Öko-Innovationen mit Biomasse
Bioökonomie, Kreislaufwirtschaft, Klimaziele und Naturschutz – all das verband die Konferenz EIC 2022 des niedersächsischen 3N-Kompetenzzentrums.
Zwei Tage lang stand das Hotel Alte Werft in Papenburg ganz im Zeichen nachwachsender Rohstoffe: Das Kompetenzzentrum 3N hatte zur deutsch-niederländischen Konferenz „Öko-Innovationen mit Biomasse“ (EIC 2022) geladen. Der erste Tag legte einen Fokus auf die nachhaltige Ressourcennutzung in der Bioökonomie. An Tag zwei konzentrierten sich die Vorträge unter anderem auf CO2-Minderungsstrategien, das Potenzial der Paludikultur, Agroforstkonzepte, klimafreundliche Landwirtschaft und Algenbiomasse.
Dämmstoffe, Kunststoffe und Verbundwerkstoffe
Als Beispiel für eine erfolgreiche bioökonomische Interreg-Kooperation Deutschlands und der Niederlande stellten die Referentinnen Ilona Heijen, Anita Buijs und Karin Eden die Ems-Dollart-Region vor, in der Landwirtschaft und grüne Chemie vorangetrieben werden. Sven Stielstra ergänzte die ebenfalls durch ein Interreg-Programm geförderten Bemühungen um eine zirkuläre Bioökonomie.
Beispiele aus der Forschung, wie Dämmstoffe aus Rohrkolben, Kunststoffe aus Restströmen und Verbundwerkstoffe aus Naturfasern produziert werden können, präsentierten André Herres von der TU Groningen und Jörg Müssig von der Hochschule Bremen. Doch die Konferenz zeigte sich auch praxisnah: Mehrere Unternehmen stellten bioökonomische Innovationen vor, mit denen sie bereits am Markt oder kurz vor der Vermarktung sind.
Biopolymere in Europa kaum produziert
So nutzt die Firma Waldpack recycelte Holzfasern, um daraus Einwegversandboxen herzustellen, die als kombinierte Verpackung für Tiefkühl-, Kühl- und Trockenware dienen und so Styroporboxen ersetzen können. H&P Moulding produziert im Spritzguss Trinkbecher aus dem biobasierten und bioabbaubaren Kunststoff PLA. Dabei kritisierte Bart Labrie, dass er den Kunststoff bislang aus China beziehen müsse, weil regional lediglich PHA angeboten werde. Auch Bas Krins von Sinbis Polymer Innovations bedauerte, dass 70 % aller Biopolymere in Asien produziert würden und Europa den Anschluss verpasst hätte. Seine Firma nutzt einen eigens entwickelten Werkstoff aus biologisch abbaubaren Polymeren für bestimmte Stricke, die an Fischnetzen angebracht werden, um diese vor Schäden am Meeresboden zu schützen. Mit der Zeit lösen sich diese Stricke jedoch und die bislang aus Polyethylen bestehenden Stränge verbleiben als Müll im Meer und an Stränden.
Bioclear Earth entwickelt einen alternativen Prozess zur Betonherstellung. Anstelle des extrem klimaschädlichen Zements kombiniert das Verfahren Sand, Kies und Schotter mit Bakterien. Deren Ablagerungsprozesse übernehmen die Bindemittelfunktion, die sonst Zement erfüllt. Die Firma DEULA wiederum hat biobasierte Bewässerungsrohre für die Landwirtschaft entwickelt, in die Stickstoff eingepresst wurde. Im Wurzelraum verlegt können die Pflanzen so bedarfsgenau bewässert werden und den Stickstoff, der sich aus den Rohren auswäscht, besser verwerten, sodass weniger Stickstoff in den Boden gelangt und dort zur Klimaerwärmung beiträgt. Die Rohre zersetzen sich komplett und müssen nach etwa einem halben Jahr erneuert werden.
Moore wiedervernässen und nachhaltig nutzen
Neben den zunehmend etablierten Prozessen wie etwa Bioraffinerien und der Herstellung von Wasserstoff oder Bio-LNG ging es am zweiten Tag meist um entwickelte, aber in der Praxis noch selten anzutreffende Konzepte. Jasper von Belle von der TU Leeuwarden stellte einen Ansatz vor, um den Wert von Ökosystemleistungen finanziell zu quantifizieren und Landwirte dafür zu belohnen, wenn sie durch Paludikulturen Moorböden wiedervernässt nutzen. In Deutschland finden acht Prozent der Landwirtschaft auf Moorböden statt, von denen 92 % dazu entwässert worden sind. Diese Moorböden sind für rund ein Drittel aller Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft verantwortlich, lernten die Konferenzteilnehmer. Allein die Frage, wie wir Moore managen, entscheide global über 0,1 Grad Unterschied in der Erderwärmung, ergänzte Vytas Huth von der Universität Rostock.
Philipp Gerhardt von der Baumfeldwirtschaft Wiesenburg stellte das Potenzial des Wassermanagements durch Agroforstwirtschaft heraus. Er warb für „Keyline-Strukturen“, was bedeutet, Landschaften entlang natürlicher Geländestrukturen zu gestalten, um natürliche Wasserläufe zu fördern, durch Bäume und deren Wurzelraum das Wasser zu lenken und gleichzeitig Äcker so zu planen, dass gute Fahrlinien für Arbeitsfahrzeuge entstehen. „Wir haben mit unserer Landschaft einen Fehler gemacht“, kritisierte Gerhardt die Strukturen, die heute Überschwemmungen und Dürren fördern. Reich strukturierte Gehölzlandschaften müssten wiederhergestellt werden – das sei ein weit größerer Hebel als die Umstellung auf Bioanbau.
Esskastanie als unterschätzter Landschaftsbaum
Ein unterschätztes Anbauprodukt bewarb Franziska Wolpert von der Baumschule Wurzelwerk: die Esskastanie. Diese sei sehr langlebig, als Tiefwurzler resistent gegen Stürme, zudem trockentolerant, mache als Plumsfrucht mit wenig Schnittaufwand wenig Arbeit in der Bewirtschaftung und erziele mit rund 250 Euro pro Baum attraktive Ernteerträge. Während in Frankreich bereits größere Plantagen existierten, würden in Deutschland jetzt die ersten Plantagen angepflanzt.
Den Abschluss der Konferenz machte die Blaue Bioökonomie mit Beispielen aus dem Innovationsraum BaMS. Dabei ging es um den Einsatz von Algen als Wasserstoffproduzenten sowie als Rohstoffe der Textilindustrie und für spezielle Bioraffinerien.
bl