„Bioinformatik kann die Landwirtschaft nachhaltiger gestalten“
Agnieszka GoliczBeruf:
promovierte Molekulargenetikerin und Bioinformatikerin
Position:
LOEWE-Start-Professur für Bioinformatik an der Justus-Liebig-Universität Gießen
Beruf:
promovierte Molekulargenetikerin und Bioinformatikerin
Position:
LOEWE-Start-Professur für Bioinformatik an der Justus-Liebig-Universität Gießen
Agnieszka Golicz nutzt „Big Data“ für die genombasierte Verbesserung von Kulturpflanzen.
Die Landwirtschaft muss sich an die Herausforderungen des Klimawandels anpassen, um die Ernährung mit wichtigen Nahrungspflanzen wie Getreide auch in Zukunft zu sichern. Agnieszka Golicz von der Justus-Liebig-Universität Gießen ist überzeugt, dass die Bioinformatik dazu einen entscheidenden Beitrag leisten kann. Denn die Fähigkeit von Nutzpflanzen, sich an den Klimawandel anzupassen, sei bereits in ihrem Genom verankert, sagt die Molekulargenetikerin. In ihrer Forschung nutzt sie daher Methoden der Bioinformatik, um die Genomdaten zu analysieren. Anhand dieser Genomsequenzdaten erforscht Golicz, wie das Pflanzengenom organisiert ist und wie sich dies auf die Genexpression und die Eigenschaften der Pflanze auswirkt. Im Rahmen einer LOEWE-Start-Professur leitet sie seit Oktober eine Nachwuchsgruppe, die in den kommenden Jahren mit Hilfe von Big Data verschiedenste Variationen im Genom von Nutzpflanzen und deren Auswirkungen auf wichtige Merkmale wie Stresstoleranz oder Krankheitsresistenz genauer untersuchen wird.
Wie kann die Bioinformatik die landwirtschaftliche Produktion nachhaltiger machen?
Die Bioinformatik kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, die landwirtschaftliche Produktion nachhaltiger zu gestalten, indem sie komplexe Rechen- und Modellierungsmethoden zur Analyse biologischer Daten nutzt. Durch die Integration verschiedenartiger, biologischer Daten ermöglicht die Bioinformatik eine datengesteuerte Entscheidungsfindung in der Landwirtschaft. Landwirte können diese Informationen in jedem Schritt der Pflanzenproduktion nutzen; von der Wahl der anzupflanzenden Sorte bis hin zu den optimalen Pflanzenbewirtschaftungspraktiken, und so insgesamt die Umweltbelastung reduzieren und gleichzeitig die Produktivität maximieren.
Welche Rolle spielt das Wissen um das Pflanzengenom und die Genomorganisation angesichts der Herausforderungen des Klimawandels?
Die Fähigkeit von Nutzpflanzen, den durch den Klimawandel bedingten, schwierigeren Umweltbedingungen standzuhalten, ist zu einem großen Teil bereits in ihrem Genom und dessen Organisation verankert. Die Bioinformatik ermöglicht die Analyse dieser Genomdaten und führt zur Identifizierung von Genen oder Genomregionen, die mit wünschenswerten Merkmalen wie Krankheitsresistenz, Trockenheitstoleranz und hohem Ertrag verbunden sind. Dieses Wissen ermöglicht es den Züchtern dann, die Leistung von Pflanzen oder Tieren anhand ihrer genetischen Ausstattung vorherzusagen, was zu gezielteren und effizienteren Zuchtprogrammen führt.
Ein Schwerpunkt ihrer Forschungsarbeit ist die Nutzung von Big Data für die genombasierte Verbesserung von Kulturpflanzen. Wie kann die Pflanzenproduktion von Big Data profitieren und welche Rolle spiel dabei Künstliche Intelligenz?
Big Data und künstliche Intelligenz (KI) spielen eine wichtige Rolle bei der Revolutionierung der Pflanzenproduktion, indem sie nicht nur erhebliche Mengen an spezifischen Schlüsselinformationen liefern, sondern auch deren Untersuchung und Interpretation ermöglichen. Insbesondere die KI wird – von der Mustererkennung bis zur Leistungsvorhersage – bereits implementiert, um die Verarbeitung komplexer und/oder großer Datensätze zu beschleunigen. Die Kombination von Big Data und KI wird Forschern, Züchtern und Landwirten Werkzeuge an die Hand geben, um jeden Schritt der Pflanzenproduktion zu optimieren, Präzisionslandwirtschaftspraktiken zu verbessern und zur Entwicklung widerstandsfähigerer und nachhaltigerer Landwirtschaftssysteme beizutragen.
Ihr jüngster Forschungserfolg war die Sequenzierung des Riesengenoms der Ackerbohne, an der sie im Rahmen eines internationalen Forschungskonsortiums beteiligt waren.
Wie wichtig war hier die genombasierte Datenanalyse und welche neuen Erkenntnisse wurden dadurch gewonnen?
Im Mittelpunkt unserer Forschung stehen genombasierte Datenanalysen. Die Ackerbohne war schon immer ein idealer Kandidat – unter den Hülsenfrüchten der kühlen Jahreszeit –, der als Quelle pflanzlicher Proteine dient. Allerdings behindert ihre enorme Genomgröße (mit 13 Milliarden Basenpaaren, wobei je eines dieser Chromosomen größer als das gesamte menschliche Genom ist) die Einbeziehung in moderne Züchtungsbemühungen erheblich, da diese stark von der Verfügbarkeit genomischer Ressourcen abhängen. Unsere gemeinsamen Bemühungen, kombiniert mit den neuesten Sequenzierungstechnologien, führten zu einer Genomzusammensetzung auf Chromosomenebene, die dann zur Identifizierung der genetischen Determinanten der Samengröße und der Hilum-Farbunterschiede zwischen den Sorten verwendet wurde.
Im Rahmen ihrer Professur für Agrarbioinformatik leiten Sie eine Nachwuchsgruppe an der JLU.
Woran forscht die Nachwuchsgruppe und was ist das Ziel der Forschung?
Unsere Arbeitsgruppe wird im Rahmen einer LOEWE-Start-Professur vom Land Hessen gefördert und ist auf Nutzpflanzen-Bioinformatik spezialisiert, mit dem Schwerpunkt Genomik und Pangenomik. Wir verwenden eine breite Palette informatisch-analytischer Methoden, um die in Nutzpflanzen auftretenden Genomvariationen zu untersuchen und damit ihre Auswirkungen auf die Genexpression und auch auf agronomische Merkmale wie Stresstoleranz, Krankheitsresistenz und Ertragsveränderungen zu analysieren.
Interview: Beatrix Boldt