Warum Fleischersatz?
Als Fleischersatzprodukte werden Lebensmittel bezeichnet, die Geschmack und Textur von tierischem Fleisch imitieren oder die eine ähnliche Proteinzusammensetzung wie Fleisch besitzen. Für die Akzeptanz durch die Verbrauchenden sind dabei eine Reihe von Kriterien entscheidend, darunter Nachhaltigkeit, Nährwerte und nicht zuletzt die geschmackliche und strukturelle Ähnlichkeit zu echtem Fleisch, aber auch der Preis.
Die Gründe, weshalb Menschen zu Fleischersatzprodukten greifen, sind sehr unterschiedlich. Im Wesentlichen gibt es drei Gruppen, zwischen denen durchaus Überschneidungen bestehen: religiös motivierte Personen, ethisch-ökologisch motivierte Personen und gesundheitlich motivierte Personen. Alle großen Religionen setzen in ihren Vorschriften auch auf Ge- oder Verbote bezüglich der Ernährung. So gilt im Islam und im Judentum Schweinefleisch als unrein, im Hinduismus dürfen Rinder nicht geschlachtet werden und viele Christinnen und Christen verzichten in der Fastenzeit auf Fleisch.
Immer mehr Flexitarier
Viele Vegetarier haben ihre Ernährungsentscheidung aus ethischen Aspekten getroffen, weil sie Haltungs-, Transport- und Schlachtbedingungen oder das „Nutzen“ von Lebewesen generell ablehnen. Diese Gruppe wächst durch Menschen, die in der (Massen-)Tierhaltung die Ursache für zahlreiche ökologische Probleme und einen der Haupttreiber der Klimakrise sehen: Im Jahr 2035 könnten Fleischersatzprodukte die Emission von 1,2 Mrd. Tonnen CO2-Äquivalenten und den Verbrauch von 54 Mrd. Liter Wasser in der Tierhaltung vermeiden, hat die Boston Consulting Group (BCG) errechnet. Nicht zuletzt sind mit der Fleischproduktion global betrachtet Verteilungsungerechtigkeiten und Landnutzungskonflikte verbunden.
Die rasant wachsende Zahl von Menschen, die sich aus diesen Gründen fleischreduziert (flexitarisch), vegetarisch oder vegan ernähren, trägt wohl am stärksten zum Wachstum des Markts für Fleischersatzprodukte bei: Von den 15- bis 29-jährigen Menschen in Deutschland, die für den „Fleischatlas“ der Böll-Stiftung befragt wurden, zählten sich bereits 38 % zu einer dieser drei Gruppen. Weitere 44 % möchten künftig ihren Fleischkonsum verringern. Laut dem aktuellen Ernährungsreport der Bundesregierung haben 64 % der 14- bis 29-Jährigen hierzulande schon Fleischalternativen gekauft. Der pandemiebedingte Boom des Kochens daheim hat diesen Trend noch befeuert.
Erklärvideo: Veganes Fleisch
Darüber hinaus greifen gesundheitsbewusste Menschen vermehrt zu Fleischersatzprodukten, da insbesondere das verarbeitete „rote“ Fleisch in Verruf geraten ist: Eine fleischreiche Ernährung korreliert nachweislich mit einem erhöhten Risiko für eine Reihe von Wohlstandskrankheiten, darunter Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden und Darmkrebs (siehe etwa diese Metastudie). Ob die fleischlosen Alternativen tatsächlich gesünder sind, hängt jedoch auch von deren weiteren Inhaltsstoffen ab und ob sie alle benötigten Nährstoffe bereitstellen.
Unabhängig davon, welche Motivation für den Fleischverzicht vorliegt, entsteht bei vielen Menschen der Wunsch nach Alternativen, die sich analog zu Fleisch für die Zubereitung bestimmter Gerichte eignen oder mit Blick auf eine ausgewogene Ernährung gleichwertige Nährstoffe, insbesondere wichtige Eiweiße, liefern.
Ressourcen schonen
Neben möglichen gesundheitlichen Vorteilen bieten pflanzliche Fleischersatzprodukte einen weiteren Vorzug: Sie helfen, Ressourcen zu schonen. Sie benötigen weniger Anbaufläche und Energie pro Kalorie als tierische Produkte. Die Viehzucht erfordert unter anderem Futteranbau und Weideland. Dagegen ermöglichen Algen und Pilze sogar die Produktion im urbanen Raum und dort, wo Böden wenig fruchtbar sind. Das entschärft Landnutzungskonflikte und erschließt zusätzliche Flächen für die Nahrungsmittelerzeugung für eine wachsende Weltbevölkerung. Gleiches gilt auch für insektenbasiertes Protein sowie Zellkulturfleisch. Diese beiden Fleischalternativen werden nicht in diesem Dossier thematisiert.
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Von der Nische zum Trend
Etwa 75 Kilogramm tierische Produkte hat jeder Mensch auf der Erde im Jahr 2020 durchschnittlich verzehrt. In Summe sind es rund 574 Millionen Tonnen Fleisch, Meeresfrüchte, Milchprodukte und Eier. Da überrascht es nicht, dass schon die Ernährungsentscheidung eines kleinen Prozentsatzes der Konsumenten genügt, um innerhalb weniger Jahre Fleischersatzprodukte zu einem großen Marktsegment werden zu lassen. Von 13 Millionen Tonnen im Jahr 2020 dürfte die Nachfrage nach alternativen Proteinen bis zum Jahr 2035 auf 97 Millionen Tonnen ansteigen, prognostiziert das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group. Dann bestünden 11 % allen Fleisches, aller Meeresfrüchte, aller Milchprodukte und aller Eier aus alternativen Proteinen – ein Marktwert von 290 Mrd. US-Dollar.
In Geschmack, Textur und Preis dürften die Alternativprodukte bis dahin mit den tierischen Originalen gleichgezogen haben, so das Beratungsunternehmen. Würde der Gesetzgeber Alternativprodukte regulatorisch unterstützen und die Technologie schnell reifen, könnte der Anteil an Fleischersatzprodukten 2035 sogar bei 22 % liegen. Wird der Markt heute noch fast vollständig durch pflanzliche und pilzbasierte Alternativen geprägt, dürften mikrobielle sowie tierische Proteine aus dem Bioreaktor bis 2035 je nach Studie zusammen zwischen 30 % und 45% der Fleischalternativen bilden. Fleischersatzprodukte könnten einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Kearney zufolge 2040 60 % der klassischen Fleischprodukte ersetzen.
In Deutschland lag der Umsatz mit veganer Wurst 2020 laut dem Handelsforschungsunternehmen Nielsen bei rund 0,4 Mrd. Euro – kaum der Rede wert im Vergleich zu 10,8 Mrd. Euro mit Wurst aus Fleisch. Doch der Ausbruch aus der Nische hat bereits begonnen: Lag die Produktion von Fleischersatzprodukten im 1. Quartal 2019 laut Fleischatlas noch bei 14.700 Tonnen, betrug sie im 1. Quartal 2020 bereits 20.000 Tonnen. Dominierten bis vor wenigen Jahren dabei noch Bioprodukte, so speist sich das Wachstum derzeit vor allem aus konventionell angebauten Erzeugnissen. Inzwischen geht der Trend so weit, dass sich die Zahl industrieller Anlagen zur Verarbeitung von Pflanzenprotein als limitierender Faktor erweist.
Eine wichtige Rolle beim Wachstum dürfte die Akzeptanz der Produkte spielen: 15 % der für den Fleischatlas befragten Menschen in Deutschland sehen in pflanzlichen Alternativprodukten einen guten Ersatz, weitere 26 % würden sie probieren. In vitro-Fleisch oder Insekten überzeugen hingegen nur 6 % beziehungsweise 5 % der Befragten. Doch auch hier wären 27 bzw. 25 % zumindest zum Test bereit. Die Befragung ergab zudem, dass Skepsis und Ablehnung gegenüber alternativen Proteinen steigen, je höher der individuelle Fleischkonsum ist. Junge Menschen und solche mit hohem Bildungsstand zeigten sich hingegen besonders aufgeschlossen.
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Fleischersatz aus Pflanzen, Algen und Pilzen im Überblick
Die längste Tradition als Fleischalternative haben proteinreiche pflanzliche Produkte aus Soja und Weizen. In den Fokus rücken dabei regionale Proteinpflanzen.
Soja
Soja steht in der Kritik, weil der Sojaanbau in Nord- und Südamerika mit großflächigen Regenwald-Rodungen und ökologisch problematischen Monokulturen in Zusammenhang gebracht wird. Tatsächlich stammt das meiste Soja für die Lebensmittelindustrie in Deutschland jedoch aus europäischem Anbau. Weil Soja Inhaltsstoffe besitzt, die hormonähnlich wirken, sollten Kinder und insbesondere Kleinkinder nur geringe Mengen verzehren. Der hohe Proteinanteil von rund 37 % macht die Sojabohne dennoch als Fleischersatz attraktiv, zumal sie alle essenziellen Aminosäuren enthält.
Der aus Soja hergestellte Tofu ist der Klassiker unter den Fleischersatzprodukten und hat vor allem in Asien eine lange Tradition. Für seine Herstellung wird das Sojaeiweiß mithilfe eines Gerinnungsmittels ausgefällt. Die eingedickte Sojaflüssigkeit wird dann ausgepresst, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Tofu ist weitgehend geschmacksneutral, hat aber in Textur und Konsistenz keine Ähnlichkeit mit Fleisch. Oftmals wird es wie Hackfleisch verwendet.
Tempeh wird hergestellt, indem ganze Sojabohnen eingeweicht und gekocht werden. Edelschimmelpilze fermentieren die Sojamasse und ummanteln die Sojabohnen. Tempeh erhält dadurch eine feste, schnittfähige Struktur und einen pilzigen Geschmack.
Soja-Granulat wird auch als texturiertes Soja oder Sojafleisch bezeichnet. Zunächst werden die Bohnen gemahlen und das Öl herausgepresst. Die resultierende Masse wird extrudiert, dabei blähen sich die Sojastücke auf und die poröse Textur des trockenen Sojafleisches entsteht. Für die Zubereitung lässt man die Stücke quellen, wodurch sie ihr Volumen etwa verdreifachen, und dann abtropfen. Danach können sie wie Fleisch zubereitet werden.
Yuba ist eine japanische Spezialität. Zur Herstellung wird Sojamilch erhitzt. Die entstehende Haut wird abgezogen, getrocknet und anschließend gefaltet oder gerollt. Zum Verzehr wird Yuba befeuchtet und schmeckt dann cremig und nussig; oder die Blätter werden verwendet, um andere Speisen darin einzuwickeln und anschließend zu braten oder zu dünsten. Yuba-Stäbchen werden auch frittiert verzehrt.
Weizen
Weizen erfreut sich zunehmender Beliebtheit als alternative Proteinquelle: Das Getreide wird in Deutschland angebaut, ist anders als Soja unbedenklich, was hormonelle Effekte betrifft, und führt zu Produkten, deren Textur der von Fleisch recht nahekommt.
Die wichtigste Fleischalternative auf Weizenbasis ist seit fast 60 Jahren Seitan, der aus Weizenprotein (Gluten) hergestellt wird. Zunächst wird aus Mehl und Wasser ein Teig erzeugt, aus dem anschließend die Stärke herausgeknetet wird. Das elastische Resultat wird dann noch gekocht oder dampfgegart und kann wegen seiner fleischähnlichen Konsistenz vielfältig eingesetzt werden. Seitan enthält nur geringe Mengen der essenziellen Aminosäure Lysin.
Lupine
Die Süßlupine besitzt eine lange Tradition als Nahrungsmittel, hat aber einen bitteren Geschmack. Das Start-up Prolupin GmbH, eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising, hat Verarbeitungstechniken entwickelt, mit denen sich Lupinenprotein mit einem neutralen sensorischen Profil herstellen lässt. Die Lupinensamen werden dazu geschält und zu Flocken gepresst. Diese werden eingeweicht und mithilfe von überkritischem CO2 entölt, um Fette und unerwünschte Geschmacksstoffe herauszuwaschen. Übrig bleibt das weitgehend geschmacksneutrale Protein. 2014 gab es für diese Innovation den Deutschen Zukunftspreis.
Prolupin bietet über ein eigenes Markenportfolio Alternativen zu Molkereiprodukten an. Künftig möchte Prolupin dieses reine Lupinenprotein auch anderen Lebensmittelherstellern anbieten. Allerdings gibt es am Markt bereits Fleischersatzprodukte wie Würstchen und Schnitzel aus Lupinenprotein, beispielsweise von der deutschen Firma Purvegan.
Da die Lupine ein einheimisches Gewächs ist und zudem über Knöllchenbakterien an ihren Wurzeln Stickstoff bindet und so auf natürliche Weise den Boden düngt, hat sie eine ausgezeichnete Ökobilanz. Zudem ist sie mit 36 bis 48 % ähnlich proteinhaltig wie die Sojabohne, bei deutlich weniger Kohlenhydraten und Fetten.
Erbse
Erbsen (und auch Bohnen und Kichererbsen) sind eiweißreich und wertvoll für eine ausgewogene Ernährung. In jüngerer Vergangenheit wird vor allem das Erbsenprotein vermehrt als Fleischersatz herangezogen, insbesondere für Wurst und Schnitzel. Vorreiter ist das US-Unternehmen Beyond Meat. In Deutschland macht zudem das Start-up Amidori von sich reden, das zur Herstellung des Erbsenproteins ein gemeinsam mit dem Fraunhofer IVV entwickeltes Verfahren verwendet. Grundsätzlich werden die Erbsen aus der Schote gelöst und gemahlen, dann Stärke und Ballaststoffe entfernt. Ein besonderes Kochverfahren verleiht dem Protein schließlich seine recht fleischähnliche Faserstruktur. Erbsen haben ähnlich wie Lupinen den Vorteil, in Deutschland gut zu gedeihen und den Boden auf natürliche Weise zu düngen.
Video: Das Potenzial der Sonnenblumenkerne
Weitere Pflanzen
Sonnenblumen sind für ihr Öl bekannt, doch auch das Protein, das alle essenziellen Aminosäuren enthält, wird zunehmend als Rohstoff entdeckt. Der Presskuchen der Kerne wird als Hack vermarktet und findet noch feiner gemahlen Verwendung in Proteinshakes und -riegeln. Steckrübe, Knollensellerie und Aubergine werden nicht als Protein, sondern direkt in dicken Scheiben wie Schnitzel zubereitet. Was auf Notzeiten zurückgeht, kommt heute vegetarisch motiviert wieder in Mode. Ähnliches gilt für Tsa Tsai, die Speicherwurzeln einer asiatischen Kohlart. Milchsauer eingelegt erlangen sie eine fleischähnliche, bissfeste Konsistenz. Auch die Jackfrucht aus Südindien lässt sich aufgrund ihrer hähnchenfleischähnlichen Konsistenz als Fleischersatz verwenden. Sie hat aber nur einen sehr geringen Energie- und Proteingehalt und schmeckt leicht säuerlich.
Algen
Makroalgen sind als Lebensmittel etabliert. Häufig werden sie bei der Zubereitung von Sushi verwendet. Außerdem gibt es Salate aus Algen. US-Forschende haben nun beispielsweise eine Rotalge der Gattung Palmaria gezüchtet, die nach Fleisch schmeckt und sich als Schinkenersatz eignet. Auch an der Universität Göttingen wird an Algen als Fleischersatz gearbeitet, hier an der Mikroalge Spirulina. Darüber hinaus finden Mikroalgen wie Spirulina und Chlorella bislang vor allem in Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung. Da Algen nährstoffreich sind und ihre Zucht keine Landnutzungskonflikte mit sich bringt, gelten sie als vielversprechende Komponente im Nahrungsmittelmix für eine wachsende Weltbevölkerung.
Pilze
Pilze mit einem großen Fruchtkörper wurden schon immer ähnlich wie Fleisch gebraten und zubereitet, zumal sie in ihrer festen Konsistenz eine gewisse Ähnlichkeit zu Fleisch aufweisen.. Weitere bissfeste, fleischige Pilze sind der Brätling, die Krause Glucke, der Leberreischling, der Parasol, der Riesenbovist, der Schwefelporing, der Shiitake und der Steinpilz.
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Innovative Wirtschaftsakteure
Deutschland
In Deutschland gibt es derzeit etwa 60 Unternehmen für vegane und vegetarische Ersatzprodukte, von denen jedoch nicht alle auch Fleischersatz produzieren. In diesem Kapitel werden einige dieser Unternehmen beispielhaft aufgeführt.
Viele Anbieter haben sich im Verband für Alternative Proteinquellen (BalPro) organisiert. Neben spezialisierten Herstellern, Handelsmarken und Start-ups haben auch Produzenten konventioneller Fleischprodukte den Trend erkannt und einen großen Marktanteil.
Der Hersteller Rügenwalder Mühle beispielsweise machte im Juli 2020 erstmals mehr Umsatz mit veganen und vegetarischen Fleischalternativen als mit klassischem Aufschnitt oder Teewurst und erlebt inzwischen Rohstoffengpässe, beispielsweise bei Erbsen- und Sojaprotein. Dabei ist das Unternehmen erst 2014 in die Produktion von Veggie-„Fleisch“ und –„Wurst“ eingestiegen. Auch Iglo und Wiesenhof haben die Zeichen der Zeit erkannt und ihr Sortiment um pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte erweitert. Neben eigenen Produkten vertreibt Wiesenhof in Deutschland den US-Veggie-Burger von Beyond Meat.
Durch ihre Innovationsleistungen fallen die Start-ups Purvegan mit Lupinenprotein, Amidori mit Erbsenprotein und Viva Maris mit einem Wurstersatz aus Algen auf. Weitere oft junge deutsche Unternehmen, die pflanzliche Fleischersatzprodukte anbieten und entwickeln sind Berief, Like Meat, MushLabs, Planty of Meat, Naba, Sunflower Familiy, Vegini und Zeevi.
Forschungsseitig sind bei der Entwicklung alternativer Proteine auf pflanzlicher Basis und der entsprechenden Fertigungsprozesse vor allem das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik und die Universität Hohenheim sowie die Hochschule Weihenstephan und der Campus Weihenstephan der TU München zu nennen.
International
Zwei bekannte Namen außerhalb Deutschlands sind sicherlich der Veggie-Burger-Patty-Hersteller Beyond Meat (USA) und der Erfinder von Quorn, Marlow Foods (UK). Weitere große sowie innovative Akteure sind unter anderem Impossible Foods (USA), Planted (CH), ProLaterre (NL), Soyana (CH), Tivali (NL), VeggieMeat (AT) und Vivera (NL). Die großen Lebensmittelkonzerne bespielen das Segment mit eigenen Marken, darunter „Garden Gourmet“ von Nestlé und „The Vegetarian Butcher“ von Unilever.
Auch entstehen immer mehr internationale Start-ups, die alternative Proteine entwickeln. Allein der Proveg Incubator, getragen von der internationalen Dachorganisation zahlreicher Vegetarierbünde, hat seit November 2018 mehr als 40 Food-Start-ups und ähnlich viele innovative Produkte unterstützt, die ohne tierische Inhaltsstoffe auskommen.
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Wie kann Bioökonomie-Forschung die Entwicklung unterstützen?
Um Akzeptanz und weitere Marktrelevanz zu erhalten, müssen Ersatzprodukte in Geschmack, Textur und Nährwert qualitativ mit dem fleischlichen Original vergleichbar oder besser sein, eine günstige Ökobilanz aufweisen und trotzdem nicht viel mehr kosten. Ohne technologische Neuerungen ist das nicht zu leisten. Die Bioökonomie-Forschung kann in fünf Feldern dazu beitragen, pflanzliche Fleischersatzprodukte voranzubringen:
- Mehrheitlich zielt die Pflanzenzüchtungsforschung darauf ab, Erträge für etablierte Nahrungsmittel und Futtermittel zu optimieren und die Pflanzen an die Klimaveränderungen anzupassen. Doch bislang sind kaum Pflanzensorten entwickelt worden, um als Proteinlieferanten für Fleischersatzprodukte zu dienen. Eine wichtige Aufgabe besteht daher darin, proteinreiche Nutzpflanzen wie Soja, Erbse und Lupine züchterisch weiterzuentwickeln.
- Auch bei den Anbausystemen lag der Fokus der Wissenschaft bislang vor allem auf bedeutsamen Getreidearten wie Mais, Weizen und Gerste. Hier müssen Soja, Erbse, Lupine und Co. stärker in den Fokus rücken und zugleich die ökologische Nachhaltigkeit der Anbausysteme verbessert werden.
- Damit die neuen Proteinquellen rentabel sein können, muss auch die Extraktion, also die Isolierung der Proteine, weiter verbessert werden, um maximale Ausbeuten mit hoher Reinheit zu erzielen und unerwünschte Komponenten – wie beispielsweise die bitteren Geschmacksstoffe bei der Lupine – abzuscheiden. Dazu gehört auch, Allergene zu eliminieren.
- Proteine alleine machen noch kein Lebensmittel; erst recht kein schmackhaftes. Nötig sind daher weitere Rezepturen, die zugleich die Geschmackserwartungen der Menschen treffen und gegebenenfalls durch Zusätze eine umfassende Nährstoffversorgung für all jene sicherstellen, die sich fleischfrei ernähren. Zugleich müssen die Produkte wie alle Lebensmittel lager- und transportfähig sein.
- Die oftmals größte Hürde, Menschen zu erreichen, die Fleisch möglichst 1:1 ersetzen möchten, liegt in der Textur der pflanzlichen Produkte. Hier ist weitere Entwicklungsarbeit erforderlich, um den hohen Ansprüchen gerecht zu werden und diese auch in industriellem Maßstab umsetzen zu können.
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Beispiele aus öffentlich geförderten Forschungsprojekten
Aktuell unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Entwicklung alternativer Proteine für die Lebensmittelherstellung mit dem Innovationsraum NewFoodSystems. Dessen Grundidee ist es, Akteure aus der Lebensmittel- und Ernährungsforschung sowie der Lebensmittelwirtschaft zusammenzubringen, um bioökonomische Innovationen anzustoßen und Forschungsergebnisse noch effizienter in die Praxis zu überführen.
Der Innovationsraum hat bereits mehr als 40 Mitglieder aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Koordiniert wird NewFoodSystems vom Max Rubner-Institut (MRI) in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV). Einer der drei Schwerpunkte des Innovationsraums liegt auf der Entwicklung nachhaltiger Proteinzutaten. Zunächst soll darin eine umfassende Proteindatenbank entstehen, die es ermöglicht, anhand von Kenngrößen die optimalen Proteinkombinationen für bestimmte Verwendungszwecke auszuwählen, um Proteine zur Herstellung von innovativen Lebens- und Futtermitteln gezielter einsetzen zu können.
Innovationsraum NewFoodSystems im Video
Wie Forschende in Bonn und Freising pflanzenbasierten Fleischersatz erforschen, steht im Mittelpunkt der Episode PflanzenFleisch, eine von acht Geschichten aus der Multimedia-Story „Lebensmittel der Zukunft“ von bioökonomie.de.
Inwiefern alternative Proteine überhaupt am Markt erfolgreich sein können und welche Faktoren dies beeinflussen, untersucht das BMBF-geförderte Projekt TRADINNOVATION. Im Fokus stehen pflanzliche Proteine, Insektenproteine und Zellkulturfleisch zur Bereitstellung von Fleischanaloga. Aufbauend auf der Analyse dieser drei technologischen Innovationssysteme und ihrer wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Folgen werden deren Wechselwirkungen untereinander betrachtet und deren Funktionsfähigkeit und Problemlösungspotenzial vergleichend bewertet.
Auch das BMBF-geförderte Projekt ProteinBioTech befasst sich weniger mit der naturwissenschaftlichen Seite der Bioökonomie, sondern schaut auf gesellschaftliche Aspekte, die die Wahl der Proteinquellen beeinflussen. Ziel ist die Entwicklung einer nachhaltigen und gesundheitsfördernden Ernährungskultur.
Die Etablierung der Süßlupine als Proteinquelle geht maßgeblich auf ein weiteres vom BMBF gefördertes Projekt zurück: PlantsProFood in Mecklenburg-Vorpommern. Das Forschungskonsortium aus zehn Industriepartnern – darunter die ProLupin GmbH – und drei Forschungseinrichtungen untersuchte seit 2010 im Rahmen der BMBF-Förderinitiative „Unternehmen Region“ den Einsatz von Lupinenzutaten in Konditorei- und Feinkostprodukten sowie Wurstwaren. Das erste Produkt war damals ein Speiseeis mit Lupineneiweiß, gefolgt von einer „Leberwurst“, in der Lupineneiweiß das tierische Fett ersetzte.
Hilfreich für die Etablierung alternativer Proteine sind zudem einzelne Konsortien im BMBF-Förderprogramm Agrarsysteme der Zukunft. Das Projekt „food4future“ hat beispielsweise Technologien für die Produktion von Makroalgen, Quallen und Grillen im Fokus. Auch „CUBES Circle“ verfolgt die Vision einer intelligenten Vernetzung von verschiedenen agrarischen Produktionssystemen für Pflanzen, Insekten und Fische in geschlossenen Energie- und Stoffkreisläufen.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert derzeit zwar keine Projekte, die sich explizit dem pflanzlichen Fleischersatz widmen, unterstützt diese Entwicklung jedoch durch Forschungsförderung im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie:
Das Projekt „LupiBreed“ verfolgte das Ziel, die Ertragsleistung und -stabilität bei Süßlupinen zu verbessern. Im Fokus stand dabei auch eine optimierte Zusammensetzung der Inhaltsstoffe. Bei „LUPI-ZAV“ ging es darum, züchterisch nützliche Eigenschaften, die bei den modernen, bitterstoffarmen Sorten verlorengegangen sind, auf gentechnischem Wege wieder für Zuchtlinien verfügbar zu machen. Im Verbundprojekt „ProHand“ stehen Prozesse im Mittelpunkt, die dem Lebensmittelhandwerk neue Vorprodukte zur Verarbeitung in Lebensmitteln bereitstellen. Das Projekt bearbeitet die Rohstoffe Soja, Dinkel, Hafer, Reis, Mandel und Kokosnuss, Weizengras, Dinkelgras, Spinat und Erbse sowie Algen und Wasserlinsen. Ziel des Vorhabens „Innovative und ganzheitliche Wertschöpfungskonzepte für Lebens- und Futtermittel aus heimischen Körnerleguminosen vom Anbau bis zur Nutzung“ (LeguAN) war es, Lebensmittel und -zutaten auf der Basis von heimischen Hülsenfrüchten effizient und marktgerecht herzustellen. Beispielsweise konnten flavonoidreiche Körnerleguminosen gewonnen werden, ohne deren Proteingehalt und -zusammensetzung negativ zu beeinträchtigen.
Eine Reihe weiterer Projekte mit entsprechenden Bezügen verfolgt das Max Rubner-Institut. Darin geht es beispielsweise um die Allergenität von Erbsenproteinen, aber auch darum, die Ernährungsphysiologie alternativer Proteinquellen besser zu verstehen und zu optimieren.
Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert Forschungsprojekte zum Thema pflanzenbasierter Fleischersatz. Da die Textur der alternativen Proteinprodukte ganz wesentlich für die Akzeptanz im Markt ist, widmet sich ein Projekt den „Texturierungsmechanismen bei der Nassextrusion von Soja- und Erbsenprotein“. Ziel ist es, die Produkte durch Hinzufügen von Lipiden und vorstrukturierten Proteinkomponenten fleischähnlicher zu gestalten.
Ziel des Forschungsvorhabens „MeatHybrid“ war es, die Effekte von Pflanzenproteinen in Hybridprodukten mit Brüh- und Rohwurstcharakter sowie in Convenience-Produkten zu charakterisieren und ausgerichtet an Akzeptanztests, Ernährungsphysiologie und technischer Machbarkeit zu optimieren.
Unter dem Dach der Fraunhofer-Gesellschaft haben sich unlängst sechs Institute zur Allianz „TrueProteins“ zusammengeschlossen. Sie entwickeln neue, geschlossene Anbausysteme und -prozesse, mit denen nährstoffreiche Proteine aus ausgewählten Pflanzen (Kartoffeln, Weizengras, Luzerne), Insekten, Pilzen (Ständerpilze wie Seitling oder Shiitake) und Algen gewonnen werden.
Unter den Bundesländern ragt Hessen hervor, das mit dem Förderprogramm LOEWE die Entwicklung von fleischähnlichen Produkten aus Pilzproteinen unterstützt. Vereinzelt sind zudem Stiftungen als Geldgeber zu diesem Thema aktiv, so wie die Adalbert-Raps-Stiftung, die die Bewertung alternativer Proteinquellen für die Herstellung von Fleischersatz fördert.
Grenzübergreifend fördert auch die Europäische Union alternative Proteine, beispielsweise im Projekt „TRUE – TRansition paths to sUstainable legume-based systems in Europe“. Dessen Aufgabe ist es, die besten Wege zu ermitteln, um den nachhaltigen Anbau und Konsum von Hülsenfrüchten innerhalb der EU auszuweiten.