Wenige Konzerne dominieren Ernährung

Wenige Konzerne dominieren Ernährung

Wie die globalen Machtstrukturen in der Lebensmittelindustrie verteilt sind, verdeutlicht der "Konzernatlas“, den eine Allianz aus Sozial-, Hilfs- und Umweltorganisationen vorgelegt hat.

Kühlreagal im Supermarkt
Der Konzernatlas zeigt, dass immer weniger Großkonzerne bei der Ernährung das Sagen haben.

Ob bei Fleisch, Wurst oder Milchprodukten: Einkaufen kann mitunter eine ziemliche Herausforderung sein. Der Kunde hat die Qual der Wahl, sich bei der Vielzahl unterschiedlichster Produkte  zu entscheiden. Doch die Vielfalt täuscht. "Uns wird vorgegaukelt, es gäbe 20 Angebote für Joghurt, de facto ist aber überall das gleiche drin. Und auch wenn die Labels verschieden aussehen, sind meistens die gleichen Konzerne dahinter", erklärt Barbara Unmüßig von der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung.

Wenige Konzerne haben das Sagen

Die Böll-Stiftung hat gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Oxfam, Germanwatch und Le Monde Diplomatique  den „Konzernatlas“  vorgelegt. Der Band verdeutlicht, dass nur wenige große Konzerne die weltweite Ernährung bestimmen und somit das Sagen beim Handel und der Erzeugung von Lebensmitteln haben. Die Hälfte des weltweiten Umsatzes mit Lebensmitteln geht demnach auf das Konto von 50 Firmengruppen. An der Spitze stehen bekannte Unternehmen wie Nestlé oder Danone. Platz zwei der Konsumgütergiganten belegt ein eher unbekanntes Unternehmen, der Fleischkonzern JBS mit Hauptsitz in Brasilien.

Weitere Konzentration im Agrarsektor erwartet

Bei den Agrarrohstoffen sind es lediglich vier Großkonzerne die 70 Prozent des Welthandels kontrollieren. Die Düngemittelproduktion bestimmen danach zehn, die Agrartechnik sechs Anbieter. Die Autoren befürchten, dass sich die Zahl der großen Großunternehmen von Saatgut und Pestiziden noch in diesem Jahr von sieben auf vier verringern könnte.

Sorge um weitere Megafusionen

Kritisch sehen die Autoren dabei vor allem die derzeitige Fusionswelle und die Übernahmen in der Agrar- und Lebensmittelindustrie. Megafusionen der Saatgut- und Agrarchemiekonzerne Bayer und Monsanto, Dow und DuPont sowie Syngenta und ChemChina aber auch die Aufteilung der Märkte von Kaiser’s/Tengelmann zwischen Rewe und Edeka sollten die Politik „aufwecken“, heißt es in der Veröffentlichung. Im Konzernatlas werden aber auch Technologieunternehmen wie Microsoft oder Ölkonzerne wie Shell genannt, welche die Agrar- und Lebensmittelindustrie als neue lukrative Geschäftsfelder für sich entdeckt haben.

Konzentration der Macht hat Folgen

In dem 52 Seiten umfassenden Dokument wird zugleich vor den Folgen der Konzentration der Machverhältnisse gewarnt. Danach würden Agrar-, Lebensmittel- und Handelskonzerne die Industrialisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Acker bis zur Ladentheke vorantreiben. Die Folgen: Der Preisdruck auf die Erzeuger wächst. Die Schere zwischen den Anteilen an den Verkaufserlösen zwischen Großkonzernen und Bauern klafft immer weiter auseinander.

Konzernatlas – Zahlen zur Agrar- und Lebensmittelindustrie

Herausgegeben hat den Konzernatlas eine Allianz der Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem BUND, Oxfam, Germanwatch und der Monatszeitung Le Monde Diplomatique.

Wachsender Preisdruck durch Großkonzerne

Vor allem der von den wenigen Großkonzernen ausgehende Preisdruck ist nach Ansicht der Autoren eine Hauptursache für steigende Armut, schlechte Arbeitsbedingungen, gravierende Umwelt- und Klimaprobleme sowie den Vormarsch der industriellen Landwirtschaft. Die Industrialisierung der Landwirtschaft würde wiederum zu einem Verlust fruchtbarer Böden und der Biodiversität führen und verantwortlich für die Überdüngung der Ozeane sowie den Ausstoß klimaschädlicher Gase sein. "Die wachsende Marktmacht einiger weniger Großunternehmen gefährdet eine bäuerliche, sozial und ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger in der Süddeutschen Zeitung.

Kontrollgremien gefordert

Um die drohenden Gefahren abzuwenden, fordern die Autoren von Bundesregierung, EU und Vereinte Nationen mehr Kontrollen in Form einer „sozial-ökologisch orientierten politischen Regulierung der Agrar- und Ernährungswirtschaft“. Der Appell: „Die Politik und die Wettbewerbsbehörden müssen sich mit den gesellschaftlich relevanten Folgen der Fusionen in bereits hochkonzentrierten Märkten beschäftigen. Sie müssen eine Reform des Wettbewerbsrechts vorantreiben, um eine weitere Konzentration entlang der gesamten Lieferkette zu verhindern.“

bb