Organe auf Mikrochips
Ausgezeichnet: Karlsruhe Forscher entwickeln komplexe 3D-Organ-Chips für bessere Wirkstofftests. Die EU fördert die Weiterentwicklung der Chips mit einer halben Million Euro.
Sie sind eine vielversprechende Plattform für Wirkstofftests und könnten die Anzahl an Tierversuchen künftig deutlich reduzieren: Multi-Organ-Chips. Hier werden aus Zellen von gesunden Menschen und Patienten miniaturisierte Organe mittels 3D-Druck auf einem Mikrochip nachgebildet. In den vergangenen Jahren ist die Entwicklung der so genannten Lab-on-a-Chip-Technologie weiter vorangeschritten. Mittlerweile können darauf sogar mehrere Organe abgebildet werden. Die Technologie könnte in Zukunft nicht nur ethisch umstrittene Tierversuche minimieren, sondern auch neue Arzneimittel vor dem Einsatz im Menschen besser absichern.
Karlsruher Organ-Chip ausgezeichnet
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat sich die Forschungsgruppe von Ute Schepers auf die Entwicklung solcher Systeme spezialisiert. Die Entwicklung eines Organ-on-a-Chip-Systems, auf dem Blutgefäße naturgetreu nachgebildeten sind, wurde mit dem LUSH PRIZE 2017 zur Förderung tierversuchsfreier Testmethoden in der Kategorie „Nachwuchsforscher“ ausgezeichnet. Der mit 12.000 Euro dotierte Preis wurde an Vanessa Kappings verliehen, die in Schepers Team maßgeblich an der Weiterentwicklung des Testsystems namens „vasQchip“ beteiligt war.
Tausende Tests parallel möglich
Der Chip ist kaum größer als ein Smartphone. Mittels 3D-Drucker wurden darauf dreidimensionale Miniorgane aufgetragen. Diese sind durch haarfeine künstliche Kanäle miteinander verbunden. Durch diese künstlichen Blutbahnen gelangen die zu testenden Wirkstoffe in einer blutähnlichen Nährstofflösung in die miniaturisierten Organe. Eine Minipumpe simuliert dabei das Herz und pumpt die Lösung durch die künstlichen Adern. Der Vorteil: Wie die Stoffe auf die Organe wirken, ist sofort messbar. Aber nicht nur das. Mithilfe des Mini-Organ-Chips können den Forschern zufolge tausende Test parallel und automatisiert durchgeführt werden und das auf kleinstem Raum. Derzeit arbeitet das Karlsruher Team an der Entwicklung von durchbluteten Haut-, Leber-, Darm-, Hirn-und Tumormodellen sowie an der Kombination verschiedener miniaturisierter Organe auf einem Chip.
Erfolgreiche Ausgründung der Innovation
„Unser Ziel ist, der Pharmaindustrie und auch der Kosmetikindustrie geeignetere Alternativen zu Tierversuchen zu liefern und sie von den Vorteilen zu überzeugen: präzisere Vorhersagbarkeit der Wirkung auf den Menschen, geringere Kosten sowie Schonung von Mensch und Tier“, erklärt Vanessa Kappings. Mittlerweile haben die Forscher das Start-up „vasQlab" gegründet, um den „vasQchip“ weiterzuentwickeln.
EU fördert Produktion von Organ-Chips
Ein neues Europäisches Forschungskonsortium will der Organ-on-a-Chip-Technologie nun zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Durchbruch verhelfen. An dem Projekt »ORgan-on-CHip In Development« (ORCHID) sind auch Forscher vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart beteiligt. Das Konsortium will in den kommenden Jahren eine europäische Infrastruktur aufzubauen, um eine koordinierte Entwicklung, Produktion und Implementierung der neuen Testsysteme zu ermöglichen. Ziel ist die Entwicklung einer Plattform, die Wissenschaftlern, politischen Entscheidungsträgern, Geldgebern und Endnutzern einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet bietet. Das Vorhaben wird von der EU im Rahmen des Programmbereichs FET Open in den nächsten zwei Jahren mit 500.000 Euro gefördert.
bb