Wie biobasiertes Wirtschaften resilient wird

Wie biobasiertes Wirtschaften resilient wird

Peter Feindt

Beruf: Politikwissenschaftler 

Position: Leiter des Fachgebietes Agrar- und Ernährungspolitik am Department für Agrarökonomie, Humboldt-Universität zu Berlin

Peter H. Feindt
Vorname
Peter
Nachname
Feindt

Beruf: Politikwissenschaftler 

Position: Leiter des Fachgebietes Agrar- und Ernährungspolitik am Department für Agrarökonomie, Humboldt-Universität zu Berlin

Peter H. Feindt

Der Berliner Politikwissenschaftler Peter Feindt untersucht, wie biobasierte Wirtschaftssysteme mit Schockereignissen und Stress umgehen können. In der Corona-Krise ist das Thema Resilienz hochrelevant.

Resilienz – darunter verstehen Psychologen jene psychische Widerstandskraft, die Menschen dabei hilft, Schicksalsschläge und Krisen durchzustehen. Auch in der Wirtschaft ist Resilienz ein wichtiges Thema – in der Corona-Krise ist dieses Konzept so relevant wie nie. Der Professor für Agrar- und Ernährungspolitik Peter H. Feindt erforscht an der Berliner Humboldt-Universität, wie resilient biobasierte Produktionssysteme sind und wie sich dieser Zustand verbessern lässt. Das Projekt Policy Designs für resiliente Bioökonomie – PolDeRBio“ wird noch bis 2022 vom Bundesforschungsministerium unterstützt.

 

Frage

Was bedeutet kompakt erklärt der Begriff Resilienz in der Wirtschaft?

Antwort

Resilienz in der Wirtschaft ist die Fähigkeit von Personen, Unternehmen, Sektoren oder Wirtschaftssystemen, auf kurzfristige Schocks und langfristigen Stress zu reagieren und dabei ihre wichtigsten Funktionen aufrechtzuerhalten. Dazu gehört die Fähigkeit, Schocks und Stress soweit zu absorbieren, dass ein Kollaps vermieden wird, dann neue Lösungen zu entwickeln und einen langfristigen Wandel umzusetzen, der den neuen Bedingungen entspricht. Anders als Nachhaltigkeit ist Resilienz stärker auf Veränderung angelegt. Bei Nachhaltigkeit fragen wir ja eher, ob die Wirtschaft, die wir haben, auf Dauer zukunftsfähig ist. Resilienzdenken zwingt uns dazu, darüber nachzudenken, wie die Welt sich – eventuell sehr schlagartig – verändern könnte, und wie sich unsere Art zu wirtschaften dann möglicherweise ebenfalls grundlegend verändern muss. Einfach gesagt, ist Resilienz die Fähigkeit, auf problematischen Wandel und böse Überraschungen zu reagieren.

Frage

Welche Eigenschaften kennzeichnen ein resilientes Wirtschaftssystem?

Antwort

Erstens erfordert Resilienz die Fähigkeit, Veränderungen zu antizipieren. Dafür muss man sich aktiv mit einer möglichen Zukunft beschäftigen, zum Beispiel durch Horizon Scanning, Foresight- und Szenarien-Analysen, in denen auch das scheinbar Unvorstellbare mitgedacht wird. Zweitens muss es die Bereitschaft geben, unangenehme und gefährliche Entwicklungen zu akzeptieren und dann schnell neue Lösungen zu entwickeln. Und drittens braucht es eine Bereitschaft und Fähigkeit zu tiefgreifenden Änderungen, wenn sich die bisherigen Ansätze als nicht tragfähig erweisen. Generell gelten Systeme als resilienter, die Pufferressourcen haben, vielfältiger und offener sind, und in denen es zeitnahe Feedback-Mechanismen gibt, welche die Wirkungen des Systems sichtbar machen. Resiliente Systeme zeichnen sich auch dadurch aus, dass Schocks und Störungen intern abgedämpft werden, so dass sich beschleunigende Kaskaden von destruktiven Entwicklungen vermieden werden.

Frage

Wo liegen die Stärken und Schwächen von biobasierten Produktionssystemen mit Blick auf ihren Beitrag zu einer ökonomischen Resilienz?

Antwort

Biobasierte Produktionssysteme sind nicht per se resilient. Die Bioökonomie nutzt biologische Prozesse und ökologische Systeme. Eigentlich zielt der Bioökonomieansatz auf eine umweltfreundlichere und effiziente Ressourcennutzung ab. Viele Ansätze in der Bioökonomie laufen aber auf eine immer intensivere Nutzung der biologischen und ökologischen Ressourcen hinaus. Das kann zu einem Verlust an Resilienz führen, wenn wir die biobasierten Produktionssysteme nur auf Hochleistung trimmen. Denn dann ersetzen wir die Anfälligkeiten der fossilen Ökonomie lediglich durch neue Anfälligkeiten. Daher muss die Resilienz der biobasierten Produktionssysteme ganz oben auf der Agenda stehen.

Frage

Wie kann Ihrer Einschätzung nach eine Bioökonomie wirtschaftliche Schockereignisse wie die Corona-Krise abfedern?

Antwort

Die Bioökonomie verbreitert das Reservoir an Technologien, mit denen Antworten auf neue Herausforderungen gefunden werden können. Das erhöht generell die gesellschaftliche Resilienz, nicht zuletzt im Bereich Medizin und Biopharmaka. In der Corona-Krise ist es schon bewundernswert, wie schnell hier neue Diagnosemethoden und potenzielle Therapeutika und Impfstoffe entwickelt werden. Allerdings sollten wir auch die Frage stellen: Wie müssen wir die Bioökonomie und biobasierte Produktionssysteme gestalten, damit daraus nicht neue Risiken entstehen? Das Corona-Virus ist ja eine Zoonose, die aus sehr riskanten Formen der Interaktion zwischen Menschen und anderen Spezies hervorgegangen ist. Das sollte alle Verantwortlichen dafür sensibilisieren, keine Bioökonomie zu entwickeln, in der alles auf Produktionssteigerung hin optimiert wird und in der es keine räumlichen, ökologischen oder finanziellen Puffer mehr gibt. Die Corona-Krise zeigt uns: Die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen hängt voneinander ab. Die Bioökonomie schafft hier neue Wechselwirkungen, die wir im Auge haben sollten.

Frage

Was ist das Ziel des Projekts PolDeRBio?

Antwort

Letztlich wollen wir Leitlinien für Politikansätze entwickeln, um die Resilienz der biobasierten Produktionssysteme zu verbessern, auf denen die Bioökonomie beruht. Dazu wollen wir verstehen, welche Produktionssysteme bisher überhaupt zum Gegenstand politischer Ansätze geworden sind, und inwiefern dabei Resilienzfragen adressiert werden. Und wir wollen herausfinden, inwiefern eine vorhandene Bioökonomiepolitik die Resilienz von biobasierten Produktionssystemen erhöht oder vermindert, um daraus Verbesserungsansätze abzuleiten.

Frage

Welche Methoden wendet Ihr Team an, um die Bioökonomie-Politik verschiedener Länder auf Resilienz-Effekte zu untersuchen?

Antwort

Zunächst analysieren wir mittels einer Inhaltsanalyse von Policy-Dokumenten die bisherige Bioökonomiepolitik von knapp 50 Ländern. Dann identifizieren wir mittels einer Clusteranalyse unterschiedliche Politikmuster: Welche Bereiche der Bioökonomie werden adressiert, mit welchen Zielen und mit welchen Instrumenten? Danach entwickeln wir ein Bewertungstool für die Resilienz-Orientierung von Bioökonomiepolitik: Inwiefern spielt die Resilienz biobasierter Produktionssysteme eine Rolle und welche Ansätze werden verfolgt? Weiterhin analysieren wir, welche sozioökonomischen Rahmenbedingungen die Resilienz-Orientierung der Bioökonomiepolitik beeinflussen. Schließlich führen wir mehrmonatige Länderstudien in sechs führenden Bioökonomien durch – in den USA, Brasilien, Südafrika, Malaysia, Australien und Deutschland – um genauer zu verstehen, wie die jeweiligen Politikkontexte die Entwicklung von Bioökonomiepolitiken beeinflussen und welche Prozesse dabei ablaufen. Alle Arbeitsschritte werden ergänzt durch Workshops und Kommunikation mit Akteuren aus Gesellschaft und Wirtschaft.

Frage

Können Sie erste Ergebnisse Ihrer Analysen erläutern? Zeichnen sich bereits erste Handlungsempfehlungen an die Politik ab?

Antwort

Wir sind derzeit noch mitten in der Datensammlung für die erste Analyse. Da beobachten wir, dass Politikstrategien durchaus neue Resilienz-Herausforderungen adressieren, zum Beispiel die Konkurrenz zwischen biobasierten Produkten und auf fossilen Ressourcen basierenden Produkten oder politische und wirtschaftliche Krisen, welche die finanzielle Förderung der Bioökonomie und private Investitionen beeinflussen. Generell kann man sicherlich empfehlen, dass die Politik genau darauf achten sollte, nicht Formen der Bioökonomie zu fördern, die wenig resilient gegenüber Veränderungen in den Märkten sind, oder die neue ökologische Anfälligkeiten erzeugen. Palmölplantagen auf ehemaligen Regenwaldböden und Maismonokulturen, die auch noch auf Subventionen angewiesen sind, sind erkennbar nicht resilient.

 

Interview: Philipp Graf