Das moderne Baumhaus
Ferdinand LudwigBeruf
Architekt
Position
Professor für Green Technologies in Landscape Architecture an der Technischen Universität München, Partner bei ludwig.schönle | Baubotaniker Architekten Stadtplaner
Beruf
Architekt
Position
Professor für Green Technologies in Landscape Architecture an der Technischen Universität München, Partner bei ludwig.schönle | Baubotaniker Architekten Stadtplaner
Der Münchner Architekt Ferdinand Ludwig entwirft moderne Baumhäuser. Dabei handelt es sich nicht um Spielzeug für Kinder, sondern um nachhaltige Wohnräume, Klassenzimmer und vieles mehr.
Die herkömmliche Bauwirtschaft, die auf Stahl und Beton setzt, braucht neue Ansätze, denn die Ressourcen werden knapp. Eine mögliche Alternative sieht Ferdinand Ludwig im Bauen mit Bäumen. Ein Jahr nachdem er 2006 sein Architekturstudium an der Universität Stuttgart abschloss, gründete er am dortigen Institut das neue Forschungsgebiet Baubotanik, das er bis 2017 als wissenschaftlicher Mitarbeiter auch leitete. Seit März 2017 ist Ludwig Architektur-Professor an der Technischen Universität München, wo er die Konzeption neuer, nachhaltiger Bauten lehrt und zusammen mit seinem Kooperationspartner Daniel Schönle realisiert.
Was kann man sich unter dem Begriff Baubotanik vorstellen?
Die Baubotanik beschreibt den Ansatz, lebende Bäume als Teile der Konstruktion in die Architektur zu integrieren. Dabei übernehmen Äste, Stämme oder auch Wurzeln zum Teil Tragefunktionen. Ziel ist es, die besonderen ökologischen Potenziale von Bäumen, wie die Reinigung der Luft oder die Kühlung durch Verdunstung, unmittelbar in unserer gebauten Umwelt zu nutzen. Die Baubotanik nähert sich also dem Baum technisch und der Architektur biologisch, dadurch können wir das Verhältnis von Natur und Architektur neu ausloten.
Sie haben 2007 das Forschungsgebiet der Baubotanik gegründet. Wie weit ist die Forschung und Anwendung seitdem gekommen?
In den vergangenen etwa zehn Jahren haben wir zum einen wichtige botanische Grundlagen für die Konstruktion mit Bäumen zusammengetragen und in Versuchen überprüft. Zum anderen haben wir Strategien entwickelt, um den besonderen Herausforderungen der Baubotanik gerecht zu werden: Denn Bäume wachsen, sie verändern sich also im Laufe der Zeit und ihre Entwicklung ist nur bedingt planbar. Das verlangt ein Denken in Prozessen, Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten. Das wird auch in unseren Prototypen und Pilotprojekten deutlich: Dies sind keine fertigen Gebäude, sondern Projekte, die einem Entwicklungsprozess und damit einer in der Architektur unüblichen Dynamik unterliegen.
Bäume bieten sich durch ihre Größe und Stabilität geradezu als „pflanzliches Baumaterial“ an. Gibt es noch andere Pflanzen, die sich zum Bauen eignen?
Die Baubotanik zeichnet sich explizit dadurch aus, dass sie Bäume nutzt. Je nach Projekt kommen aber auch noch andere Pflanzen zum Einsatz. So haben wir beispielsweise bei unserem „grünen Zimmer" in Ludwigsburg ein baubotanisch konstruiertes Schattendach mit einer grünen Wand kombiniert. Diese ist mit 40 verschiedenen Pflanzen bepflanzt und trägt so zur Steigerung der Biodiversität bei.
Wie lange halten Ihre Baubotanik-Konstruktionen?
Baubotanische Bauwerke können im Prinzip so alt werden wie die jeweils verwendete Baumart. Dies beweisen unter anderem historische Beispiele wie die lebenden Wurzelbrücken der Khasi-People im Indischen Regenwald. Manche dieser oft mehr als 20 Meter weit spannenden baubotanischen Konstruktionen sind mehrere Hundert Jahre alt. Außerdem entwerfen wir unsere Bauwerke nach dem Prinzip der Redundanz. Das Absterben von Teilen ist – wie bei jedem Baum – völlig normal und Teil des Prozesses. Eine kontinuierliche Pflege und Wartung ist jedoch ebenfalls essenzieller Bestandteil dieses Prozesses.
Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Wir haben gerade ein „grünes Klassenzimmer“ mit baubotanischen Elementen an einer Schule in Süddeutschland fertiggestellt. In der Forschung arbeiten wir außerdem intensiv daran, die Konstruktionsprinzipien der lebenden Brücken – unserer wichtigsten historischen Referenz – zu verstehen, um möglichst viel davon zu lernen. In einem weiteren Projekt geht es darum, einen integrierten Planungsansatz zu entwickeln, der den Wasserbedarf der Pflanzen und den damit verbundenen Kühleffekt durch Verdunstung mit dem zur Verfügung stehenden Regen- und Grauwasser in Städten verknüpft.
Interview: Judith Reichel