„Soziale und ökologische Wertschöpfungsketten aufbauen“
Terese Emilia VenusBeruf:
promovierte Umweltökonomin
Position:
Leiterin der Forschungsgruppe "Bioeconomy Economics" an der Universität Passau und Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe ReVaLueD
Beruf:
promovierte Umweltökonomin
Position:
Leiterin der Forschungsgruppe "Bioeconomy Economics" an der Universität Passau und Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe ReVaLueD
In der Nachwuchsforschungsgruppe ReVaLueD untersucht ein Team um Terese Emilia Venus die Reststoffverwertung für biobasierte Produkte in Entwicklungsländern.
Als Teil der Fördermaßnahme „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Nachwuchsgruppen, die das biobasierte Wirtschaften aus sozial- , politik- und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht erforschen. Zu den 2023 gestarteten Nachwuchsgruppen zählt das Team von Terese Emilia Venus an der Universität Passau. Im Projekt ReVaLueD untersuchen die Forschenden anhand einzelner Rohstoffe den durch die Bioökonomie verursachten sozialen Wandel in Entwicklungsländern und ihre Verbindungen zu den globalen Märkten. Das Vorhaben wird in den kommenden fünf Jahren vom BMBF mit 2,3 Mio. Euro gefördert.
Welche Biomasse-Quellen für ein Upcycling stehen im Fokus der Forschung in Ihrer Nachwuchsgruppe und warum?
Ich würde dies als „High-Level-Upcycling“ bezeichnen, da wir an Produkten wie Biokunststoffen, Biotextilien, Bioenergie und der Gewinnung von Feinchemikalien interessiert sind – insbesondere im Rahmen sogenannter Bioraffinerie-Konzepte. Unser Fokus liegt auf der Verwertung von Reststoffen aus der Produktion und der Verarbeitung von tropischen Früchten, wie Blätter, Stängel, Schalen, Fruchtfleisch usw. Tropische Früchte weisen interessante chemische Eigenschaften auf, die in anderen Früchten nicht zu finden sind. Es fällt auch eine Menge Abfall an, da die Landwirte jedes Jahr neu pflanzen müssen. Schließlich werden die meisten tropischen Früchte in Entwicklungsländern angebaut, wodurch der Sektor Abwägungen zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Interessen gegenübersteht.
Auf welche Entwicklungsländer werden Sie sich in Ihren Studien konzentrieren und was bedeutet Upcycling im Kontext von biobasierten Wertschöpfungsnetzen?
Wir konzentrieren uns auf Länder, die in die Produktion und den Export von tropischen Früchten involviert sind: Costa Rica in Lateinamerika, Ghana in Westafrika und die Philippinen in Südostasien. Der Anstieg der exportorientierten Produktion von tropischen Früchten wurde durch die Nachfrage aus Europa, den USA und Ostasien vorangetrieben, was bedeutet, dass sie an Überseemärkte und Verbraucherpräferenzen gebunden sind. Während der herkömmliche Begriff in der Landwirtschaft für diese Art von Markt eine globale Wertschöpfungskette ist, verändert die Bioökonomie diese Perspektive. Anstelle von einzelnen Ketten untersuchen wir miteinander verbundene Netzwerke aufgrund der vielseitigen Anwendung eines einzigen Rohstoffs in mehreren Branchen.
Wie wollen Sie technisches Wissen bei der Reststoffverwertung mit den soziökonomischen Realitäten wissenschaftlich betrachten? Wie gehen Sie theoretisch und methodisch vor?
Wir verwenden einen Werkzeugkasten aus gemischten Methoden und mikroökonomischen Techniken. Wir untersuchen diese Fragen aus den Perspektiven der ökologischen Ökonomie und der Entwicklungsökonomie. Aus theoretischer Sicht möchten wir verstehen, welche Rolle Institutionen, Kultur und Entscheidungsfindung individueller Akteure in einem solchen Übergang spielen und welche Auswirkungen, Externalitäten und unbeabsichtigten Folgen dieser Übergang auf Ökosysteme und Menschen haben können.
Welche Relevanz haben die Ergebnisse Ihrer Analysen für eine nachhaltige Bioökonomie in Deutschland?
Länder wie Deutschland verfügen nicht unbedingt über reichlich natürliche Ressourcen und müssen daher innovative Wege finden, diesen Wandel auf der Grundlage erneuerbarer Ressourcen voranzutreiben. Biomassequellen stammen möglicherweise aus anderen Ländern, aber viele dieser auf Reststoffen basierenden Produkte werden in Länder wie Deutschland exportiert, dort verkauft und letztendlich verbraucht.
Wie kann das durch Ihre Forschung entstandene Wissen zukünftig helfen, notwendige Transformationsprozesse hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie zu initiieren, zu gestalten und zu verstetigen? Welche Rolle spielt für Sie in diesem Zusammenhang die gesellschaftswissenschaftliche Forschung in der Bioökonomie?
Es ist sehr wichtig, dass andere Länder mit reichlich natürlichen Ressourcen nicht einfach als Biomassequelle betrachtet werden. Es besteht die Verantwortung, soziale und ökologische Wertschöpfungsketten/-netze aufzubauen. Durch das Verständnis der aktuellen Situation und ihrer Auswirkungen können wir politische und wirtschaftliche Strategien vorschlagen, um menschliche Ausbeutung und Umweltzerstörung im Kontext dieses Transformationsprozesses zu verhindern.
Interview: Beatrix Boldt, Philipp Graf