Grünalgen als Anpassungskünstler

Grünalgen als Anpassungskünstler

Jenaer Forschende enthüllen, wie gut winzige Grünalgen sich an ihre Umgebung anpassen können – ohne Eingriff in ihr Erbmaterial. Die Beobachtungen der Studie könnten der Biotechnologie zugutekommen.

Grünalgen-Zucht an der Uni Jena
Dr. Trang Vuong (l.) und Dr. Prateek Shetty von der Uni Jena zeigen das Wachstum der Grünalge in der räumlich strukturierten 3D-Umgebung im Vergleich zu konventionellen Anzuchtbedingungen im Labor.

Mikroorganismen spielen eine Schlüsselrolle in der Bioökonomie – von der nachhaltigen Energiegewinnung bis zur Entwicklung neuer Materialien. Daher ist es essenziell, ihren Stoffwechsel zu verstehen und weiter zu optimieren. Forschende der Friedrich-Schiller-Universität und der Leibniz-Institute in Jena haben herausgefunden, wie stark die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii ihren Stoffwechsel anpassen kann – allein durch neue Anzuchtbedingungen, ohne dass ein Eingriff in das Erbgut notwendig ist.

Die zehn Mikrometer kleine Alge ist in den nassen Böden von Reisfeldern zu Hause. Diese Umgebung stellten die Forschenden in ihrer Studie nach, die kürzlich in der Fachzeitschrift New Phytologist veröffentlicht wurde. Mithilfe von 3D-Drucktechnologie imitierten sie die struktur- und acetatreiche Umgebung von Reisfeldern und beobachteten, wie sich die Alge unter diesen Bedingungen veränderte.

Anpassungsfähigkeit ohne genetische Veränderungen

Der Studie zufolge verdickte sich die Zellwand der Alge unter den simulierten Bedingungen, während die Zelle kleiner und die Geißeln kürzer wurden. Der „Augenfleck“, mit dem die Alge Licht wahrnimmt, vergrößerte sich demnach und die Alge konnte sogar die Anzahl ihrer lichtempfindlichen Rezeptoren anpassen. Zusätzlich zu diesen äußerlichen Veränderungen stellte das Forschungsteam fest, dass die Alge vermehrt Kohlenhydrate in Form von Stärke produziert, was auf eine Umstellung des Stoffwechsels hinweist. Der Studie zufolge würden diese Anpassungen der Alge „das Überleben in der komplexen, von Mikroorganismen geprägten und teils anaeroben Umgebung erleichtern“ und somit helfen, mit Stressfaktoren wie Sauerstoffmangel und der Konkurrenz mit anderen Mikroorganismen klarzukommen.

Die Forschenden zeigten sich allerdings überrascht, dass all diese Anpassungen ohne Eingriff in das Erbgut des Einzellers zustande kamen. „Unsere Studie zeigt, wie wichtig es ist, Mikroorganismen nicht nur unter Laborbedingungen zu untersuchen, sondern auch in Umgebungen, die ihrer natürlichen Lebenswelt ähneln“, sagt Maria Mittag, Professorin für Allgemeine Botanik an der Uni Jena. 

Exzellente Forschung im interdisziplinären Team

Für die Studie vereinten Forschende verschiedener Disziplinen ihre Expertise aus der Mikrobiologie, Botanik, Photonik und Bioinformatik. Zusammengebracht hat sie das Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“ in Jena. Gemeinsam mit Pierre Stallforth, Professor für Bioorganische Chemie und Paläobiotechnologie an der Uni Jena, schuf das Team die komplexe, strukturierte 3D-Umgebung für die Studie. Forschende mit Expertise in Biophysik und Mikroskopie hielten anschließend die veränderte äußere Gestalt der Algen bildlich fest, während die Teams um Jürgen Popp und Maria Mittag die Stoffwechselvorgänge innerhalb der Zelle visualisierten.

„Die Kombination aus innovativen optischen Technologien und interdisziplinären Ansätzen hat es uns ermöglicht, einen umfassenden Einblick in die biologischen Anpassungen von Chlamydomonas reinhardtii zu gewinnen“, erklärt Jürgen Popp vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien.

Biotechnologisches Potenzial

Die Forschenden hoffen, dass die Erkenntnisse in Bereichen der Biotechnologie Anwendung finden können, zum Beispiel für die Produktion nachhaltiger Biokraftstoffe.

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