Raps ist in vielerlei Hinsicht eine ganz besondere Kulturpflanze. Zum einen ist sie noch verhältnismäßig jung – Raps entstand erst vor etwa 1.000 Jahren durch eine zufällige Kreuzung aus Rübsen (Chinakohl) und Gemüsekohl. Zum anderen besitzt Brassica napus mit 38 Chromosomen ein sehr großes und komplexes Genom, über das bis vor wenigen Jahren noch kaum etwas bekannt war. Die gelbblühende Ölsaat findet in immer mehr industriellen Bereichen Verwendung, doch es besteht die Gefahr, dass heutige Rapssorten den Ernte- und Umweltanforderungen bald nicht mehr gerecht werden.
Forschungsverbund für mehr Raps-Diversität
Aufgrund seiner vielseitigen Nutzungsformen wird der Raps heute in ganz Europa angebaut und unter anderem in der humanen Ernährung, der Tierfütterung oder in der Herstellung von Biodiesel verwendet. Um die Rapszüchtung zu optimieren und zu stabilisieren, haben sich sieben Züchtungsbetriebe aus ganz Deutschland sowie sieben Forschungseinrichtungen unter der Federführung von Gunhild Leckband, Geschäftsführerin der NPZ Innovation GmbH, und Amine Abbadi in Holtsee zusammengeschlossen. Das Forschungskonsortium namens Pre-Breed-Yield wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie der Zukunft“ von 2011 bis 2015 mit rund 4 Mio. Euro gefördert.
Flaschenhälse in der Rapszüchtung
Trotz seines großen Genoms weisen heutige Rapssorten nur eine sehr geringe genetische Vielfalt auf. „Diese geringe Diversität entstand, weil sich Züchter auf zwei bestimmte Zuchtziele konzentriert haben“, sagt Abbadi. Auf der einen Seite sollte die ernährungsphysiologisch bedenkliche Erucasäure aus dem Raps verschwinden, und auf der anderen Seite sollte der Gehalt an Glucosinolaten im Rapsschrot reduziert werden, damit er sich besser für die Tierfütterung eignet. Diese zwei „züchterischen Flaschenhälse“ hätten schließlich zu der genetischen Verarmung geführt. „Heute wird europaweit eigentlich nur noch der sogenannte 00-Raps angebaut, also ohne Erucasäure und niedrig Glucosinulate“, sagt Abbadi.
Das Ziel des Forschungsverbunds: Mehr genetische Diversität in der Rapszüchtung schaffen, um aktuellen und zukünftigen Anbauproblemen neue Sorten entgegensetzen zu können. „Wir wollten für mehr Ertrag, für eine höhere Toleranz gegen abiotischen Stress wie Trockenheit und für mehr Stickstoffeffizienz sorgen“, erläutert Abbadi.
Verwandtschaftsverhältnisse von Rapspflanzen untersucht
Um ihrem Ziel näher zu kommen, führte das Konsortium zunächst eine große Literaturrecherche durch. Alte Gen- und Datenbanken wurden durchforstet und schließlich etwa 1.500 verschiedene Rapslinien zusammengetragen, deren genetisches Profil teilweise nicht bekannt war.
„Anschließend haben wir diese auf etwa 500 Linien, welche für einen Anbau im europäischen Raum geeignet waren, reduziert“, sagt Abbadi. Diese 500 Linien wurden dann mithilfe von molekularen Markern untersucht, um ihre genetische Diversität zu erfassen. Bis dato waren die verfügbaren genetischen Informationen über Raps sehr begrenzt. Also verglichen die Forscher die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen verschiedenen Rapslinien – ein Verfahren, das „Fingerprinting“ genannt wird. Schließlich fokussierten sich die Genetiker auf 50 Linien, die dennoch die gesamte genetische Bandbreite der ursprünglich 1.500 Linien abdeckten.
Durch Kreuzungen entstanden 2.500 Rapsfamilien
„Diese 50 Linien haben wir dann alle mit einer sogenannten Elitelinie gekreuzt, die bereits in der Züchtung eingesetzt wird“, berichtet Abbadi. Ein Mammutprojekt: Durch die Kreuzungen entstanden insgesamt 2.500 Rapsfamilien, deren Genom auf die Merkmale Ernteeigenschaften, Stresstoleranz und Stickstoffeffizienz untersucht werden musste. „Das war wirklich eine Materialschlacht“, sagt Abbadi heute. „Es war gar nicht so einfach genügend Pflanzenmaterial herzustellen und allen Züchtern zur Verfügung zu stellen, um anschließend aussagekräftige Daten für alle 2.500 Familien zu erhalten.“
Eine Datenbank für die Forschergemeinde
Natürlich galt es auch einige andere Herausforderungen zu meistern. „14 Projektpartner zu koordinieren, deren Arbeiten aufeinander aufbauen, ist keine einfache Aufgabe.“ Auch die molekularen Analysemethoden für die rekombinierten Genomabschnitte waren anfangs gar nicht vorhanden. Unterschiede in einzelnen DNA-Bausteine zwischen den Linien, sogenannte Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs), wurden mithilfe der Genomsequenzierung der 50 Linien und Genotypisierungschips analysiert. „Das Konsortium hat diesen speziellen Chip mitentwickelt. So konnten wir auch bestimmen, welche Marker analysiert werden.“ Die größte Herausforderung sei jedoch das Datenmanagement gewesen. „Alle Partner mussten zu jeder Zeit auf alle Daten zugreifen können. So ist die Pre-Breed-Yield-Datenbank entstanden“, erzählt Abbadi. Inzwischen ist die Datenbank für die gesamte Forschergemeinde zugänglich und wird noch immer stetig aktualisiert.
Mehr Ertrag als die Elitelinie
Aus den 2.500 Rapsfamilien wurden schließlich basierend auf den Daten aller Projektpartner 1.000 Familien ausgesucht. Diese wurden wiederum mit einer sterilen Mutterlinie weitergekreuzt, um Hybriden zu erzeugen. „Die meisten heute verwendeten Rapssorten sind Hybriden“, erklärt Abbadi. „Wir wollten den sogenannten Heterosis-Effekt nutzen, der zur Folge hat, dass Kreuzungsnachkommen ertragreicher sind als die Elternpflanzen.“ Die entstandenen Experimentalhybriden bauten die Pflanzenforscher an 12 verschiedenen Standorten an und ermittelten deren Ertrag. Das Ergebnis: Es wurden Linien identifiziert, die in Sachen Ertrag und Stickstoffeffizienz noch besser sind als die ursprüngliche Elitelinie. „Diese besonders ertragreichen Rapslinien sind heute für alle Züchter in Deutschland frei zugänglich“, berichtet Abbadi.
Zahlreiche Nachfolger-Projekte
„Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung und Förderung durch das BMBF“, betont Abbadi. „Kein Züchter hätte so ein Projekt alleine bewerkstelligen können.“ Nach dem Vorbild des deutschen Großprojektes sind seither weltweit zahlreiche Ableger und Weiterführungen entstanden, die beispielsweise den Raps für den Anbau in Nordamerika optimieren.
Autorin: Judith Reichel