Europas Kronendächer lichten sich
Anhand von Satellitenbildern haben Forschende Lücken im Kronendach des europäischen Waldes aufgespürt und die Veränderungen des Zustandes erstmals auf einer Karte sichtbar gemacht.
Wälder sind für das Überleben von Mensch und Natur unverzichtbar. Sie sind Lebensräume für viele Pflanzen und Tiere, CO2- und Wasserspeicher sowie Sauerstoffproduzenten, aber auch Erholungsort und Rohstoffquelle. Doch das Ökosystem hat sich verändert. Anhand von Satellitendaten haben Forschende der Universität München und der Universität für Bodenkultur in Wien erstmals eine Karte erstellt, die sichtbar macht, wie sich der europäische Wald im Laufe der vergangenen 30 Jahre gewandelt hat.
17% der Kronendächer sind verschwunden
Die Auswertung von 30.000 Satellitenbildern ergab: 36 Millionen Flächen haben ihre Kronendächer verloren. Hier mussten große Bäume entweder einer Freifläche oder jungen Bäumen weichen. Insgesamt sind damit 17% der Vegetationsdecke im europäischen Wald in den vergangenen drei Jahrzehnten verschwunden.
Neben der Holznutzung haben auch Waldbrände und Windwurf zum Verlust der Kronendächer geführt. Die Größe und Form der Waldöffnungen waren jedoch sehr unterschiedlich. Mit durchschnittlich knapp zwei Hektar hatte zwar Schweden die größten Löcher in der Kronendecke. In Portugal war jedoch die Anzahl der Öffnungen wesentlich größer. Mit im Durchschnitt nur 0,6 Hektar hat dagegen die Schweiz die kleinsten Lücken im Kronendach, gefolgt von Deutschland mit 0,7 Hektar und Italien mit 0,75 Hektar. Die größte von den Forschern registrierte Öffnung im Kronendach gibt es in Spanien. Grund dafür ist ein Feuer, das 2012 ganze 17.000 Hektar verwüstete.
Mehr Freiflächen in den Wäldern
Mit Hilfe der Karte können die Forscher nun erstmals beschreiben, wie sich der Wald konkret verändert hat. Demnach haben in Europas Wäldern sowohl die Zahl als auch die Größe der Öffnungen im Kronendach zugenommen. Das heißt, die Wälder sind offener und häufiger durch Freiflächen unterbrochen, was sowohl auf Waldbrände, aber auch starke Winde zurückzuführen ist.
Junge Bäume wachsen nach
Trotz der starken Änderungen sehen die Forscher auch eine positive Entwicklung: „In den meisten Fällen wachsen nach einem Verlust des Altbestands neue, junge Bäume heran“, so der Erstautor der Studie, Cornelius Senf von der TUM. „Um aber zu verstehen, wo Wälder gegebenenfalls Gefahr laufen, irreversibel geschädigt zu werden, brauchen wir eine Basislinie als Referenz. Diese zeigt die neu erstelle Karte auf.“
Hilfe für Waldverjüngerung
Auch sein Chef Rupert Seidl sieht in dem Verlust die Chance, „dass sich eine neue, besser an den Klimawandel angepasste Baumgeneration etablieren kann". Aber nicht nur das: „Die Karten können zum Beispiel helfen, Flächen zu identifizieren, wo durch gezieltes Pflanzen die Regeneration gefördert werden muss oder wo der Wald sich selbst verjüngen kann. Somit kann der Wald für den Klimawandel fit gemacht werden - eine Aufgabe, die gerade in den vergangenen zwei Jahren an Dringlichkeit gewonnen hat“, so Seidl.
bb