Überschwemmungen, Dürre, Frost und Hagel machen Landwirten hierzulande das Leben zunehmend schwer. Noch sind die Folgen moderat. Handelsbeziehungen über die Landesgrenzen hinweg können bestehende Ertragslücken notfalls schließen, staatliche Förderungen helfen Landwirten, finanzielle Defizite zu überbrücken. Doch können die Folgen des Klimawandels auch in Zukunft gemeistert werden? Was passiert, wenn das internationale Klimaziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad, verglichen mit der vorindustriellen Periode, zu begrenzen, nicht erfüllt wird? Was passiert, wenn nationale statt globale Interessen zukünftig die Politik der Länder dominieren?
Solche und ähnliche Fragestellungen haben Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Projekt „MACSUR“ untersucht. Es ist ein Teilprojekt der europäischen Forschungsprogramminitiative für Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und Klimawandel (FACCE-JPI). Dafür nutzen die Forscher verschiedene Simulationsmodelle, die beispielsweise das Pflanzenwachstum oder die Entwicklung der Agrarmärkte aufzeigen können. Das Vorhaben wurde von 2012 bis 2015 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit knapp 331.000 Euro gefördert. Die im Juni dieses Jahres beendete zweite Förderphase wurde mit weiteren 79.000 Euro unterstützt.
Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft
Im Fokus von „MACSUR“ standen die Auswirkungen des Klimawandels auf Landwirtschaft und Nahrungsmittelversorgung in Europa. Gleichzeitig wurden die klimabedingten Folgen in Ländern wie Afrika und Asien simuliert und deren Auswirkungen für Europa ermittelt. Ziel des Projektes war es, die Folgen des Klimawandels insbesondere für Pflanzen, Tiere und Agrarmärkte aufzuzeigen und damit anderen Teilprojekten Zukunftsszenarien zuzuarbeiten.
„Wir haben basierend auf Modellvergleichen robustere Erkenntnisse gewonnen, wie sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft in Europa auswirken wird und erste Auswirkungen auf landwirtschaftliche Erträge und Markteffekte zeigen können“, resümiert Projektleiter Hermann Lotze-Campen. Dafür hatte sein Potsdamer Team Computermodelle am Großrechner mit Daten zu Temperatur- und Niederschlagsänderungen oder Produktionskosten und Erntemengen von Kulturpflanzen wie Weizen, Mais oder Soja gefüttert, die externe Arbeitsgruppen oder Institutionen wie die Welternährungsorganisation FAO bereitstellten.
Einfluss auf Erträge und Marktpreise
Mithilfe der Daten wurden dann zwei Szenarien durchgespielt. Zum einen wurden die Auswirkungen von Temperatur, Niederschlag aber auch Strahlung auf Agrarerträge und Märkte modelliert. „So konnten wir sehen, wie sich die Erträge der Kulturpflanzen ändern und welche Auswirkungen das auf die Gesamtproduktion oder die Marktpreise hat“, so Lotze-Campen.
Die Diagramme zeigen, wie sich beispielsweise die Erträge in Spanien, Finnland oder Deutschland verändern würden, wenn die Temperaturen im Durchschnitt um nur 1 bis 4 Grad steigen. „Eine zunehmende globale Erwärmung würde sich negativ auf die Erträge auswirken. Das wurde vor allem beim Mais deutlich“, berichtet Lotze-Campen. Beim Niederschlag zeigte sich ein ähnlicher Ertragseffekt, wobei in trockenen Regionen wie Spanien noch weniger Regen wesentlich stärker auf den Ertrag wirken würde, als im kühleren Finnland, das noch Wasserreserven hätte.
Gesellschaftliche Veränderungen aufgezeigt
Das zweite Szenario zeigt hingegen, welche gesellschaftlichen Veränderungen der Klimawandel mit sich bringen könnte. Hier wurde beispielsweise sichtbar, welche Auswirkungen die klimabedingten Ertragsänderungen konkret auf arme Bevölkerungsschichten in Afrika oder Südasien hätten und wie viele Menschen dort zusätzlich von Unterernährung und Hunger bedroht wären. „Die Wirkungen sind unterschiedlich. Wenn wir eine gute Wirtschaftsentwicklung auch in den ärmeren Ländern annehmen, sind weniger Menschen von Armut und Unterernährung betroffen, als wenn die Wirtschaftsentwicklung langsamer vonstattengeht“, betont Lotze-Campen.
Nationale Interessen fördern Armut
Auch eine Ausrichtung der Länder auf nationale Interessen würden Armut und Unterernährung fördern, wie eine weitere Simulation zeigt. Die Botschaft ist auch hier klar: „Wenn sich einzelne Länder abschotten, keinen Handel zulassen, dann sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Agrarpreise deutlich stärker, weil es weniger Möglichkeiten zum Ausgleich gibt.“
Entscheidungshilfe für die Politik
Die Zukunftsprojektionen der Potsdamer Forscher können Politiker weltweit in ihren Entscheidungen unterstützen. So fließen die Daten und Publikationen beispielsweise in Weltbankberichte ein oder werden dem Weltklimarat zur Synthese vorgelegt. „Mit diesen Modellen kann man zeigen, in welchen Regionen der Klimawandel möglicherweise stärkere oder weniger starke Effekte auf die landwirtschaftliche Produktivität haben wird“, so Lotze-Campen. Aber auch Züchtern, Landwirten und anderen Unternehmern im Ernährungssektor könnten die Erkenntnisse ein guter Ratgeber sein.
Die Szenarien zeigen Lotze-Campen zufolge nicht nur, wie wichtig Pflanzenzüchtung und die Entwicklung neuer robuster Sorten sind. Auch effizientere Bewässerungssysteme, die an zunehmende Wasserknappheit in manchen Regionen angepasst sind, könnten die Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft begrenzen. Die wichtigste Botschaft aber ist: „Die Märkte müssen funktionieren. Es dürfen nicht so viele Handelsbarrieren aufgebaut werden. Denn im Zuge des Klimawandels ist mit mehr und häufigeren regionalen Ernteausfällen zu rechnen, und diese können nicht nur mit Technik ausgeglichen werden“, betont Lotze-Campen.
Folgen von Extremwetter simulieren
Als Nächstes wollen die Potsdamer Klimafolgenforscher ihre Simulationen hinsichtlich der sozioökonomischen Entwicklung weiter auf Europa ausdehnen und intensiver extreme Temperatur- und Niederschlagsereignisse sowie deren Folgen analysieren.
Autorin: Beatrix Boldt