Flachs verlängert die Haltbarkeit von Beton
Braunschweiger Materialforscher entwickeln Textilbeton mit Flachsfasern. Diese verleihen dem Beton die gleichen statischen Eigenschaften wie Stahl und verbessern die CO2-Bilanz.
Stahlbeton hat eine lange Lebensdauer. Dass diese dennoch endlich ist, davon zeugen bundesweit viele Baustellen, auf denen derzeit marode Brücken saniert werden. Mit den Jahren dringt Feuchtigkeit in den Beton ein und die Stahlbestandteile korrodieren - von außen oftmals kaum zu erkennen. Die Materialforschung hat daher schon länger Textilbeton als Alternative entdeckt. Er weist die gleichen statischen Eigenschaften auf wie Stahlbeton, ist aber deutlich länger haltbar. Forschern des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung (Wilhelm-Klauditz-Institut, WKI) in Braunschweig ist es nun gelungen, dieses Ziel mit Textilfasern aus nachwachsenden Rohstoffen zu erreichen und so die Klimabilanz des Werkstoffs zu verbessern.
Nicht mal halb so dick wie Stahlbeton
Bislang wird Textilbeton meist mit Glasfaser-, Carbon- oder Kunststoffgeweben hergestellt. Diese Fasernetze ermöglichen es, dem Beton individuelle Geometrien bei gleichzeitig niedrigerem Gewicht zu verleihen. Die Fraunhofer-Forscher setzen nun auf Flachs als Textilfaser. „Eine Stahlbetonbrücke mit einer Spannweite von 15 Metern wäre etwa 35 bis 40 Zentimeter dick, das Pendant aus Flachs hingegen würde mit zwölf bis 16 Zentimeter deutlich flacher ausfallen“, veranschaulicht WKI-Experte Jan Binde die statischen Eigenschaften – und die mögliche Materialersparnis.
Mit Flachs nutzen die Forscher nicht nur einen erneuerbaren Rohstoff, sondern auch einen mit kurzen Transportwegen. Beides verbessert die CO2-Bilanz des resultierenden Betons. Abhängig von den jeweiligen Anforderungen an den Werkstoff können einzelne Stränge aus Polymerfasern das Gewebe ergänzen und zusätzliche Eigenschaften vermitteln. „Der Textilbeton aus Flachs ist höherwertiger als der in Stahlbetonbrücken verbaute Beton“, betont Binde.
Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten
Um die Flachsfasern entsprechend verarbeiten zu können, verwenden die WKI-Forscher eine europaweit einzigartige Doppelgreifer-Webmaschine mit einem sogenannten Jacquard-Aufsatz für komplexe Webmuster. Natürliche Harze schützen das gewebte Textil, das lagenweise in den Beton eingebracht wird. Zum Einsatz kommt hierbei ein Hochleistungsbeton, dessen besondere Dichtheit die Fasern zusätzlich von Umwelteinflüssen abschottet. „Die Matrix, also das Gefüge, ist so dicht, dass schädliche Substanzen nicht in den Baukörper eindringen können. Somit ergibt sich eine deutlich höhere Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten“, zieht Binde den Vergleich zum Stahlbeton. In Tests hinsichtlich Dauerhaftigkeit und Tragfähigkeit hat der Verbundstoff sehr gut abgeschnitten.
Vielseitige Formen möglich
Weil der Beton auf das zuvor in Form gebrachte Textilgewebe gegossen wird, können die Werkstoffexperten daraus problemlos Kuppeln oder gerundete Elemente erzeugen. „Die Naturfaser verzahnt sich sehr gut mit dem Baustoff, was auch daran liegt, dass wir steuern können, wie sich das Gewebe im Beton verankert“, erläutert Binde.
Eine bauaufsichtliche Zulassung des Flachsbetons steht zwar noch aus. Auf der Messe BAU im Januar 2019 in München wird aber bereits ein Prototyp einer Brücke aus dem neuen Material zu sehen sein.
bl