Wissenschaftsjahr Bioökonomie: Digitaler Ausklang im Naturkundemuseum

Wissenschaftsjahr Bioökonomie: Digitaler Ausklang im Naturkundemuseum

Zum Abschluss des Wissenschaftsjahrs 2020/21 zum Thema Bioökonomie blickte ein Digitalevent mit Bundesforschungsministerin Anja Karliczek auf die vielfältigen Aktionen, Formate und Preisträger zurück.

Abschlussevent Wissenschaftsjahr 2021
Die Diskussionsrunde beim Abschlussevent des Wissenschaftsjahres (von links): Johannes Vogel (Museum für Naturkunde), Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, Andrea Thilo (Moderation), Anne Lamp (traceless) und Iris Lewandowski (Bioökonomierat).

Die Corona-Pandemie-Wellen haben das Wissenschaftsjahr Bioökonomie geprägt: nicht nur, weil aus ursprünglich einem Jahr ein doppeltes wurde, sondern weil sich ein Großteil der Wissenschaftskommunikation in digitalen Räumen abspielte. Auch das von Andrea Thilo moderierte Abschlussevent am 29. November war bis auf einige Mitwirkende auf dem Podium digital – gesendet wurde aus einem Studio aus dem Berliner Museum für Naturkunde – das zugleich noch bis 5. Dezember Schauplatz der Ausstellung „NaturFutur – Bioökonomie erleben“ ist.

Große Bandbreite an Formaten

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek hatte es sich in ihrer wohl letzten Amtswoche nicht nehmen lassen, im Naturkundemuseum in der Ausstellung und bei dem Event vorbeizuschauen. „Bioökonomie macht deutlich, wie wir Ökonomie und Ökologie miteinander verbinden können, um eine echte Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit zu erreichen“, sagte sie. Vor allem habe das Wissenschaftsjahr deutlich gemacht, was man mit Wissenschaftskommunikation erreichen kann.

Es folgte ein Video-Rückblick auf die Highlights der vergangenen 23 Monate, angefangen vom Auftakt-Event im Futurium im Januar 2020 und dem großen Messestand auf der Internationalen Grünen Woche, die Diskussionsreihe „Karliczek.Impulse“, diverse Mitmach-Aktionen wie der Kreativ-Wettbewerb „Meine Plastik ist bio!“ oder die Citizen-Science-Aktion Expedition Erdreich sowie das Bioökonomie-Camp und viele andere.

Fazit aus den Förderprojekten

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat im Rahmen des Wissenschaftsjahrs 2020/21 insgesamt 32 Vorhaben der Wissenschaftskommunikation zum Themenbereich Bioökonomie gefördert. Umgesetzt haben sie zahlreiche Akteure aus Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft, Medien sowie Kunst und Kultur. In Workshops hatten sich die Geförderten über ihre Erfahrungen ausgetauscht und ein Fazit gezogen.

Michael Wingens von Wissenschaft im Dialog sagte, die Herausforderungen der Pandemie hätten neuen innovativen Digitalformaten den Weg geebnet. „Das schafft einen niederschwelligen Einstieg für Interessierte und potenziell mehr Reichweite, und man bekommt leichter hochkarätige Gesprächspartner“, sagte er. Klick-Zahlen seien nicht alles, um den Impact eines Formats zu messen. Ein Fazit aus den Workshops sei es auch gewesen, dass man für Digitalevents auch unbedingt die Expertise externer Dienstleister in Anspruch nehmen sollte. Hendrik Kamlage von der Modellregion BioökonomieREVIER betonte, wie wichtig die Bürgerbeteiligung sei, damit eine Transformation hin zu einer Bioökonomie gelingen kann. „Der Dialog zum Thema Bioökonomie muss noch responsiver und stärker transdisziplinär werden, weniger top-down“, sagte er.

Dem schloss sich Corinna Brand vom Stadtmarketing Bremerhaven an. „Gesellschaft will partizipieren, Wissenschaft will kommunizieren. Die Herausforderung ist, wie wir eine zielgruppengerechte Ansprache hinbekommen“, sagte sie. Gerade um eine jüngere Zielgruppe anzusprechen, müsse noch stärker auf Social Media gesetzt werden.

Ganzheitlicher Blick gefragt

Auch in der anschließenden Diskussionsrunde ging es darum, wie Wissenschaftskommunikation über Bioökonomie gelingen kann. „Es ist wichtig, das komplexe, große Thema in Teile zu zerlegen und Möglichkeiten zur Teilhabe zu schaffen“, sagte Iris Lewandowski von der Universität Hohenheim. Die Co-Vorsitzende des Bioökonomierats sagte, in der praktischen Lehre an den Universitäten müsse das Thema Entrepreneurship stärker präsent sein. „Die Beratung für Menschen mit innovativen Geschäftsideen muss an den Hochschulen ausgebaut werden“.

Dafür sprach sich auch Start-up-Geschäftsführerin Anne Lamp von traceless aus. Das 2020 gegründete Spin-off der TU Hamburg stellt kreislauffähige Biomaterialien für Verpackungen her und hat kürzlich erfolgreich EU-Mittel eingeworben. „An den Unis geht es zu stark um Fachpublikationen und Papers, das Gründen von Start-ups wird viel zu selten angeregt“, so Lamp. Bei der Kommunikation der eigenen Innovationen setzt traceless unter anderem auf eine starke Social-Media-Präsenz. „Wir heben den ganzheitlichen Nutzen unseres Biomaterials hervor und betrachten dabei den gesamten Lebenszyklus des Produkts.“ Das Kreislaufkonzept cradle-to-cradle werde klar kommuniziert, sagte Lamp.

Der Generaldirektor des Berliner Museums für Naturkunde, Johannes Vogel, betonte die Rolle der Wissenschaft für ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Wirtschaften. „Wissenschaft muss teilhaben an wirtschaftlichen Wertschöpfungsprozessen und am öffentlichen Dialog“, sagte er. Hier habe die Wissenschaft eine Bringschuld, jeder müsse bei sich selbst anfangen.

Bioökonomierat als Beratungsgremium der Bundesregierung

Iris Lewandowski ging auf die Rolle des Bioökonomierates ein, der die Bundesregierung bei der Umsetzung der Nationalen Bioökonomiestrategie berät. „Wir haben ja schon sehr viel Bioökonomie hierzulande. Der Rat nimmt besonders in den Fokus, wie wir mit Bioökonomie die UN-Nachhaltigkeitsziele, die SDGs, erreichen können.“ Bundesforschungsministerin Karliczek unterstrich, wie wichtig der inhaltliche Input des Bioökonomierats sei, um förderwürdige Themenfelder zu identifizieren. „Das war in den vergangenen Jahren eine gedeihliche Zusammenarbeit“, sagte sie.

Nach Ansicht von Johannes Vogel ist das Thema Normensetzung noch nicht ausgeschöpft.  „Warum nicht Plastik in Europa komplett verbieten und Erdölpreise massiv anheben?“, fragte er in die Runde. Hier würden immer noch falsche Anreize gesetzt. Aus Sicht von Anne Lamp sind die Märkte hier durchaus bereits in Bewegung. „Alle wollen weg von Kunststoffen, die neuen Regularien drücken und die Industrie ändert ihre Nachfrage“, so Lamp. Karliczek erwiderte, sie sei kein Freund von Verboten durch die Politik. Doch über höhere CO2-Preise steige der Innovationsdruck. „Die Transformation geht über die Wirtschaft. Aber neue Geschäftsmodelle haben eben auch eine längere Anlaufzeit“.

Anne Lamp plädierte für mehr Förderprogramme für die Skalierung von Prozessen in den Industriemaßstab. „Wir brauchen vernetzte Plattformen für eine konkrete Zusammenarbeit von Akteuren aus Wirtschaft und Wissenschaft“, so Lamp. Wichtig seien auch politische Roadmaps, die innovativen Akteuren Planungssicherheit geben können.

In der Runde war man sich einig, dass sich das komplexe Thema Bioökonomie besonders über anschauliche Beispiele vermitteln lässt. Iris Lewandowski sagte, die Aktivitäten im Wissenschaftsjahr empfinde sie nur als Anfang der Wissenschaftskommunikation. „Wir dürfen damit jetzt nicht aufhören und müssen den Dialog zur Bioökonomie aufrecht erhalten.“ Anne Lamp machte sich für ein systemisches Denken stark. „Wir müssen das Gesamtkonzept von Bioökonomie-Innovationen im Blick haben. Dafür brauchen wir klare Positionen der Politik, Wissenschaft und Wirtschaft müssen es gemeinsam umsetzen.“

Rückblick und Ausblick auf das Wissenschaftsjahr 2022

Karliczek betonte zum Ende der Diskussion, wie sehr ihr das Thema Wissenschaftskommunikation in ihrer Amtszeit am Herzen gelegen habe. Auch bei der Übergabe an ihre Nachfolgerin werde sie sich noch einmal dafür einsetzen. Bei dem Digitalevent gab es zudem noch einmal einen Rückblick auf die Projekte des Hochschulwettbewerbs. Dieser Beitrag auf wissenschaftsjahr.de fasst die Prämierung zusammen.

Den offiziellen Abschluss des Wissenschaftsjahres Bioökonomie markierte die Staffelübergabe an die Organisatoren des nächsten Wissenschaftsjahres 2022 „Nachgefragt!“, repräsentiert durch den Präsidenten der FU Berlin, den Mathematiker Günther Ziegler. Diesmal steht kein Thema im Fokus, sondern alle Fragen der Bürgerinnen und Bürger. Vom 14. Januar bis zum 15. April haben zunächst alle Interessierten die Möglichkeit, im Rahmen des sogenannten IdeenLaufs Fragen für die Wissenschaft zu stellen.

pg