Digitale Zwillinge in der Bioökonomie

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Text: Björn Lohmann

Ein digitaler Zwilling ist eine virtuelle Repräsentation eines physischen Objekts oder Systems, die in Echtzeit mit Daten aus der realen Welt oder aus Simulationsläufen aktualisiert wird. Dieser Kurzbericht erläutert, wie digitale Zwillinge funktionieren und in welcher Weise sie in der Bioökonomie eingesetzt werden.

Was ist ein digitaler Zwilling?

Eine Krise in der Raumfahrt im Jahr 1970 gilt als der Auslöser dafür, dass es heute digitale Zwillinge gibt: Während der Apollo-13-Mission kam es zu einer Explosion im Sauerstofftank der Kommandokapsel. Die NASA brach die ursprüngliche Mission, auf dem Mond zu landen, ab und machte es zur obersten Priorität, die Besatzung heil zur Erde zurückzuholen. Ingenieure auf der Erde verwendeten eine Kombination aus physischen Nachbildungen und simulierten Modellen der Raumfähre. Damit stellten sie die Bedingungen an Bord nach und erarbeiteten in Echtzeit Lösungen für Sauerstoffmangel, Energieverbrauch und Temperaturkontrolle. Die Crew an Bord setzte die auf der Erde virtuell erprobten Lösungen vor Ort um und kehrte am Ende sicher zur Erde zurück.

Kontrollzentrum NASA
Das Raumfahrtkontrollzentrum der NASA während der Fernsehübertragung kurz vor dem Unfall von Apollo 13. Hier fand die überlebenswichtige Kommunikation mit der Besatzung statt. Auf dem Bildschirm ist Astronaut Fred Haise zu sehen.

Diese Idee, die digitale Kopie eines physischen Systems zur Echtzeitüberwachung und Problemlösung zu nutzen, war neu. Sie legte den Grundstein für die heutigen Technologien, die wir als digitale Zwillinge kennen und die in einer Vielzahl von Branchen eingesetzt werden.

Heute wird ein digitaler Zwilling definiert als eine digitale Repräsentation eines physischen Objekts, Prozesses oder Systems mit bidirektionalem (d. h. in beide Richtungen) Datenfluss. Ein digitaler Zwilling könnte etwa das Abbild eines Bioreaktors sein, das dabei hilft, optimale Produktionsbedingungen zu schaffen.
In der Regel wird ein digitaler Zwilling durch Daten aus Sensoren, IoT-Geräten (Internet of Things – Internet der Dinge) oder anderen Quellen ständig aktualisiert. So lassen sich mögliche Szenarien simulieren, um den optimalen Weg zu finden, ohne unzählige Varianten real zu testen.

„Zwillinge, Modelle und Schatten“

Abzugrenzen sind digitale Zwillinge von digitalen Modellen und digitalen Schatten, auch wenn im Alltag manchmal alle drei Konzepte als digitale Zwillinge bezeichnet werden:

  • Ein digitales Modell ist die statische oder isolierte digitale Nachbildung eines Objekts oder Systems, die keinen direkten Datenfluss zum realen Pendant hat. Somit gibt es keinen Echtzeitabgleich mit dem realen Objekt. Genutzt wird ein digitales Modell oft für Designzwecke, etwa um zu modellieren, wie Algen unter bestimmten Bedingungen im Bioreaktor wachsen, und die optimalen Bedingungen auszuwählen.
  • Ein digitaler Schatten ist die digitale Repräsentation eines Objekts oder Systems, bei der das reale Objekt einseitig Daten an den digitalen Schatten sendet. Es erfolgt aber keine Rückmeldung oder Steuerung. Digitale Schatten dienen daher häufig der Überwachung oder Dokumentation – etwa eine Logistikplattform, die die Daten der Fahrzeugstandorte anzeigt.
  • Bei einem digitalen Zwilling hingegen fließen Daten in beide Richtungen und das in Echtzeit. So empfängt beispielsweise der digitale Zwilling eines Ackers aus dort platzierten Sensoren Daten zum Zustand des Bodens, die der Zwilling dann analysiert und davon ausgehend in Empfehlungen überträgt, wo gedüngt oder bewässert werden sollte.

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Wofür werden digitale Zwillinge eingesetzt?

Produktentwicklung: Digitale Zwillinge ermöglichen es, virtuelle Prototypen herzustellen. Herkömmlicherweise muss für jede Design-Änderung ein neuer, physischer Prototyp gefertigt werden. Das ist zeitaufwändig und teuer. Durch digitale Zwillinge können zunächst zahlreiche Designs virtuell entwickelt und optimiert werden, sodass nur diejenigen auch real gebaut werden müssen, die in der simulierten Anwendungsumgebung besonders vielversprechend sind. Ebenso kann anhand eines virtuellen Prototyps analysiert werden, wie dieser sich in unterschiedlichen Umgebungen verhält, etwa an besonders kalten oder feuchten Orten. So lassen sich Funktionalität und Lebensdauer unter realistischen Bedingungen optimieren. Weil ein digitaler Zwilling auch nach Inbetriebnahme des realen Produkts Echtzeitdaten erhält, lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen, wie künftige Produktgenerationen weiter verbessert werden können.

Digitales Produkt in Pink und 3D
Produktentwicklung mit Hilfe eines digitalen Zwillings.

Lebenszyklusanalyse: Digitale Zwillinge können den gesamten Lebenszyklus eines Produkts abbilden, von der Entwicklung über die Produktion bis zur Nutzung und Entsorgung. Die virtuellen Analysen erlauben es, die Produkte nachhaltiger zu entwickeln, indem sie effiziente Produktionsmethoden identifizieren und die Ressourcennutzung minimieren. Zudem ermöglichen die Zwillinge, bereits bei der Produktentwicklung bessere Wartungs- sowie Recyclingstrategien einzubinden. Die zurückgespielten Echtzeitdaten zeigen auf, wo die Simulation eventuell unvollständig war und weitere Verbesserungen möglich sind.

Echtzeitüberwachung und -regelung: Digitale Zwillinge empfangen kontinuierlich Daten von Sensoren, IoT-Geräten und anderen Quellen, die den aktuellen Zustand eines Prozesses oder Systems widerspiegeln. Dadurch wird es möglich, alle Parameter und Wechselwirkungen in Echtzeit zu überwachen und Abweichungen sofort zu erkennen. Anhand des digitalen Zwillings lässt sich die Situation automatisiert analysieren. Zudem können mehrere mögliche Reaktionen simuliert und die bestmögliche Regelung des Prozesses veranlasst werden. Das gilt sowohl für Fälle, in denen eine kurzfristige Störung das System durcheinanderbringt, wie auch für Fälle, in denen sich Rahmenparameter langsam verändern. Letzteres wird dadurch frühzeitig erkannt und ermöglicht gegenzusteuern, bevor überhaupt Probleme sichtbar werden.

Vorausschauende Wartung: Die vorausschauende Wartung wird infolge der Echtzeitüberwachung möglich. Digitale Zwillinge werden etwa in Fertigungsanlagen genutzt, um Maschinen und Produktionslinien zu überwachen und die Wartung nicht nach festen Intervallen, sondern anhand der realen Notwendigkeit einzuplanen. Da die Zwillinge kontinuierlich die Echtzeitdaten des Systems auswerten, erkennen sie frühzeitig Anomalien – beispielsweise unerwartete Vibrationen oder Temperaturanstiege –, die auf Verschleiß zurückzuführen sind. Zusätzlich können die Wartungszeitpunkte realistisch vorhergesagt werden, weil der digitale Zwilling anhand von Vergangenheitsdaten simulieren kann, wann ein Verschleiß so groß sein wird, dass der Austausch der Komponente ratsam ist. So lassen sich unnötige Wartungen ebenso vermeiden wie ungeplante Stillstände durch unerwartet ausfallende Komponenten.

Visualisierung und Prozessverständnis: Durch digitale Zwillinge können Prozesse auf mehrere Arten besser verstanden und visualisiert werden. Sie ermöglichen beispielsweise, Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen Prozessparametern detailliert zu analysieren. Bei Abweichungen oder Fehlern können Ursachen präzise identifiziert werden, etwa indem man Ist-Daten mit Simulationsmodellen vergleicht. Durch intuitive Dashboards, 3D-Modelle oder virtuelle beziehungsweise augmentierte (das heißt erweiterte) Realität lässt sich zudem der gesamte Prozess sehen, einschließlich eigentlich unsichtbarer Bereiche wie etwa Temperatur- und Druckverläufe.

Vernetzung einer großen IoT-Infrastruktur: Digitale Zwillinge können in großen IoT-Infrastrukturen eine zentrale Rolle spielen, indem sie als integrative Plattform dienen, um Geräte, Systeme und Prozesse zu vernetzen, zu verwalten und zu optimieren. Die Zwillinge sammeln, organisieren und analysieren Daten von IoT-Geräten in Echtzeit. Sie stellen alle Geräte und Systeme einheitlich dar und vermindern die Zahl der Dateninseln, weil alle Informationen in einem zentralen Modell zusammenlaufen. Sie ermöglichen in Echtzeit, kritische Systeme zu priorisieren. Nebenbei lassen sich Energieverbrauch und Netzwerkbandbreite optimieren. Ein Beispiel ist etwa ein intelligentes Gewächshaus, in dem digitale Zwillinge die Umweltbedingungen und das Wachstum überwachen, mit dem System zur Energieerzeugung verknüpft sind, um etwa zeitlich steuerbaren Energiebedarf an verfügbare Solarenergie zu koppeln, und auch Erntezeiten und Logistik optimal planen.
 

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Wie funktioniert ein digitaler Zwilling?

Vier zentrale Schritte stehen im Mittelpunkt: Modellierung, Überwachung, Datenübertragung und Aktualisierung.

1. Der erste Schritt, um einen digitalen Zwilling zu erstellen, besteht darin, ein präzises Modell des realen Systems zu entwickeln, beispielsweise eine Produktionsanlage, in der Algen in großen Bioreaktoren gezüchtet werden. Ziel ist es, diese Algen effizient Biokraftstoffe herstellen zu lassen. In diesem Schritt wird die Anlage zunächst virtuell konstruiert: die Geometrie der Reaktoren, die chemischen Prozesse innerhalb der Algenzellen, die Strömungsdynamik des Wassers und die Versorgung mit Licht und Nährstoffen. Dieser digitale Prototyp bildet die Grundlage, um das reale System genau abzubilden. Ingenieure und Biologen kombinieren dabei physikalische Gesetze, biochemische Reaktionen und maschinelle Prozesse, um ein möglichst genaues Modell zu erstellen. Das Ergebnis ist eine Simulation, die exakt widerspiegelt, wie das System unter verschiedenen Bedingungen funktionieren sollte.

runder Algenbioreaktor in Industrieumgebung

2. Im Betrieb lebt ein digitaler Zwilling von Daten, und diese kommen aus der Überwachung des realen Systems. In der Algenanlage sind zahlreiche Sensoren installiert: Sie messen Temperatur, pH-Wert, Lichtintensität, CO2-Konzentration und Nährstoffgehalt. Diese Parameter beeinflussen das Wachstum der Algen und damit die Effizienz der Kraftstoffproduktion. Die Sensoren liefern kontinuierlich Daten aus dem Bioreaktor. Moderne IoT-Technologien machen es möglich, dass diese Messungen in Echtzeit erfolgen. Dadurch wird das reale System transparent, und alle relevanten Zustände sind messbar. Die Sensoren erfassen beispielsweise, ob sich das Nährstoffverhältnis verändert oder die Temperatur von den idealen Bedingungen abweicht.

3. Im nächsten Schritt werden die Sensordaten an den digitalen Zwilling übertragen. Diese Übertragung erfolgt in Echtzeit, häufig über drahtlose Netzwerke oder direkt über eine Cloud-Infrastruktur. In der Biokraftstoffanlage bedeutet dies, dass jede Veränderung, wie etwa ein plötzlicher Anstieg des CO2-Gehalts im Reaktor, sofort an den digitalen Zwilling weitergeleitet wird. Er fungiert als zentrale Datenplattform und integriert Informationen aus verschiedenen Quellen. Die Datenübertragung ist entscheidend, denn nur so kann der digitale Zwilling die Realität präzise abbilden. Dank moderner Technologien wie 5G-Netzen und leistungsfähigen Datenbanken können auch große Datenmengen nahezu verzögerungsfrei verarbeitet werden.

4. Der letzte Schritt macht den digitalen Zwilling zu einem dynamischen Werkzeug: Die Sensordaten werden genutzt, um das Modell kontinuierlich zu aktualisieren. Jede Veränderung im realen System spiegelt sich sofort im virtuellen Modell des Zwillings wider. Im Algen-Beispiel würde eine abfallende Lichtintensität infolge einer defekten Beleuchtungseinheit im digitalen Zwilling sichtbar. Das Modell passt daraufhin die Simulation der Algenwachstumsrate an. Diese Echtzeit-Aktualisierung erlaubt es, nicht nur aktuelle Zustände zu überwachen, sondern auch Vorhersagen zu treffen: Wie wirkt sich ein dauerhaft niedriger Nährstoffgehalt auf die Produktion aus? Müssen bestimmte Prozesse angepasst werden, um die Effizienz zu maximieren?

Das Ergebnis ist eine hochdynamische Plattform, die nicht nur Prozesse überwacht, sondern auch Optimierungsmöglichkeiten aufzeigt.

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Praxisbeispiele und Ausblicke aus der Bioökonomie

Das Fraunhofer-Projekt COGNAC (Cognitive Agriculture) ist ein innovatives Beispiel für den Einsatz digitaler Zwillinge in der Landwirtschaft. Ziel des Projekts ist es, landwirtschaftliche Prozesse effizienter, ressourcenschonender und nachhaltiger zu gestalten. Dafür wurde der digitale Zwilling eines Ackers entwickelt.
Sensoren im Boden und an Pflanzen messen kontinuierlich wichtige Parameter wie Bodenfeuchtigkeit, Nährstoffgehalt, Temperatur und Wetterbedingungen. Der digitale Zwilling integriert diese Daten und simuliert die aktuellen und zukünftigen Zustände des Ackerschlags. Er kann beispielsweise vorhersagen, wann und wie viel Wasser oder Dünger benötigt wird. Die Landwirte erhalten auf Basis dieser Simulationen präzise Handlungsempfehlungen, um ihre Bewirtschaftung zu optimieren und Ressourcen effizient zu nutzen. Sie benötigen weniger Wasser und Dünger, sorgen durch optimierte Wachstumsbedingungen für bessere Erträge und minimieren negative Umweltauswirkungen.

Auf ähnliche Weise soll das Community-Projekt Beehyve Imker unterstützen. Ziel dieses Projekts ist es, durch die Digitalisierung von Bienenstöcken sowohl die Arbeit von Imkern zu erleichtern als auch zur Nachhaltigkeit und zum Schutz der Bienen beizutragen. Sensoren im Bienenstock erfassen kontinuierlich Daten wie Temperatur, Feuchtigkeit, Luftqualität und CO2-Konzentration. Diese Parameter sind entscheidend für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bienenvölker. Die gesammelten Daten werden in einen digitalen Zwilling des Bienenstocks integriert. Anomalien, wie etwa eine Veränderung der Temperatur, die auf eine Krankheit oder einen Schwarm hinweist, können frühzeitig erkannt werden. Zudem werden Empfehlungen für notwendige Maßnahmen generiert.

Bienenstock
Im Bienenstock können Daten wie Temperatur und Feuchtigkeit kontinuierlich erfasst und in einen digitalen Zwilling integriert werden.

Das Projekt Fruity-Twin ist ein gemeinsames Vorhaben des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam und der Universität Bremen. Ziel des Projekts ist es, die Lagerung von Früchten, insbesondere von Äpfeln, durch den Einsatz digitaler Zwillinge zu optimieren und somit Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Innerhalb der Kühllager werden Sensoren eingesetzt, die kontinuierlich Parameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Kondensation auf der Oberfläche der Früchte messen. Diese Daten sind essenziell, da Kondensation auf Früchten das Wachstum von Mikroorganismen begünstigt, während eine zu niedrige Luftfeuchtigkeit zu Qualitätsverlusten führt. Die erfassten Daten werden genutzt, um ein virtuelles Abbild des Lagerraums und der gelagerten Früchte zu erstellen. Dieser digitale Zwilling simuliert die physikalischen Prozesse, insbesondere den Wärme- und Massetransfer, der die Kondensation beeinflusst. Durch die Simulation können optimale Lagerbedingungen ermittelt werden, die die Kondensation minimieren und somit die Haltbarkeit der Früchte verlängern. Zudem ermöglicht der digitale Zwilling die Anpassung von Lagerparametern in Echtzeit, um die Qualität der Früchte zu erhalten.

Äpfel gelagert mit Sensor
Der Sensor misst Sauerstoff und Kohlendioxid um die Atmungsaktivität der Früchte zu bestimmen.

Das durch das BMBF geförderte Projekt DigInBio zielt darauf ab, biotechnologische Entwicklungsprozesse durch Digitalisierung, Automatisierung und Miniaturisierung deutlich zu beschleunigen. Forscher des FZ Jülich, der TU München und der Universität Hannover haben Demonstrationslabore eingerichtet, in denen moderne Technologien – etwa automatisierte Mikrokultivierungsplattformen, Laborrobotik und digitale Workflows – dazu beitragen, die komplexen Abläufe der Bioprozessentwicklung effizienter zu gestalten. Durch die Vernetzung der Laborgeräte mittels standardisierter Schnittstellen wie SiLA2 wird ein zentrales Datenmanagement realisiert, das die Optimierung und Steuerung des gesamten Prozesses von der Auswahl passender Mikroorganismen bis zur Produktion unterstützt. Zwar sind digitale Zwillinge kein unmittelbares Projektziel, doch lässt sich der digitale Aufbau und die kontinuierliche Abbildung der Laborprozesse als Vorstufe eines digitalen Zwillings interpretieren – ein virtueller Klon des realen Labors, der für Simulationen und Optimierungen genutzt werden könnte.

Digitale Zwillinge spielen zudem eine zentrale Rolle in smarten Biofabriken. Sie verbinden physische Laborgeräte, Datenplattformen und mathematische Modelle in einer digitalen Infrastruktur, um Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Biologische und chemische Prozesse werden durch mathematische Modelle und Prozesssimulationen abgebildet. 
Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz analysieren komplexe Parameter und helfen, die Prozesse zu beschreiben und Vorhersagen zu treffen.
 

Megakomplexe digitale Zwillinge

  • Der Europäische Digitale Ozeanzwilling (EU DTO) ist eine virtuelle Nachbildung der Meeres- und Küstenumgebungen Europas. Er integriert Echtzeit- und historische Daten aus Tausenden von Sensoren weltweit sowie Satelliteninformationen. Diese Daten werden mit numerischen Modellen kombiniert, um vergangene, gegenwärtige und zukünftige Zustände des Ozeans zu simulieren. Dies ermöglicht es, hochauflösende, multidimensionale Darstellungen des Ozeans zu erstellen, die physikalische, chemische, biologische, sozioökologische und ökonomische Aspekte umfassen. Wissenschaftler können den digitalen Zwilling nutzen, um etwa zu prognostizieren, wie Klimawandel und menschliche Aktivitäten marine Ökosysteme beeinflussen, beispielsweise Seegraswiesen oder Thunfischwanderungen. Unternehmen können den digitalen Zwilling nutzen, um zum Beispiel Standorte für Aquakulturen optimal zu planen, indem sie langfristige Vorhersagen zu Salzgehalt, Planktonverteilung, Strömungen und extremen Hitzeereignissen berücksichtigen. 
    Im Juni 2024 wurde auf dem Digital Ocean Forum die erste voroperationelle Plattform des EU DTO vorgestellt. Diese Plattform ermöglicht es Nutzern, die Fähigkeiten des digitalen Zwillings zu testen und Feedback für die Weiterentwicklung zu geben.
  • Noch einen Schritt weiter geht die EU-Initiative Destination Earth (DestinE). Sie soll einen hochpräzisen digitalen Zwilling der Erde entwickeln, mit dem natürliche Phänomene und menschliche Aktivitäten überwacht, modelliert und simuliert werden können. Durch präzise Simulationen könnten die Auswirkungen des Klimawandels besser verstanden und entsprechende Gegenmaßnahmen entwickelt werden. Die Simulation von Extremwetterereignissen würde es ermöglichen, frühzeitig Warnungen auszusprechen und Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
    Im Juni 2024 wurde die zweite Phase von DestinE gestartet, die bis Juni 2026 läuft. In dieser Phase wird die Infrastruktur weiterentwickelt, um bis 2030 einen vollständigen digitalen Zwilling der Erde bereitzustellen.