Was Perlmutt stark macht
Forscher haben die Struktur von Perlmutt in Muscheln aufgeklärt. Damit wurde die Grundlage für bruchfeste keramische Materialien geschaffen.
Das Perlmutt im Inneren einer Muschel ist nicht nur schön anzusehen, es fasziniert Materialforscher auch seit Jahrzehnten wegen seiner außergewöhnlichen Härte. Es gilt als eines der zähesten Materialien der Welt. Warum das so ist, konnte bislang nicht erklärt werden. Einem internationalen Forscherteam unter Beteiligung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ist das nun gelungen, wie die Wissenschaftler im Fachjournal "Nature Communication" berichten.
Mehr als die Summe der Teile
Perlmutt besteht aus mikroskopisch kleinen Aragonit-Partikeln, so viel war bekannt. Dabei handelt es sich um ein aus Kalk aufgebautes Mineral. Im Perlmutt sind die Partikel durch organische Verbindungen strukturiert. Doch weder das Aragonit noch die organische Komponente können die Härte des Perlmutts erklären. Das Material ist mehr als die Summe seiner Teile.
Reversible Strukturänderung unter Druck
Im Elektronenmikroskop beobachteten die Forscher, was im Perlmutt passiert, wenn sie Druck auf das Material ausüben. „Zentral für die von uns beobachteten Eigenschaften ist eine Kompositstruktur auf der Nanoskala, die das keramische Material Kalk eng mit Proteinen und anderen organischen Bestandteilen verwebt“, erklärt Stephan Wolf, Materialforscher an der FAU. Möglich ist das, weil die Muschel in der Lage ist, kleinste Kalkpartikel zu Plättchen zusammenzulagern. Diese bestehen aus Schichten von Aragonit und organischem Material. Unter Druck weicht das organische Material jedoch zur Seite, die Plättchen der mineralischen Schichten verhaken sich ineinander und stabilisieren sich dadurch gegenseitig. Lässt der Druck nach, kehrt das System wieder in seinen Ausgangszustand zurück.
Potenzial für synthetische Materialen
„Es ist unglaublich, wie eine Muschel – die nicht gerade für ihre Intelligenz gerühmt wird – so ein komplexes Material generiert, das über viele Längenskalen strukturiert ist”, erklärt Studienleiter Robert Hovden von der University of Michigan. Besonders erstaunlich sei dabei, dass auch nach zahlreichen Wiederholungen das Perlmutt praktisch keinen Verlust bei Elastizität und Festigkeit verzeichne. Bislang konnten Materialforscher diese Eigenschaft bei keinem künstlichen Material erzeugen. Das FAU-Team möchte daher die Prozesse im Perlmutt noch genauer analysieren, um diese „fabelhaften Eigenschaften“ eines Tages synthetisch nachahmen zu können. Potenzielle Anwendungen sehen die Wissenschaftler beispielsweise bei Zahn- oder Knochenimplantaten.
bl