Tabak verteidigt sich anders
Pflanzenforscher der Universität Halle-Wittenberg haben die Immunantwort von Tabak mit der Ackerschmalwand verglichen und überraschende Unterschiede entdeckt.
Die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana dient Pflanzenforschern als Modellorganismus, weil ihr Genom vergleichsweise einfach strukturiert ist. Unpraktisch ist es allerdings, wenn die Modellpflanze gar nicht modellhaft für andere Pflanzenarten steht. Das haben Forscher zuletzt wiederholt bei der Ackerschmalwand festgestellt. Auch auf das Immunsystem des wilden Tabaks Nicotiana benthamiana lassen sich die Erkenntnisse aus der Ackerschmalwand nicht übertragen, wie ein Team der Martin-Luther-Universität (MLU) Halle-Wittenberg jetzt im Fachjournal „The Plant Cell“ berichtet.
Wechselspiel zwischen Pathogenen und Pflanzen
Im Jahrtausende alten Kampf zwischen pathogenen Bakterien und Pflanzen haben beide Seiten ihr Waffenarsenal immer wieder an den Gegner angepasst: Pflanzenzellen besitzen an ihrer Oberfläche Rezeptoren, die erkennen, wenn ein schädliches Bakterium anwesend ist, und daraufhin eine Immunreaktion auslösen. Bakterien haben daraufhin sogenannte Effektor-Proteine entwickelt, die diese Immunantwort der Pflanzen verhindern. Doch viele Pflanzen haben ihrerseits Mechanismen entwickelt, die die Effektor-Proteine im Zellinneren aufspüren und eine starke Immunreaktion aktivieren.
Gleicher Rezeptor, anderer Proteinkomplex
Während diese Prozesse in der Ackerschmalwand recht gut verstanden sind, ist das Wissen über den komplexeren wilden Tabak begrenzt. Die MLU-Forscher wollten nun testen, ob die sogenannten TNL-Rezeptoren des pflanzlichen Immunsystems in den Zellen beider Organismen gleich arbeiten. So erfüllen diese ihre Schutzfunktion in der Ackerschmalwand nur im Zusammenspiel mit einem bestimmten Proteinkomplex. „Dabei zeigte sich eine unerwartete Komplexität“, berichtet der Biologe Johannes Stuttmann. Während ein TNL-Rezeptor aus dem Tabak auch in der Ackerschmalwand funktionierte, traf das nicht auf die Gene des Proteinkomplexes zu. „Tatsächlich wird in Tabakpflanzen ein anderer Proteinkomplex für die Immunantwort, induziert durch TNL-Rezeptoren, benötigt als in der Ackerschmalwand. Die Signalwege für Immunreaktionen in verschiedenen Pflanzen sind also offenbar unterschiedlich", resümiert Stuttmann.
Tabak als weiteren Modellorganismus etablieren
Bislang waren Pflanzenforscher davon ausgegangen, dass die Immunmechanismen zwischen den meisten Pflanzenarten weitgehend identisch sind, da sich die beteiligten Proteine evolutionär nur wenig auseinander entwickelt haben. Die Arbeitsgruppe möchte nun N. benthamiana als Modellorganismus für diese und weitere Fragestellungen etablieren. Die Pflanze habe verschiedene Vorteile, die sie für die weiterführende Forschung interessant machen.
bl