„Wir nutzen Bakterienstämme zur Proteinherstellung“
Monika Konarzycka-BesslerBeruf:
Diplom-Ing. Chemikerin, promovierte Biotechnologin
Position:
Gruppenleiterin „Single Cell Protein“ am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Aachen

Beruf:
Diplom-Ing. Chemikerin, promovierte Biotechnologin
Position:
Gruppenleiterin „Single Cell Protein“ am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Aachen

In der Arbeitsgruppe „Single Cell Protein“ sucht ein Team um Monika Konarzycka-Bessler nach Bakterienstämmen, die CO₂ als Rohstoffquelle zur Herstellung von Proteinen für die Lebensmittelindustrie nutzen.
Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder Schimmelpilze sind Meister der Stoffumwandlung und seit jeher wichtige Werkzeuge der Biotechnologie. Mit ihrer Hilfe lassen sich nicht nur Materialien produzieren, die von Natur aus biobasiert und biologisch abbaubar sind, sondern auch Proteine, die tierische Eiweiße in Lebensmitteln ersetzen können. Die Herstellung sogenannter bakterieller Proteine – auch Single Cell Protein genannt – steht im Fokus der gleichnamigen Arbeitsgruppe von Monika Konarzycka-Bessler am Aachener Fraunhofer-Institut. Hier sucht das Team in der Umwelt nach neuen Bakterienstämmen, die als Proteinfabriken geeignet sind und als Rohstoffquelle primär Kohlendioxid (CO₂) nutzen.
Womit befasst sich Ihre Arbeitsgruppe genau und was ist das Ziel?
Der Fokus unserer Forschung liegt auf der Proteinherstellung aus Bakterien für tierische und menschliche Ernährung. Das Ziel ist, alternative Proteinquellen zu entdecken und für die Ernährung anzubieten. Wichtig für unsere Forschung ist, dass wir solche Stämme verwenden, die mit CO₂ als einzige Kohlenstoffquelle wachsen und dabei essbare Proteine in größeren Mengen herstellen. In manchen Fällen untersuchen wir auch Seitenströme, die als Kohlenstoffquelle für das bakterielle Wachstum dienen.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Bakterienstämme aus? Wurden bereits neue mikrobielle Stämme gefunden und isoliert?
Wir suchen nach geeigneten Bakterienstämmen in der Umwelt und haben bereits mehr als zehn neue Stämme gefunden und isoliert. Eine Gruppe der Mikroorganismen sind sogenannte Knallgasbakterien, die bis zu 80 % Proteine in der Trockenmasse produzieren können und deren Aminosäureprofil dem von tierischen Proteinen ähnelt. Aber wir haben auch andere Stämme gefunden, die noch nicht sehr gut erforscht sind, und sind gerade dabei, diese Stämme zu charakterisieren. Viele von den Stämmen wachsen in aeroben Bedingungen, manche bevorzugen weniger Sauerstoffgehalt in der Gasmischung. Die Knallgasbakterien wachsen am besten mit viel Wasserstoff. Das wichtigste Kriterium dabei ist, dass die Stämme mit CO₂ wachsen.
Wie erfolgt die Proteinherstellung? Welche spezifischen Fermentationsbedingungen sind erforderlich?
Wenn es um Bakterienstämme geht, die mit CO₂ wachsen sollen, verwenden wir hier die Gasfermentation. Dazu nutzen wir unterschiedliche Gasmischungen. Diese enthalten Kohlendioxid, Sauerstoff und Wasserstoff. Da für solche Fermentation hohe Konzentrationen an H₂ nötig sind, müssen spezielle Geräte mit Explosionsschutz zum Einsatz kommen. Daher sind wir mit unseren Versuchen momentan begrenzt. Wenn es um Fermentation mit flüssigen Seitenströmen geht, sind die Fermentationsbedingungen viel einfacher.
Momentan arbeiten wir an der Prozessoptimierung, besonders an der Mediumoptimierung, um viel bakterielle Biomasse mit hohem – bis zu 80 % – Proteingehalt herzustellen.
Welche Abfallströme haben sich als besonders vielversprechende Rohstoffquellen für die Mikroorganismen erwiesen?
Für einige unserer Stämme haben wir bislang ein paar Seitenströme aus Früchten getestet. Dabei handelt es sich beispielsweise um Säfte und Trester von Beeren – idealerweise von solchen, die größere Mengen an organischen Säuren aufweisen. Zukünftig ist auch die Nutzung anderer Seitenströme geplant.
Wie kann der Nährstoffgehalt der Proteine verbessert werden?
Für die Herstellung geeigneter Proteine für die tierische und menschliche Ernährung ist es wichtig, die Proteine auf geeignete Aminosäurenprofile zu testen. Hier müssen ein paar Kriterien erfühlt werden. Die Proteine sollten viele essenzielle Aminosäuren beinhalten, die für gesunde Ernährung und unseren Körper entscheidend sind. Dabei sollten sie nicht toxisch und nicht allergenfördernd sein. Um solche Proteine herzustellen, müssen zuerst Bakterienstämme gefunden werden, die solche Proteine produzieren können, also in dem Genom entsprechende DNA-Sequenz haben. Es ist auch möglich, die Produktion solcher Proteine mit gezielter Medienoptimierung zu steuern. Auch Downstream-Prozesse spielen eine große Rolle bei der Herstellung essbarer mikrobieller Proteine.
Gibt es bereits konkrete Anwendungen für neuentwickelte Proteine?
Wir sind noch nicht so weit mit unserer Forschung, um über konkrete Anwendungen zu sprechen. Aber es gibt Firmen, die bakterielle Proteine für tierische und sogar menschliche Nahrung bereits auf dem Markt haben. Solche Proteine auf den Markt zu bringen, ist nicht einfach. Sie müssen die Anforderungen an die Novel-Food-Verordnung erfüllen, bevor eine Vermarktung stattfinden kann. Auf dem europäischen Markt gibt es bis jetzt keine zugelassenen bakteriellen Proteine (sogenannte Single-Cell-Proteine – SCP) für die menschliche Ernährung. Es gibt zum Beispiel Quorn, ein Fleischersatz aus speziellen Pilzen, der in Singapur auf dem Markt ist.
Auch ist wichtig zu beachten, dass es schon Bakterien gibt, die wir essen, besonders in fermentierten Nahrungsmitteln wie Sauerkraut. Das sind aber Prozesse, die wir seit sehr langer Zeit kennen, und wo wir wissen, dass diese Bakterien für eine gesunde Darmflora sorgen. Wenn es aber um ganz neue Produkte geht, um neue Stämme, die bis jetzt für solche Zwecke nicht genutzt werden, sind diese sehr genau und vielseitig zu testen, um die Sicherheit und den Nutzen für die Menschen sicherzustellen.
Interview: Beatrix Boldt