gaskonzern Statoil dieses Bioethanol seinem Kraftstoff bei.

Industrielle Biotechnologie als Treiber

Die Bioökonomie Norwegens könnte künftig auch von der noch jungen Biotech-Branche profitieren. Ein wichtiger Knotenpunkt für die Entwicklung der biobasierten Wirtschaft im Land ist das Industrial Biotech Network Norway (IBNN). Diese Plattform versammelt Akteure, darunter zahlreiche Unternehmen, die Forschung, Wissenstransfer und Innovation innerhalb einer biobasierten Wirtschaft und der industriellen Biotechnologie im Land voranbringen wollen. Der Branchenverband Norwegian Bioindustry Association (NBA) listet rund 120 Firmen und Organisationen, von denen 40 der Bioökonomie zugeordnet werden können. Doch ist die Biotechnologie-Branche im Vergleich mit anderen Industrieländern noch vergleichsweise jung und übersichtlich. So begann die norwegische Regierung erst Ende der 90er Jahre Unternehmen in der Biotechnologie aktiv zu fördern. An der nordwestlichen Küste sind vor allem Unternehmen angesiedelt, die sich mit der Ressource Meer beschäftigen und die Inhaltsstoffe aus dem Meer weiterverarbeiten – nicht ungewöhnlich für einen Staat, der über insgesamt 2,700 Kilometer Küste verfügt und dessen Wirtschaft unter anderem auf Fischfang basiert. So geht es Aqua Bio Technology, im Jahr 2000 gegründet und seit dem Jahr 2008 börsennotiert, insbesondere um die Gewinnung von Enzymen für kosmetische Zwecke.

Die in Tromsö angesiedelte Biotec Pharmacon verfolgt wiederum zwei Richtungen: Zum einen hat sie über ihre Tochter ArcticZymes kälteresistente Enzyme aus Meerestieren im Portfolio. Zum anderen entwickelt sie innerhalb der Biotech BetaGlucans immunmodulierende Wirkstoffe aus Hefen, die zur Behandlung von Immunkrankheiten zum Einsatz kommen sollen. In der industriellen Biotechnologie aktiv ist die Firma Biosentrum (Sitz in Stavanger) an der Westküste Norwegens, die sich auf das Up-Scaling von biotechnologischen Laborprozessen für den industriellen Einsatz spezialisiert hat. Die 2001 gegründete Biomega stellt unter anderem Futtermittelzusätze und Peptide in seiner Bioraffinerie aus Abfällen der Lachsindustrie her. Die junge MicroA, 2007 aus der Taufe gehoben, setzt auf Mikroalgen und Photobioreaktoren. Aus den Algen gewonnene Inhaltsstoffe sollen künftig der Kosmetikindustrie zugeliefert werden. Selbst in der Agrobiotechnologie sind Firmen inzwischen tätig. Plastid, eine Ausgründung der Universität Stavanger, nutzt seine Technologie, um Pflanzen effizienter und schneller zu modifizieren. Verbesserte und an das norwegische Klima angepasste Pflanzen beziehen Landwirte vom mittelständischen Pflanzenzuchtunternehmen Graminor. Fischvakzine sind das Hauptaugenmerk der seit dem Jahr 2004 aktiven Pharmaq. Mit inzwischen rund 160 Mitarbeitern interessiert sich das Unternehmen auch für Arzneimittelkandidaten für die Fischzucht, die aus marinen Mikroorganismen isoliert werden können.

Bioenergie als neues Geschäftsfeld

Die Umwandlung von Biomasse in Bioenergie bauen Firmen ebenfalls als Geschäftsfeld auf. Ein Forum für diese Unternehmen ist der norwegische Verband Norsk Bioenergiforening (NoBio). Das Unternehmen Biokraft plant, die im Land bislang größte Produktionsstätte für verflüssigtes Biogas zu bauen. Diese Anlage soll auf dem Gelände der Papierfabrik von Norske Skog entstehen und vorerst den Brennstoff aus Abfällen von Lachsfarmen gewinnen. Zu einem späteren Zeitpunkt will Biokraft auch Abfälle aus der Papierherstellung für die Biogaserzeugung einsetzen. Potenziale hierfür erforscht das Unternehmen gemeinsam mit Wissenschaftlern der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität in Trondheim (NTNU). Sogar Algen könnten als Rohstoffe künftig eine Rolle spielen. Seaweed Energy Solutions hat einen Träger patentiert, der als Grundlage für künftige Biotreibstoffe den großflächigen Anbau von Seetang ermöglicht. Ein Kooperationspartner ist der norwegische Ölkonzern Statoil.

Im Bereich Energie zählt auch der Öl- und Gaskonzern Statoil zu den Bioökonomie-relevanten Unternehmen. Staatlich kontrolliert, entstand er 1972 und beschäftigt heute weltweit mehr als 22.000 Mitarbeiter. 2010 belieferte das Unternehmen, als erstes in Norwegen, Tankstellen mit Benzin, dem 5% Bioethanol beigemischt waren (E5). Eine hochprozentige Variante (E85) für speziell ausgerüstete Fahrzeuge gab es sogar noch früher, seit 2006. Energiepflanzen wie Getreide und Zuckerrohr dienen als Rohstoffe für ihren Bioalkohol. Ab dem Jahr 2009 konnten Autofahrer auch Diesel mit einem 7%igen Biodiesel-Anteil tanken. Meeresalgen und Holz zu verwenden interessierte die Wissenschaftler der Firma auch, sie investierten in das US-Biotech-Unternehmen Bio Architecture Lab und in eine norwegische Demonstrationsanlage. Die Energieproduktion des größten Energieversorgers Statkraft basiert bisher zu fast 100% auf Wasserkraft. Doch besitzt er in Deutschland neben Wasserkraftwerken auch ein Biomassekraftwerk. Hier verbrennt Altholz zu Strom und Dampf, zusätzlich entsteht Wärme für eine nahegelegene Fabrik. Mit der Tochter Silva Green Fuel, einem Gemeinschaftsprojekt mit der schwedischen Forstgenossenschaft Södra, engagiert sich das Unternehmen auch bei Biokraftstoffen der 2. Generation. Nach eigenen Angaben größter norwegischer Hersteller für Biodiesel ist North Sea Biodiesel.

Cluster als Bausteine der Bioökonomie

Gestärkt wird die Bioökonomie Norwegens durch vielfältige Clusteraktivitäten. So soll das Meer mit seinen unterschiedlichen Ressourcen an Biomasse und Rohstoffen nachhaltig genutzt werden. Diesem Ziel hat sich das 2013 gestartete biomarine Cluster Legasea verschriebe . Beteiligt sind unter anderem Aquakulturbetriebe, Omega-3-Ölhersteller und Futtermittelhersteller. Partner aus Deutschland ist der Chemiekonzern BASF. Im Norden des Landes etablierte sich das Biotech North-Cluster, das Firmen und wissenschaftlichen Einrichtungen in der Region ein Dach bietet. Rund 1000 Arbeitsplätze finden sich in und um Tromso. Ansiedeln können sich junge Unternehmen beispielsweise im Barents BioCentre, einem 8,000 qm großen Neubau im Tromso Science Park. Regional verankert ist auch Hedmark Kunnskapspark, dessen Mitarbeiter die lange Tradition in Land- und Holzwirtschaft im größten Bezirk des Landes zu neuen, auch bioökonomischen Ufern führen soll. So bezeichnet sich Heidner mit seinen knapp 30 Partnern als das führende norwegische Bioökonomie-Cluster für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion. Das Ocean Ingredients-Cluster (OIC) erhält seit 2013 ebenfalls Mittel von der norwegischen Innovationsagentur. Im Rahmen des „Norwegian Centres of Expertise“ (NCE)-Programms wird die regionale Clusterbildung zudem gemeinsam vom Forschungsrats, der Innovationsagentur und Siva unterstützt. Hier ragen das NCE Aquaculture und das NCE Seafood Innovation heraus.

Ausländische Firmen in Norwegen

Auch ausländische Gesellschaften haben das Potential des Königreichs und der dortigen Firmen für sich entdeckt. So hat die Mutter von FMC Biopolymer ihren Stammsitz in den USA, ist international aktiv und führender Hersteller von Nahrungsinhaltsstoffen aus Algen wie Alginaten und Carrageen. Diese kommen als Verdickungs- und Geliermittel für die Lebensmittelindustrie in den Handel. Pronova, bereits 1838 gegründet und mit dem Handel von Fischölen groß geworden, machte sich insbesondere mit seinen Omega-3-Ölen als Nahrungsergänzungsmittel einen Namen. BASF aus Darmstadt, weltgrößter Chemiekonzern, wurde aufmerksam und übernahm Pronova Anfang 2013. BioProtein, ein Spin-off des International Research Institute of Stavanger (IRIS),  setzte seine Technologieplattform zur Herstellung von Futtermitteln ein. Der Einstieg in diesen Markt reizte das US-Unternehmen Calysta, so dass sie die Norweger 2013 aufkauften. Zu MSD Animal Health, einer Sparte des US-Pharma-Konzerns Merck, gehört Intervet Norbio, ein Entwickler von Impfstoffen für die Fischindustrie. Der britische Biotechnologie-Zulieferer Benchmark Holdings führte im vergangenen Jahr das norwegische Fischzuchtunternehmen SalmoBreed mit seinem isländischen Wettbewerber Stofnfiskur über maßgebliche Beteiligungen zusammen. Topigs Norsvin, das laut eigenen Angaben weltweit innovativste Schweine-Zuchtunternehmen, ging aus der Fusion der niederländischen Topipgs und der norwegischen Norsvin im Jahr 2014 hervor.

Förderung von Innovationen

Innovationen zu fördern und die Entwicklung der Firmen zu unterstützen sind die Ziele der Innovationsagentur Innovasjon Norge. Dieses Instrument der norwegischen Regierung hilft Firmen in unterschiedlichen Wachstumsphasen. Etwa beim Netzwerken, bei Fragen zu geistigem Eigentum, mit Fördermitteln für die Kommerzialisierung von Produkten, Clusteraktivitäten und zahlreichen weiteren Leistungen für Internationalisierung und Geldern für „grüne“ Projekte. Der Bioökonomie widmet die Agentur gleich mehrere Programme. Ein Beispiel sind bilaterale Projekte norwegischer und britischer Firmen im Bereich der Bioraffinierung und industriellen Biotechnologie unterstützt zusammen mit Innovate UK, der britischen Innovationsagentur. Siva, die Gesellschaft für industrielle Entwicklung (Selskapet for industrivekst), investiert demgegenüber auf der einen Seite in Infrastrukturprojekte, auf der anderen Seite hält die staatliche Einrichtung, die dem Ministerium für Handel zugeordnet ist, Anteile an über 100 innovativen Unternehmen und beteiligt sich an den Innovationszentren im Land.

Stand 10/2015

Weiterführende Informationen

Branchenverband:

Industrial Biotech Network Norway (IBNN)
Norwegian Bioindustry Association (NBA)Verband Norsk Bioenergiforening (NoBio)

Für die Bioökonomie relevante Politik:

National Strategy for Biotechnology 2011 – 2020 (PDF)
Marine bioprospecting – a source of new and sustainable wealth growth (PDF)

 

Biobasierte Cluster:

Cluster LegaseaOcean Ingredients-Cluster (OIC)Norwegian Centres of Expertise“ (NCE)

Forschungsförderung

Innovationsagentur Innovasjon NorgeGesellschaft für industrielle Entwicklung SivaNorwegische Forschungsrat 
SINTEF-Gruppe 

 

Forschung

Institute of Bioeconomy Research (NIBIO)Centre for Biodiversity Dynamics (CBD)