Ob Erdbeben, Epidemien oder Kriege – Berichte über humanitäre Katastrophen erreichen uns mittlerweile fast täglich und mit ihnen auch die Bilder von überfüllten Notunterkünften und aufgereihten Feldbetten. Hierfür werden bisher vor allem Klapp-Feldbetten mit Aluminiumgestellen eingesetzt. Nach einem Einsatz werden die Feldbetten häufig in den Camps zurückgelassen – jährlich müssen Tausende Feldbetten verschrottet werden. Somit fallen riesige Mengen an Metall und Textilmaterial an, Werkstoffe, die oft schwierig zu entsorgen sind. In Krisenfällen wie der Ebola-Epidemie in Westafrika vor wenigen Jahren können die Betten sogar ein erhebliches Infektionsrisiko darstellen.
Mit Einweg-Feldbetten aus nachwachsenden Rohstoffen will der Diplom-Ingenieur Sven Grasselt-Gille von der Technischen Universität Dresden deshalb Abhilfe schaffen. Gille arbeitet an der Professur für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik als Produktgestalter mit biologischen Faserverbundwerkstoffen. Als eine lokale Tischlerei mit dem Wunsch nach einem innovativen Produkt auf ihn zukam, entstand die Idee zum Einweg-Feldbett. Das Vorhaben wird im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Neue Produkte für die Bioökonomie“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Seit August 2018 befindet es sich in der sogenannten Machbarkeitsphase – diese wird für zwei Jahre mit rund 250.000 Euro gefördert.
Unkomplizierte Antragsstellung im Ideenwettbewerb
Erfahren hatte Gille von dem BMBF-Ideenwettbewerb eher zufällig: „Im Pausenraum lag ein Flyer mit dem Hinweis auf die Ausschreibung und der Ankündigung eines Workshops zur Antragstellung von der Gründerförderung Dresden exist, an dem ich dann teilgenommen habe.“ Begeistert vom zweistufigen Aufbau der Fördermaßnahme und der unkomplizierten Antragsstellung reichte er eine Projektskizze ein. Dass sein Projekt die Förderung erhielt, führt Gille neben der innovativen Idee auch auf die akute Lage zurück: „Zum Zeitpunkt der Antragstellung war die humanitäre Notlage der vielen Geflüchteten bei uns vor der Tür angekommen. In den Medien waren ständig Notunterkünfte und Feldbetten zu sehen – unser Projekt bot hier einen greifbaren Lösungsansatz.“
Wellpappe überzeugt als Material
Die Sondierungsphase nutzte Gille zunächst zur Kontaktaufnahme mit Anwendern vor Ort, die durchweg positives Feedback gaben. Ursprünglich wollte er die Betten aus Holz bauen, doch schnell wurde klar: „Für diese sehr spezielle Anwendung ist das Material Holz leider zu schwer und zu teuer“, so Gille. Unterstützt durch Know-how der Arbeitsgruppe für Papiertechnik der Professur entschied er sich deshalb, die Einweg-Feldbetten komplett aus Wellpappe herzustellen: „Wellpappe ist sehr leicht und gleichzeitig sehr steif, außerdem ist sie nachhaltig und gut recyclebar. Für mich als Gestalter hat Wellpappe zudem den Vorteil, dass ich sie falten kann.“ Dadurch könne die Konstruktion am Ende noch steifer und belastbarer werden als der ursprünglich geplante Holz-Steckbausatz.
Zeitnah auf den Markt
Für die Dresdner Einweg-Feldbetten gibt es bereits mehrere Vorentwürfe und erste Modelle, aber vieles muss noch erforscht und erprobt werden: „Die Nassfestigkeit der Wellpappe muss noch geklärt werden“, so Gille. Das Ziel sei es, das Bett mindestens zu 95% aus Wellpappe herzustellen. Denn dann zählt es noch zum Altpapier und kann als solches entsorgt werden. Auch die Bespannung der Liegefläche soll aus Papierwerkstoff entstehen und einer Hängematte ähneln. Offen sei auch noch, wie die Füße der Einweg-Feldbetten nassfest gemacht werden können. „Es wird auf jeden Fall biobasiert sein“, sagt der Gestalter. Bei einigen Modellen arbeiten die Forscher bereits mit abnehmbaren Wood-Plastic-Composite (WPC)-Kappen. Aber auch biobasierte Beschichtungen seien denkbar. Da keine neuen Fertigungsprozesse entwickelt werden müssen, ist Gille optimistisch, dass seine Einweg-Feldbetten zeitnah nach Ende der Förderung auf den Markt kommen könnten. Das erste Modell im 1:1-Maßstab soll noch im Januar 2019 fertig werden. Zur Unterstützung der Umsetzungpläne beschäftigt Gille zudem inzwischen zwei Kolleginnen, die sich vorrangig um den Nässeschutz der Füße und die Liegefläche kümmern.
Auch über eine Ausgründung hat Gille bereits zusammen mit dem Großunternehmen THIMM Packaging Systems GmbH nachgedacht. Die Beteiligung des Spezialisten für Schwerlastverpackung wird dabei aufgrund seiner speziellen Verarbeitungsmaschinen unerlässlich sein.
Autorin: Judith Reichel