Lavendel als Rohstoff für die Bioökonomie
Die Schwäbische Alb könnte bald schon zur Provence Süddeutschlands werden: Hier wollen Forschende Lavendel anbauen, um aus der Pflanze ätherische Öle und Textilfasern zu gewinnen.
Lavendelfelder sind ein Markenzeichen der Provence. Die blau- und violette Blütenpracht im Juli und August ist aber nicht nur schön anzusehen. Der Duft lockt gleichfalls Bienen und Schmetterlinge an, die sich an dem süßen Nektar laben. Wegen ihrer ätherischen Öle wird die Pflanze seit Jahrhunderten auch als Heilmittel geschätzt und bis heute zur Herstellung von Arznei und vor allem Naturkosmetik genutzt. Ein Forschungsteam will den Lavendelanbau nun auf der Schwäbischen Alb etablieren, um daraus Rohstoffe für die Bioökonomie zu gewinnen.
Ätherische Öle und Textilfasern aus Lavendel
An dem Projekt beteiligt sind Forschende vom Deutschen Institut für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF), der Universität Hohenheim und des Unternehmens Naturamus. Im Fokus des Vorhabens steht nicht nur die Herstellung hochwertiger ätherischer Öle aus Lavendel. Auch die große Menge an Reststoffen, die bei der Ölgewinnung anfällt, darunter die verholzten Pflanzenstängel, sollen zu Fasern für klassische Textilien sowie Faserverbundwerkstoffen etwa für den Leichtbau weiterverarbeitet werden. Dafür müssen nach der Lavendel-Destillation die pflanzlichen Stängel mit ihren Faserbündeln zunächst in ihre Bestandteile zerlegt werden. Mithilfe von Bakterien oder Enzymen sollen die durch Pektin verbundenen verholzten Einzelfasern aufgelöst werden.
Lavendelanbau auf der Schwäbischen Alb geplant
Bis die ersten Lavendelfelder auf der Schwäbischen Alb ihre Farbenpracht entfalten können, ist noch viel Forschung nötig. Gegenwärtig testen Hohenheimer Forschende an vier Standorten fünf verschiedene Lavendelsorten, um die beste Kultur für den Anbau zu finden. Erst Ergebnisse werden Ende dieses Jahres erwartet. Neben der Kultivierung der geeigneten Lavendelsorte wollen die Forschenden auch den Destillationsprozess zur Ölgewinnung energieeffizienter machen sowie die Lavendelblüten auf ihre Eignung zur Faserverarbeitung prüfen.
„Wir sind gespannt, wie hoch die Ausbeute an Fasern sein wird und welche Eigenschaften diese Fasern haben“, so DITF-Wissenschaftler Jamal Sarsour. „Die Länge, die Feinheit als auch die Festigkeit der Faserbündel entscheiden über die Verwendungsmöglichkeiten. Feine Fasern sind für Bekleidung geeignet, gröbere Faserbündel für technische Anwendungen“, ergänzt Projektleiter Thomas Stegmaier.
Neue Chancen für den Öko-Landbau
Von dem Lavendelanbau auf heimischen Böden versprechen sich die Forschenden viele Vorteile: Mit Blick auf eine ökologische Bewirtschaftung der Lavendelfelder würde sich der Anteil des Öko-Landbaus in der Region erhöhen. Zudem könnte die hohe Nachfrage nach hochwertigen ätherischen Ölen für Arzneimittel und Naturkosmetik vor Ort bedient und so Transportkosten eingespart werden.
bb