Mikrobioreaktor als Prüfstand für neue Wirkstoffe
Ob eine Arznei schädliche Nebenwirkungen hat, wird in der Regel an Tieren getestet. Ein europäisches Forscherteam hat nun einen Bioreaktor entwickelt, der zukünftig solche Tests ersetzen könnte. In dem neuen Minilabor konnten die Forscher erstmals live beobachten, wie Substanzen auf Leberzellen wirken.
An Tieren getestete Kosmetika sind seit März 2013 innerhalb der EU verboten. Weder Shampoo, Lotion noch Lippenstift dürfen danach auf schädliche Wirkung an Tieren getestet worden sein. In der medizinischen Forschung sind hingegen Tierversuche noch weit verbreitet, weil es an aussagekräftigen Verfahren fehlt. Doch die Forschung nach Alternativen zum Tierversuch laufen weltweit auf Hochtouren. Nun hat ein europäisches Forscherkonsortium ein vielversprechendes Verfahren entwickelt. Unter Beteiligung von Fraunhofer-Forschern entstand ein Bioreaktor, in dem sich Leberzellproben über vier Wochen kultivieren und zugleich beobachten lassen. Damit konnten die Wissenschaftler erstmals live beobachten, wie eine Substanz auf das Gewebe wirkt.
Tierversuche sind seit Langem umstritten und sollen daher auf ein "unerlässliches Maß" beschränkt werden. Die Suche nach Alternativen zum Tiermodell läuft daher auf Hochtouren und wird auch vom Bundesforschungsministerium seit Jahren finanziell unterstützt. Erfolge gibt es bereits. So gelang es Berliner Forschern, einen Multiorganchip zu entwickeln, auf dem Organe wie Leber im Miniformat abgebildet werden können, um Arzneimittel zu testen. Während an Tieren getestet Kosmetika seit 2013 in der sind Labortiere wie Mäuse oder Ratten bei Wirkstofftests noch immer unverzichtbar. Bisher wurde die Wirksamkeit von Substanzen im Tierversuch mit sogenannten Endpunkt-Messungen ermittelt. „Dabei verabreicht man verschiedene Dosen eines Wirkstoffs und analysiert anschließend das abgestorbene Gewebe oder das tote Tier. Wie der Wirkstoff im Detail auf die Zellen wirkt, kann man damit nicht ermitteln“, erklärt der Leiter der Abteilung Zelluläre Biotechnologie am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI, Claus Duschl.
Reaktion der Lebenzellen beobachten
Gemeinsam mit Forschern aus sechs europäischen Ländern und Israel haben Duschl und seine Kollegen am IZI in Potsdam einen Mikroreaktors namens “HeMiBio“ (Hepatic Microfluidic Bioreactor) entwickelt, in dem Leberzellen über vier Wochen kultiviert und beobachtet werden können. Das heißt: Die Wissenschaftler konnten erstmals live erleben, wie eine Substanz auf das Gewebe wirkt. Dafür bedient sich der Mikroreaktor winziger Sensoren, die in Echtzeit ermitteln, wie viel Sauerstoff die Leberzellen gerade verbrauchen. Anhand des Sauerstoffverbrauchs kann abgelesen werden, welche Stoffwechselprozesse zu einem bestimmten Zeitpunkt in Zellen ablaufen. Wird beispielsweise eine toxische Substanz hinzugefügt, registrieren die Sensoren, wie sich der Sauerstoffverbrauch der Zellen verändert. Darüber ist erkennbar, welche Stufen im Stoffwechselprozess der Wirkstoff beeinflusst oder unterbricht. „Im Projekt haben wir mit unseren Kooperationspartnern, Zellbiologen von der Hebrew University in Jerusalem, die Vermutungen überprüft, indem genau jene Substanzen ersetzt wurden, deren Produktion durch den Giftstoff blockiert wird", erläutert Duschl. „Tatsächlich liefen danach die anschließenden Stoffwechselschritte ungestört weiter“.
Stoffwechselprozesse nachahmen
Gemeinsam mit Partner aus Israel waren Duschl und sein IZI-Team maßgeblich an der Entwicklung der Sensortechnologie beteiligt. Sie verwendeten hierbei kleine Polymerpartikel, die mit Farbstoffen versetzt wurden und phosphoreszierendes Licht abgeben. Dass der Mikrobioreaktor funktioniert, haben die Verbundpartner an Proben von Leberzellen bewiesen. Als nächstes wollen die Forscher das Minilabor auch für andere Zellen fit machen, um Stoffwechselpropzesse besser nachahmen zu können. Aber schon jetzt steht fest: Mithilfe des Bioreaktors HeMIBio kann gezeigt werden, warum welche Wirkstoffe giftig sind und wie sie konkret auf das Gewebe wirken. Das Verfahren ist somit ein wichtiger Schritt, um Tierversuche bei Arzneimitteltests künftig weiter zu reduzieren. Das Projekt HeMiBIo wurde im Rahmen der EU-Initiative SEURAT-1 von der Europäische Union und Cosmetics Europe gefördert.
bb